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Mountainbike: Der Unternehmer ist mit Leib und Seele dabei

Pünktlich auf die vereinbarte Minute klingelt das Telefon und Wolfgang Renner meldet sich. Ja, Pünktlichkeit, sagt er, verlange er von seinen Mitarbeitern und er selber wolle es auch sein. Der Unternehmer in Sachen Fahrrad verrät seine Lebensphilosophie: "Je länger man die Dinge betrachtet, desto einfacher werden sie."

Was für ein Einstieg in unser Gespräch. Wie meinen Sie das?

Beim ersten Blick sind die Berge immer steil, je länger man sie betrachtet und wenn man sie in Angriff nimmt, werden sie flacher. Fast alles ist machbar. Okay, die Berge werden immer steiler, je älter man wird (lacht). Aber nein, die menschliche Wahrnehmung täuscht.

Ihre erste Begegnung mit dem Sport-Gerät Mountainbike, die fand 1980 bei der Messe in Long Beach, Kalifornien, statt.

Ich habe das dort gesehen. Die haben in Kalifornien ja die Räder umgebaut, die so genannten Klunker. Die hatten dicke Reifen und brutale Radstände. Das war mir nicht sportlich genug. Ich habe gleich dort eine Handskizze gemacht, die Maße reingeschrieben und den Japanern (von Centurion) gegeben. Die Japaner haben uns einen Rahmen gebaut.

Was hat Sie denn damals überzeugt an den Mountainbikes, die Sie dort gesehen haben?

1976 bin ich durchs Karwendel-Tal geradelt. Mit dem Cross-Rad und Schlauchreifen. Ich hatte drei Platten. Ich bin gar nicht zum Ende gekommen, weil ich keine Reifen mehr hatte. Da habe ich gesehen, dass alte Mittenwalder mit so alten Böcken ins Tal reingefahren sind, damit sie nach dem Bergsteigen nicht alles wieder rauslatschen mussten. Ich dachte, die sind nicht so blöd. Du brauchst einfach ein Rad mit dickeren Reifen.

Sie hatten nach den Erfahrungen im Karwendel-Tal also einfach keine Zeit, um sich eine entsprechende Entwicklung zu bauen?

1977 fuhr Dietrich Thurau bei der Tour de France in Gelb. Da kam Eddy Kahlich, ein Tscheche, zu mir und sagte: Wolfgang, du musst mir helfen, der Thurau fährt in Gelb, wir müssen eine Zeitschrift machen (lacht). Dann haben wir die TOUR gegründet (zu Beginn RAD).

Zurück zum Mountainbike. Was war denn der Impuls das dann doch auf den Markt zu bringen?

Der Impuls war das tatsächlich Karwendel-Gebirge (lacht). Ich hatte zuvor ja schon BMX in Deutschland auf den Markt gebracht, und das war schon ein Run. Und die Leute dachten, wenn der Renner ein MTB auf den Markt bringt, müssen wir da mitziehen. Der richtige Hype ging dann los, als die TOUR die ersten Mountainbike-Sonderhefte brachte.

Es war also kein Problem in der TOUR über Mountainbikes zu schreiben?

Nein. Anders als etwa, als man in den Mountainbike-Zeitschriften begann, über E-Bikes zu schreiben. Da gab es richtig Widerstände. Heute sieht das ja anders aus. Wenn du im Karwendel mit einem normalen Bike rumfährst, fragen sie dich ja schon: Wo ist dein Motor? Die Ressentiments gab es im Straßenrennsport gegenüber den Mountainbiker bei Weitem nicht so.

Das Mountainbike war für Sie und für Centurion eine Erfolgsgeschichte.

Im Nachhinein würde ich sagen: Ich war zu stark verliebt in die Technik, in den Sport und habe zu wenig das Wirtschaftliche gesehen. Die Amerikaner haben immer zuerst das Wirtschaftliche gesehen und den Sport dafür benutzt. Ich habe es andersherum gemacht (lacht). Das mache ich heute so nicht mehr.

Der Enthusiasmus für den Sport wurde Ihnen ein wenig in die Wiege gelegt. Ihr Vater war Kunstradsportler?

Richtig. Kunstradfahren ist schon was Feines. Man ist da halt reingewachsen. 1957 habe ich begonnen, da gab es ja nicht viel, da hat man noch in Ruinen gespielt.

Sie haben mit Ihrem Zwillingsbruder Jürgen Zweier-Kunstradfahren betrieben.

Bis zum 19. Lebensjahr. Wir waren zweimal deutscher Meister, einmal Zweiter, einmal Dritter. Zwei Tage nach meinem 18. Geburtstag bin ich mein erstes Cross-Rennen gefahren. Karl Stähle, ein Vetter zweiten Grades, war fünf Jahre älter und hat mich mitgenommen, und ich war gleich Zweiter.

Konnte man mit dem Cross-Sport was verdienen? Sie haben ja studiert.

Ich habe Elektro-Technik studiert und tatsächlich mit dem Sport das Studium finanziert. Da bist du nicht reich geworden, aber du konntest dein Zimmer bezahlen und so.

Sie haben mit Centurion bereits in den 90ern auch Sportler gesponsert.

Hansjörg Rey (Trial-Weltmeister und Freeride-Pionier) hatte seine ersten Trial-Räder von uns. Mit Diddie Schneider haben wir ein Freestyle-Team gemacht, Uli Rottler (Straßen- und Cross-Profi), die Gebrüder Betz oder den Bahn-Sprinter Michael Hübner. Auch den Triathleten Thomas Hellriegel, erster deutscher Ironman-Sieger.

In den 2000ern wurde das Team Alb-Gold von Centurion ausgerüstet, heute ist es das Marathon-Team Centurion-Vaude. Prunkstück aber war das Multivan-Merida Biking Team.

Das war für die Marke schon bedeutsam, das war kein Mäzenatentum. Für Sportler ist ein Mäzenatentum ja auch nicht befriedigend. Die wollen, dass der Sponsor von ihrer Arbeit auch was hat, das ist eine Form der Wertschätzung. Mir hat es aber natürlich auch Spaß gemacht.

Sie waren mit Merida auch beim Weltcup in Albstadt präsent. Was hat der Event im Bullentäle für Sie für eine Bedeutung?

Das ist eine tolle Veranstaltung, tolle Zuschauer. Es war einer der Events, den du promoten konntest. Da konnte man Händler einladen, einfach mehr draus machen. Ich finde es super schade, dass jetzt die WM den Bach runter gegangen ist wegen der Corona-Geschichte.

Sie sind ja jemand, das kann man in verschiedenen Artikeln nachlesen, der nicht das Rampenlicht sucht.

Ich war auch in Albstadt und habe mein Zeug bezahlt (lacht). Obwohl ich eingeladen war. Die wussten gar nicht, dass ich da bin. Ich stelle gerne meine Mitarbeiter in den Vordergrund.

Wie oft sitzen Sie heute noch auf dem Rad?

Ich fahre fast immer Mountainbike, Rennrad selten. Immer Samstag und Sonntag. Bis vier Stunden, kreuz und quer. Manchmal weiß ich gar nicht mehr wo ich bin (lacht). Übers Feld und durch den Wald, das ist herrlich. Hören, Sehen, Riechen, alles dabei.   Die Fragen stellte Erhard Goller.