Das deutsche Team Red-Bull Bora-hansgrohe mit dem slowenischen Topfahrer Primoz Roglic (rechts). Foto: AFP/ANNE-CHRISTINE POUJOULAT

Das härteste Radrennen der Welt geht wieder los: Wer sind die Favoriten bei der diesjährigen Tour de France? Wie sieht das Streckenprofil aus? Und wie stehen die Chancen der deutschen Profis?

Auch wenn sich hierzulande derzeit alles um Fußball dreht, in Frankreich geht es in den kommenden Tag nicht nur um das Runde, das ins Eckige muss. Das schwerste Radrennen der Welt steht an. An diesem Samstag, 29. Juni, startet die 111. Tour de France. Das Ziel erreicht das Peloton am 21. Juli.

 

Warum wird die Tour in diesem Jahr eine ganz besondere?

Es ist die 111. Ausgabe: Bei der Schnapszahl-Rundfahrt des wichtigsten Radrennens der Welt, die in Florenz beginnt, ist zweierlei grundlegend neu: Erstmals startet die Tour in Italien – damit hat nun fast jede große europäische Radsport-Nation ihren Grand Depart (gehabt). Und erstmals überhaupt seit ihrer Premiere 1903 endet die Tour nicht in Paris. Weil in der Hauptstadt die finalen Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele laufen, steigt das Finale nach drei Wochen in Nizza.

Wie sieht die Route aus?

Schwer. Sehr schwer. Und spektakulär von Beginn an. Schon die erste Etappe von Florenz nach Rimini ist mit 3847 Höhenmetern immens fordernd, bereits am vierten Tag geht es über den 2627 m hohen Galibier - der nicht einmal das „Dach der Tour“ ist: Auf der drittletzten Etappe führt die Strecke an der Cime de la Bonette, der höchsten Stelle der Tour-Geschichte, bis auf 2797 m. Die 21 Etappen über 3498 km bieten fünf Bergankünfte. Die beiden Einzelzeitfahren fallen auf die siebte und 21. Etappe - erstmals seit 1989 endet die Tour nicht mit einem gewöhnlichen Abschnitt.

Die Etappen der 111. Tour de France im Überblick:

Berge am Anfang, Berge mittendrin, Berge am Ende - und einige Chancen für die Sprinter:

