1219 Kilometer und 12 000 Höhenmeter: Woran der gemeine Radfahrer nicht einmal zu denken wagt, das hat Klaus Pfaff in einer unglaublichen Zeit bewältigt. Er hat am Extremradmarathon „Paris-Brest-Paris“ mit großem Erfolg teilgenommen – und das kurz vor seinem 60. Geburtstag.
„Mit 40 habe ich mein erstes Rennrad gekauft“, erzählt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Was daraus geworden ist, ist eine schier unglaubliche Geschichte.
Klaus Pfaff war einer von tausenden ambitionierter Radfahrer aus aller Welt, die an der Herausforderung in Frankreich teilnahmen. Hier sollte sich weisen, ob sich die unzähligen Stunden der Vorbereitung ausgezahlt hatten. Etwa 12 500 Kilometer hat Klaus Pfaff seit Jahresbeginn abgespult. Darunter waren auch Touren wie nach München und wieder zurück – binnen zwei Tagen.
Wendepunkt in Brest
Als Qualifikation mussten die Teilnehmer in den Monaten vor dem Rennen im radsportverrückten Frankreich mehrere Strecken innerhalb eines Zeitlimits absolvieren – über 200, 300, 400 und 600 Kilometer. 8000 Anmeldungen von Fahrern von allen Kontinenten und aus mehr als 70 Ländern wurden schließlich zugelassen – darunter auch Klaus Pfaff aus Aichhalden.
Start war in Rambouillet, einem Vorort von Paris. Von dort ging es Richtung Westen bis nach Brest in der Bretagne, das bereits am Atlantik liegt. Dort war der Wendepunkt und es ging wieder zurück bis zum Start.
Klaus Pfaff hatte ein klares Ziel: Unter 60 Stunden bleiben. Zudem war es für ihn spannend, wie er im Vergleich mit der internationalen Konkurrenz abschneiden würde.
„Nicht an das Ziel denken, sondern in Etappen“, nahm er sich vor. Sonst hätte die schiere Länge der Strecke ihn vermutlich erschlagen und die Moral untergraben. Nach einiger Zeit wollte er vor allem den Kilometer 800 schaffen. „Wenn ich das habe, ist schon viel gewonnen“, sagte er sich. Dann wären es ja „nur“ noch 400 Kilometer.
Jeder fährt sein eigenes Tempo
„Ich habe mich so lange vorbereitet, jetzt ziehe ich das auch durch“, war ein weiterer Leitspruch. Aber ganz klar: „Ohne Krise geht es nicht auf so einer langen Distanz. Es ist sehr viel Kopfsache und man muss seinen Willen durchziehen“, sagt er nach der Rückkehr in die Heimat.
In flottem Tempo ging es los. Getragen von den vielen Zuschauern entlang der Strecke fuhr Klaus Pfaff dieses Tempo zunächst mit, bis die Gruppe aber immer kleiner wurde. Jeder musste sich irgendwann für sein eigenes Tempo entscheiden. „Fährt man lange Zeit mit zu hoher Geschwindigkeit, zahlt man irgendwann den Preis und bricht komplett ein. Fährt man andererseits zu langsam, verliert man Zeit“, so das Dilemma.
Auch das Gelände hatte es in sich: „Es war sehr hügelig, was auf Dauer zermürbt“. Und dann folgt ein weiterer Satz, den eher Wenige sagen würden: „Im Ötztal fährt man vier Pässe hoch und das war es dann. Die vielen Hügel waren schlimmer“. Klaus Pfaff saugte sich tief in Frankreichs Westen langsam an einen vor ihm Fahrenden heran, mit der er sich dann in der Führungsarbeit abwechselte.
Nach Hause nach Paris
Die physische Fitness wurde aber schlechter, es ging nach und nach alles viel schwerer. Die Beine fühlten sich leer an. Nach über 24 Stunden war der Wendepunkt in Brest erreicht – allerdings war der Rückweg länger und hatte mehr Höhenmeter. Immerhin: „Auf den Wegweisern stand Paris. Ich musste also nur noch nach Hause fahren“, redete er sich ein.
Probleme gab es mehrere: Einmal fragte er sich, ob er noch auf der richtigen Strecke sei, da keine Schilder mehr zu sehen waren. Als ihm alles Spanisch vorkam, drehte er um – bis er einen weiteren Fahrer entdeckte. Dieser versicherte ihm, dass er auf dem richtigen Weg sei.
Zudem übersah Klaus Pfaff mitten in der Nacht einen Randstein und rauschte darüber. Sein Rad blieb unversehrt, allerdings verlor er dabei seine Trinkflasche. Diese musste er in der Dunkelheit wieder suchen.
Bis zu 37 Grad Hitze
„Man kämpft nachts mit dem Sekundenschlaf“, bekennt er. Als es gar zu arg wurde, machte er bei Kilometer 785 eine 80-minütige Schlafpause. Nachts müsse man sich beschäftigen – mit sich selbst reden oder trinken, um nicht einzuschlafen.
Auch das begeisterte Publikum entlang der Strecke hatte seinen Anteil, dass es die Fahrer etwas leichter hatten. So wurde Klaus Pfaff mit Wasser und Crêpes versorgt, um die Strapazen besser ertragen zu können.
Was ihm ebenso weiter half: Vor Mitternacht ins Ziel zu kommen. Ständig rechnete er hoch, wie er in der Zeit lag. Allerdings schlug tagsüber ein weiteres Problem zu – die Hitze. Der Radcomputer zeigte zeitweise 37 Grad an. „Ich fühlte mich wie ein nasser Lappen. So ziemlich alle Muskeln und der Nacken schmerzten“, sagt er über diese Stunden.
In einem kleinen Dorf bot ihm ein Mann eine Erfrischung mit dem Gartenschlauch an, die er dankend annahm. Die Hügel schienen höher als auf dem Hinweg und schon bald wurde es wieder dunkel.
Allerdings rückte das Ziel immer näher und bei Klaus Pfaff kam eine Resteuphorie auf. „Schnell den Rest noch hinter mich bringen“, lautete das Motto.
Unter den angepeilten 60 Stunden
Und tatsächlich, um 23.40 Uhr überquerte er die Ziellinie – nach 55 Stunden und 23 Minuten. Damit war er deutlich schneller als die angepeilten 60 Stunden.
„Ein unglaubliches Ergebnis, über das ich mich aber erst am nächsten Tag freuen konnte“, sagt er angesichts der Erschöpfung.
Am Ende gehörte Klaus Pfaff zu den schnellsten zwei Prozent des Teilnehmerfeldes. Eine Erkenntnis lautete: „Nicht jeder, der dich überholt, kommt auch vor dir ans Ziel. Auch Strategie und Wille sind entscheidend“. Etwa 25 Prozent der Teilnehmer brachen das Rennen aufgrund der Strapazen ab.
Klaus Pfaff gönnte sind indes immerhin eine Woche Pause – bevor er wieder aufs Rad stieg.
Extremradmarathon Paris-Brest-Paris
Im Jahr 1891
wollten einige Radsportbegeisterte herausfinden, ob es möglich ist, mit dem Rad eine Strecke von mehr als 1200 Kilometer am Stück zu fahren. Das Rennen ist damit älter als die Tour de France, die es seit 1903 gibt.
Mittlerweile ist dieser
alle vier Jahre stattfindende Radmarathon der bedeutendste der Welt und so etwas wie die inoffizielle Olympiade der Langstreckenfahrer. Auf dem Weg von Paris nach Brest und zurück gibt es 16 Kontrollstellen zu passieren. Das Zeitlimit für die 1219 Kilometer liegt bei maximal 90 Stunden.