Foto: Schwarzwälder Bote

Mountainbike: Henrique Avancini boxt sich durch

Von Erhard Goller

Nicht nur weil die UCI Mountainbike-WM 2020 im Juni in Albstadt stattfindet, wird die WM europäisch dominiert sein. Für einen südamerikanischen Farbtupfer sorgt Henrique Avancini.

In der Weltrangliste der Herren findet man unter den besten zwanzig 17 Europäer. Doch an zweiter Position leuchtet aktuell hinter dem Namen Henrique Avancini das Grün der brasilianischen Flagge.

Ab Sonntag kämpft er an der Seite des Kirchheimers Manuel Fumic beim renommierten Etappenrennen Cape Epic in Südafrika um den Sieg. Als erster Brasilianer wurde Avancini Weltmeister in einer Radsport-Disziplin. Seine Geschichte ist nicht nur deshalb bemerkenswert. Avancini erzählt sie selbstreflektiert als eine Biographie des Underdogs, der lernt, an sich zu glauben, aber auch auf dem Hintergrund des Kolonialismus. Und der 31-Jährige gibt damit tiefen Einblick in die Mechanismen einer Disziplin.

Henrique Avancini ist am 30. März 1989 in Petropolis geboren. Das liegt in den Bergen, 60 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro. Mit acht Jahren fing er an Mountainbike zu fahren, der Vater hatte einen kleinen Bikeshop eröffnet. Er hat eine Schwester, die zu Hause auch seine Physiotherapeutin ist.

Das Rennen, mit dem der Brasilianer auf der europäischen Bühne zum ersten Mal so richtig wahrgenommen wurde, spielt nur 45 Minuten von Albstadt entfernt, in Münsingen. Im April 2013 überraschte er alle Favoriten und gewann den Bundesliga-Klassiker auf der Schwäbischen Alb.

Von 2009 bis 2011 war er als U23-Fahrer in einem italienischen Team gefahren, doch der Durchbruch war ihm nicht gelungen. Bei der WM 2011 in Champéry, Schweiz, wurde Avancini 25. Kein Ergebnis, mit dem man an gute Profi-Verträge kommt. Ende 2014 unterschrieb Avancini beim Team Cannondale Factory Racing, einem der weltbesten Profi-Teams. Ein Jahr vorher wäre das schon möglich gewesen, doch der Brasilianer verzichtete darauf, weil er sich noch nicht bereit sah, diesen Schritt in eine Equipe mit lauter Weltklasse-Leuten zu gehen.

2017 fiel er als Zehnter in Andorra erstmals im Weltcup auf, dann ließ er bei der WM in Cairns als Vierter aufhorchen. Im Frühjahr hatte er gemeinsam mit Manuel Fumic schon drei Cape-Epic-Etappen gewonnen.

2018 gelangen ihm zwei vierte Plätze im Cross-Country-Weltcup und ein Sieg im Short-Track-Weltcup. Am Ende der Saison wurde er Weltmeister im Marathon. Als erster Brasilianer trug er das Regenbogen-Trikot, das dem Titelgewinner in den Radsport-Disziplinen übergestreift wird.

Für 2019 hatte sich Avancini vorgenommen, ein großes (Cross-Country-)Rennen zu gewinnen. Abgesehen von dem erneuten Gewinn eines Short-Track-Wettbewerbs im Weltcup gelang ihm das nicht. Beim Cape Epic wurde er mit Manuel Fumic Zweiter.

Sein anderes Ziel, eine konstante Saison unter den Besten zu fahren, realisierte er. Er verbesserte sich in der Weltcup-Gesamtwertung von vier (2018) auf drei (2019). In fünf von sieben Cross-Country-Rennen war er in den Top Five. Zum Auftakt in Albstadt gelang ihm das allerdings nicht. Da wurde er nur 18.

Alter: 32

Wohnort: Petropolis, Brasilien

Beruf: Radprofi

Erfolge: Marathon-Weltmeister 2018; zwei Short Track-Weltcupsiege; Weltcup-Gesamt-Dritter 2019; Zweiter Cape Epic 2019; Dritter Cape Epic 2018; WM-Vierter 2017, 2018; Brasilianischer Athlet des Jahres 2018.