Bei den deutschen Meisterschaften holte Schneller den U23-Titel. Foto: Sigel

Mountainbike: Deutscher U23-Meister im Cross Country aus Schömberg im Interview über Weg in Profisport.

Mit sechs Jahren kam Simon Schneller über seinen Heimatverein, den TV Oberlengenhardt zum Mountainbike. Seither lässt ihn der Radrennsport nicht los. Seine Eltern Birgit und Holger unterstützten und begleiteten den heute 22-Jährigen auf dem Weg nach oben. Und auch der ganze Verein ist stolz auf sein Aushängeschild.

Sein jüngster Erfolg war der Gewinn der deutschen Meisterschaft in der olympischen Disziplin "Cross Country" in der Altersgruppe U23 im Juni. Anfang September verpasste er bei den deutschen Marathonmeisterschaften in der Vulkaneifel als Fünfter in der Herrenklasse nur knapp einen Podestplatz. Die Belohnung für die Spitzenergebnisse folgten prompt: Ab Januar 2020 steht der Nachwuchsfahrer als Vollprofi bei seinem Rennstall unter Vertrag.

Sie stehen noch am Beginn einer Profikarriere, aber wie kamen Sie überhaupt zum Radsport?

Im Alter von sechs Jahren habe ich zum ersten Mal das Training der Radsportabteilung des TV Oberlengenhardt besucht. Ich hatte mit Freunden auf unserem Bolzplatz Fußball gespielt und einige von ihnen sind mitgegangen. Wir trafen uns freitags beim Bürgerhaus, 100 Meter von unserem Wohnhaus entfernt, mit unseren Trainern Jörg Fader und Harald Braun, und ab und zu für spezielles Techniktraining mit Fabian Fader. Als ich sieben Jahre alt war, nahm ich an meinem ersten Mountainbike-Rennen teil.

Und da kamen dann gleich die ersten Erfolge?

Nicht ganz, der TV Oberlengenhardt richtete damals den LBS-Cup aus, mit Teilnehmern aus ganz Baden-Württemberg. In meiner Altersklasse U9 landete ich im Mittelfeld. Es gab über die Saison verteilt immer mehrere Cups in verschiedenen Orten, an denen ich teilnahm und mich auch langsam steigern konnte. Ab der Klasse U13 nahm ich regelmäßig am Ländervergleichskampf Trophée de France des Jeunes Vététistes in Frankreich mit der Nationalmannschaft teil.

Und dann ging es so richtig los?

Ja, in der Altersklasse U15 kam ich über die Bundesnachwuchssichtung auf die nationale Ebene, wo ich bis zur Altersklasse U17 fünf bis sechs Rennen pro Jahr absolvierte, die in eine Punktewertung eingeflossen sind. 2011 schaffte ich den Gesamtsieg in der Nachwuchs-Bundesliga für Mountainbike Cross Country in der Klasse U15. 2017 konnte ich diesen Erfolg auf Bundesebene mit dem Gesamtgewinn der Bundesliga in der Klasse U23 wiederholen. In der Altersklasse U17 wurde ich in den Bundeskader aufgenommen, musste diesen aber nach einem Jahr wieder verlassen, was jedoch nur mit meiner langsamen körperlichen Entwicklung in der Pubertät zu tun hatte. Ab der U19-Altersklasse durfte ich bei etlichen Europa- und Weltmeisterschaften sowie beim Weltcup antreten, zusammen mit der U23 und den Herren. Die Norm dafür muss ich seither als Einzelkämpfer über die Teilnahme an Wettbewerben schaffen, als Mitglied des Bundeskaders hätte ich mich über deren Nationalteam leichter qualifizieren können.

Wurden Sie anderweitig unterstützt?

2012 wurde ich aufgrund meiner ersten größeren Erfolge in das "Bike Junior Team" aufgenommen und bekam erstmals ein Fahrrad und Ersatzmaterial gesponsert. Davor waren meine Eltern die maßgeblichen Unterstützer in Sachen Material, Transport und Betreuung bei den Rennen. Bei mehrtägigen Wettkämpfen haben meine Mutter Birgit und ich unser großes Auto vollgepackt und die Wochenenden über an der Rennstrecke gecampt.