  • 1. Etappe (Samstag, 29. Juni): Florenz - Rimini (206 km): Wieder kein Prolog, sondern ein Start von 0 auf 100 mit einer knackigen Bergetappe, wie 2020 in Nizza oder 2023 in Bilbao. Sieben Bergwertungen bietet die Fahrt durch den Apennin an die Küste, es könnte eine gnadenlose Hatz werden.
  • 2. Etappe (Sonntag, 30. Juni): Cesenatico - Bologna (199,2 km): Viele kleine Anstiege, wahrscheinlich viel Hektik: Etappe zwei ist nicht ganz so schwer wie die erste, aber wohl zu schwer für Sprinter. Im wunderhübschen Bologna könnte ein Ausreißer triumphieren.
  • 3. Etappe (Montag, 01. Juli): Piacenza - Turin (230,8 km): Nicht ganz flach, aber auch nicht wirklich schwierig: Bei der letzten Etappenankunft innerhalb Italiens sollte es im Herzen von Turin zum ersten Massensprint kommen.
  • 4. Etappe (Dienstag, 02. Juli): Pinerolo - Valloire (Frankreich/139,6 km): Am ersten (halben) Tag im Tour-Kernland Frankreich wartet sogleich die erste ganz große Prüfung. 20 km vor dem Ziel wird der 2642 m hohe Galibier überquert, einer der mythischen Rundfahrt-Gipfel, auf dem Weg dahin geht es über den Lautaret. Gepaart mit der finalen Abfahrt nach Valloire ist dies höchst anspruchsvoll.
  • 5. Etappe (Mittwoch, 03. Juli): Saint-Jean-de-Maurienne - Saint-Vulbas (177,4 km): Durch die Weinfelder Savoyens und an der Rhone entlang geht es durch einigermaßen unschwieriges Terrain wohl der zweiten Sprintankunft entgegen.
  • 6. Etappe (Donnerstag, 04. Juli): Macon - Dijon (163,5 km): Auch in Dijon werden die Sprinter ihren Senf dazugeben. Die Etappe durch die historische Landschaft Burgund ist weitestgehend flach, nur Windkanten könnten eine Massenentscheidung verhindern.
  • 7. Etappe (Freitag, 05. Juli): Nuits-Saint-Georges - Gevrey-Chambertin (25,3 km/EZF): Die Tour bot schon weit schwerere und weit längere Zeitfahren, dennoch ist dieses südlich von Dijon tückisch. Ein mittelschwerer Anstieg über rund 1,6 km zur Halbzeit stört den Rhythmus der Rouleure.
  • 8. Etappe (Samstag, 06. Juli): Semur-en-Auxois - Colombey-les-Deux-Eglises (183,4 km): Sprintankunft oder Ausreißertriumph: Beides ist ist im früheren Wohn- und späteren Sterbeort des legendären französischen Präsidenten Charles de Gaulle möglich. Die Hauptschwierigkeiten mit zwei Steigungen der 3. Kategorie liegen in der Frühphase des Rennens.
  • 9. Etappe (Sonntag, 07. Juli): Troyes - Troyes (199 km): Ein langer Rundkurs mitten in einer Tour - das ist eine Seltenheit. Nicht nur deshalb ist der Ritt durch die Champagne speziell: 14 Schottersektoren über 32 km sorgen für Strade-Bianche-Flair. Erhöhte Sturz- und Defektgefahr!
  • 1. Ruhetag in Orleans (Montag, 08. Juli)
  • 10. Etappe (Dienstag, 09. Juli): Orleans - Saint-Amand-Montrond (187,3 km): Stramm nach Süden ohne gewertete Steigungen: Nach dem Ruhetag spricht wieder vieles für eine Sprintentscheidung.
  • 11. Etappe (Mittwoch, 10. Juli): Evaux-les-Bains - Le Lioran (211 km): Ein Biest von Etappe: Lang, viele Steigungen, vier Pässe auf den finalen 70 km. Die Favoriten könnten es sich im Zentralmassiv so richtig geben.
  • 12. Etappe (Donnerstag, 11. Juli): Aurillac - Villeneuve-sur-Lot (203,6 km): Eine lange Übergangsetappe führt in Richtung Pyrenäen. Trotz einiger Anstiege sollte das Peloton Ausreißergruppen kontrollieren können.
  • 13. Etappe (Freitag, 12. Juli): Agen - Pau (165,3 km): Pau ist die Metropole der Pyrenäen-Region, dennoch kam es hier bislang meistens zu einer Sprintankunft. Zwei Viert-Kategorie-Hügel in der Schlussphase könnte eine solche diesmal verhindern.
  • 14. Etappe (Samstag, 13. Juli): Pau - Saint-Lary-Soulan (151,9 km): Schluss mit lustig, die entscheidende Tourphase beginnt: Der Tourmalet und die Bergankunft auf dem Pla d’Adet sind berüchtigt schwere Anstiege.
  • 15. Etappe (Sonntag, 14. Juli): Loudenvielle - Plateau de Beille (198 km): Fast 200 km, vier Anstiege der 1. Kategorie, der erste davon gleich nach dem Start, und schließlich das knüppelharte Finale. Ein Fest für Kletterer, ein Albtraum für den großen Rest.
  • 2. Ruhetag in Gruissan (Montag, 15. Juli)
  • 16. Etappe (Dienstag, 16. Juli): Gruissan - Nimes (188,6 km): Ruhiger Tag nach dem Ruhetag: Nahe der Mittelmeerküste geht es größtenteils unschwierig nach Osten - und zum wohl letzten Massensprint dieser Tour.
  • 17. Etappe (Mittwoch, 17. Juli): Saint-Paul-Trois-Chateaux - Superdevoluy (177,8 km): Die Ouvertüre zum Tour-Finale. Die Berge in der Schlussphase sind fordernd, aber nicht schwer genug für eine Favoritenattacke. Es könnte der Tag für Solisten werden.
  • 18. Etappe (Donnerstag, 18. Juli): Gap - Barcelonnette (179,5 km): In der wunderschönen Landschaft am Alpenrand spricht vieles für eine Fluchtgruppe, die ganz großen Schwierigkeiten fehlen trotz diverser Kuppen.
  • 19. Etappe (Freitag, 19. Juli): Embrun - Isola 2000 (144,6 km): Die Luft wird dünn: Am drittletzten Tag geht es gleich dreimal über 2000 m Meereshöhe, der mittlere Anstieg an der Cime de la Bonette (2802 m) ist die höchste Tour-Stelle. Das Finale hinauf nach Isola 2000 ist erheblich schwieriger.
  • 20. Etappe (Samstag, 20. Juli): Nizza - Col de la Couillole (132,8 km): Die Tour ist am Ziel, aber noch nicht am Ende: Von Nizza aus geht es in die steilen Anstiege des Hinterlandes der Cote d’Azur und zu einer schweren Bergankunft auf dem Col de la Couillole.
  • 21. Etappe (Sonntag, 21. Juli): Monaco - Nizza (33,7 km/EZF): Erstmals endete die Tour nicht in Paris (Olympia hat Vorrang), erstmals seit 1989 endet sie mit einem Zeitfahren - und das ist immens anspruchsvoll mit rund 500 m Höhenunterschied bis zur Halbzeit.