Inzwischen fahren Sie für ein Profi-Team. Was bedeutet das?

Seit 2018 bin ich Nachwuchsfahrer im "Bulls Racing Team" aus Köln, und komme so auf 40 bis 50 Renntage im Jahr. Das Team hat derzeit fünf Vollprofis und einen hauptberuflichen Teammanager, der die Wettkämpfe und damit verbundenen Reisen plant. Zudem unterstützt uns ein fest angestellter Mechaniker und während der Wettkämpfe betreuen uns Physiotherapeuten. Ich gehöre momentan noch zu den drei Nachwuchsfahrern, ab nächstem Jahr stehe ich jedoch mit einem neuen Profi-Vertrag gehaltstechnisch unabhängiger da und kann mich voll auf meinen Sport konzentrieren. Wenn ich international erfolgreich bin, kann ich mir durchaus noch mindestens zehn Jahre als Profisportler vorstellen.

Zum Profisport gehört natürlich auch Training. Wo und wie trainieren Sie?

Einige wichtige Renntermine sind von vornherein gesetzt und das Training darauf ausgerichtet. Das Jahr über trainiere ich viel vor der Haustür oder treffe mich mal mit Teamkollegen für zwei bis drei Tage an einem anderen Ort. Fünf bis sechs Trainingstage pro Woche mit bis zu sieben Stunden im Sattel kommen da schon zusammen. Wobei auch das Rennrad eine wichtige Rolle spielt, da ich viel auf der Straße unterwegs bin. Im Wald nehme ich Wege und Pfade. Da kommt es schon einmal vor, dass ich einen umgekippten Baum gerade noch so überspringen und einen schlimmen Sturz verhindern kann. Im Grunde bin ich aber mein eigener Trainer. Im Winter steige ich auch mal auf Langlauf um oder gehe joggen, das ist bei Kälte etwas angenehmer als auf dem Fahrrad. Zudem finden in der kalten Jahreszeit Trainingslager statt. Im Dezember verbringt das Team zehn Tage auf Mallorca und im Januar geht es auf dem bergigeren Gran Canaria weiter.

Was sind die besonderen Herausforderung Ihrer Disziplin?

Beim "Cross Country" sind beim Fahren durch das Gelände viele Fähigkeiten gefordert, insbesondere natürlich Ausdauer und Kraft, vor allem bei den Anstiegen. Zudem braucht man bei den Abfahrten eine gute Koordination, um das Rad zu beherrschen. Entlang der Strecke gibt es festgelegte Zonen für Verpflegung und Reparaturen. Dazwischen muss man sich selbst versorgen, mit dem was man an Flickzeug dabei hat, oder bis zur nächsten Zone laufen.

So ein Rennen ist bestimmt sehr anstrengend?

Normalerweise brennen vor allem die Beine, wegen des sich ansammelnden Laktats, in Höhenlagen brennt dann aber auch noch die Lunge. Das gehört halt dazu und macht irgendwie auch die Faszination aus, sein körperliches Limit zu finden und zu spüren. Unsere Leistung auf dem Mountainbike wird über das Tretlager erfasst und auf einen Radcomputer am Lenker übertragen. Beim Wettkampf erreiche ich im Schnitt rund 300 Watt, womit ich eine Glühbirne von 200 Watt auf jeden Fall durchweg zum Leuchten brächte.

Wie sieht Ihr Leben außerhalb des Radsports aus?

Derzeit bin ich im siebten Semester im Studiengang zum Bauingenieur in Karlsruhe. Da stehen weitere fünf Prüfungen und die Bachelorarbeit an. Eigentlich kann man bis zum Alter von rund 40 Jahren Mountainbike-Rennen profimäßig fahren. Der Boom im Mountainbike-Sport flacht aktuell durch die Zunahme der E-Bikes aber etwas ab. Durch mein Studium zum Bauingenieur und die Möglichkeit, eines Tages den elterlichen Zimmereibetrieb zu übernehmen, gibt es für mich aber auch einen Plan B. In den Semesterferien helfe ich vormittags bereits auf der Baustelle meines Vaters aus, danach geht es dann aufs Rad.