Wer sind die Favoriten?

Es könnte ein episches Duell zwischen dem dänischen Titelverteidiger Jonas Vingegaard (Visma-Lease a bike), Sieger von 2022 und 2023, und dem Slowenen Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), Champion von 2020 und 2021, werden. Allerdings: Hinter Vingegaards Form steht nach dessen schwerem Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt Anfang April ein Fragezeichen. Pogacar gewann zuletzt die Italien-Rundfahrt und könnte das erste Giro-Tour-Double seit Marco Pantani 1998 schaffen.

Was ist mit Primoz Roglic?

Der dreimalige Vuelta-Sieger bestreitet seine erste Tour für das deutsche Top-Team, das ab der Frankreich-Rundfahrt als Red Bull-Bora-hansgrohe antritt. Roglic, dem sein slowenischer Landsmann Pogacar 2020 den Tour-Sieg vor der Nase wegschnappte, will sich mit 35 endlich den Traum vom großen Frankreich-Coup erfüllen, gewann zuletzt das Criterium du Dauphine, wirkte stark. Das Podest ist drin.

Was machen die Deutschen?

Acht deutsche Fahrer nehmen das Rennen voraussichtlich auf, einer mehr als im Vorjahr, als so wenige dabei waren wie zuletzt im Jahr 2002. In Abwesenheit der verletzten Lennard Kämna und Emanuel Buchmann könnte nur der unverwüstliche Simon Geschke bei seiner letzten Tour Richtung Top 20 der Gesamtwertung fahren - der Berliner war 14. beim Giro. Nils Politt ist als wertvoller Helfer in Pogacars Team eingeplant, Nico Denz als Roglic-Unterstützer. In den Sprints könnten Phil Bauhaus und Tour-Debütant Pascal Ackermann vorne mitfahren. Freiraum für eigene Angriffe dürften Georg Zimmermann, Nikias Arndt und John Degenkolb erhalten. 

Auf wen ist noch zu achten?

Mark Cavendish. Pardon: Sir Mark Cavendish. Der britische Sprintstar erhielt Ritterehren vonseiten König Charles’, für die mögliche Tour-Krönung verschob der 39-Jährige sein Karriere-Ende: Im Vorjahr musste „Cav“ die Rundfahrt verletzt aufgeben, nun versucht er ein letztes Mal, alleiniger Etappenrekordler zu werden - er und Eddy Merckx siegten je 34-mal.

Wo wird die Tour de France übertragen?

Eurosport überträgt jede Etappe der Tour de France live und mit Start des internationalen Signals in voller Länge im Free-TV auf Eurosport 1 sowie im Livestream. Auch die ARD berichtet erneut in großem Umfang. Neben der Live-Übertragung im Fernsehen bietet der Sender auch im Hörfunk sowie auf den digitalen Kanälen ein breites Programmangebot. Während der Etappen geht die ARD wochentags ab 14.10 Uhr auf Sendung, am Wochenende mit wechselnden Anfangszeiten. Auf sportschau.de ist die Tour zudem im Livestream zu sehen. 

Was gibt es zu gewinnen?

Insgesamt geht es um ein Preisgeld von rund 2,3 Millionen Euro. Wer in Nizza im Gelben Trikot auf dem Podium steht, erhält eine Siegprämie von stolzen 500.000 Euro. Die Gewinner des Grünen und Gepunkteten Trikots müssen sich mit jeweils 25.000 Euro begnügen. Der beste Jungprofi im Weißen Trikot erhält 20.000 Euro. Ein Etappensieg bringt 11.000 Euro.