Der Rock’n’Roll ist zurück: Queen-Gitarrist Brian May im „We Will Rock You“-Finale mit Aisata Blackman und Kapser Nilsson Foto: Stage Entertainment/Ben Pakalski

Das Queen-Musical „We Will Rock You“ wird am Freitag bei seinem Comeback in Stuttgart frenetisch gefeiert. Was bietet die Show? Und warum muss in der Neuauflage Taylor Swift sterben?

Als die Geschichte eigentlich schon zu Ende erzählt ist, der Rock’n’Roll längst den Plastikpop besiegt hat und sich das Ensemble im Finale mit „We Will Rock You“ und „We Are The Champions“ vom Stuttgarter Publikum verabschiedet hat, geht die Show erst richtig los. Einträchtig werden sie sich endlich durch dieses gewaltige Rock-Opus namens „Bohemian Rhapsody“ singen, das die Band Queen hinterlassen hat – und das schon den ganzen Abend wie ein mythisches Ungetüm durch das Musical im Palladium Theater in Stuttgart gespukt hat.

 

Die röhrende Killerqueen, der rebellisch träumende Galileo Figaro, die Rotznasenpunkerin Scaramouche und all die zottelhaarigen Bohemians feiern dabei ausgelassen die Wiedergeburt des Gitarrenrock. Und plötzlich steht auch noch Brian May, der Gitarrist der Band, um deren Songs sich dieses Musical dreht, auf der Bühne, übernimmt erst den Solopart und winkt nachher fast schüchtern ins Publikum, das sein Glück kaum fassen kann.

„We Will Rock You“: „Matrix“ trifft auf „Footloose“

Am Freitagabend hat im Palladium-Theater in Stuttgart das Musical „We Will Rock You“ sein Comeback gefeiert. Von 2008 bis 2010 gastierte die Show schon einmal gegenüber im Apollo-Theater. Und wer damals schon im Publikum saß, merkt, dass zwar vieles gleich geblieben, aber dennoch einiges neu ist.

„We Will Rock You“ bleibt eine überdrehte und witzige Zukunftsfantasie, die durch die Hits der britischen Band Queen zusammengehalten wird - von „I Want To Break Free“ über „Who Wants To Live Forever“ bis „Somebody To Love“. Allzu ernst sollte man aber auch diesmal das nicht nehmen, was Ben Elton („Blackadder“) aus Teenieklamauk, Science-Fiction und Rebellendrama zusammengemischt hat. Dann kann man richtig Spaß haben bei dieser Show, die ein bisschen wie ein Mashup aus „Matrix“ und „Footloose“ daherkommt.

Tatsächlich wirkt das Zukunftsszenario, das „We Will Rock You“ entwirft, im Jahr 2025 gar nicht mehr so weit weg von der Wirklichkeit: Handgemachter Rock’n’Roll ist tot, beziehungsweise durch von der KI generierte „Gaga-Musik“ eines übermächtigen Unterhaltungskonzerns ersetzt worden, Popstars existieren nur noch als digitale Avatare.

Doch auch wenn alle Musikinstrumente vernichtet wurden, so gibt es doch noch einige Rebellen, die gegen die Gleichschaltung aufbegehren. Einer von ihnen ist Galileo Figaro (Kasper Nilsson), der zusammen mit der wütenden Scaramouche (Isabel Waltsgott) der Gaga-Popwelt entflieht und auf eine Gruppe von Außenseitern trifft, die sich Bohemians nennen, die wie er Rock’n’Roll nur vom Hörensagen kennen, aber fest davon überzeugt sind, dass es etwas Großartiges ist.

„Taylor Swift musste sterben, damit wir leben können“

Deshalb haben sie sich selbst auch die Namen von Stars aus früheren Zeiten gegeben – Madonna, Britney Spears, David Bowie oder Prince zum Beispiel. Weil es für solche Träumer aber in einer Popwelt, in der es um Profitmaximierung geht, keinen Platz gibt, werden sie vom finsteren Zuckermusk (Christian Schöne) gejagt und eingesperrt und können nur fliehen, weil sich Tazer (Nicolas Christahl), der sich Taylor Swift nennt, für sie opfert. Später werden sie erfahren: „Taylor Swift musste sterben, damit wir leben können.“

Die Story von „We Will Rock You“ ist oft albern, überkandidelt und pathetisch, aber das waren Queen ja auch. Wenn die fast nur in Textfetzen aus Rocksongs sprechende Hauptfigur des Musicals Galileo Figaro heißt, ist das kein bisschen exzentrischer, als wenn sich ein Sänger namens Farrokh Bulsara in Freddie Mercury umbenennt.

Die hanebüchene Story, die schrägen Kostüme, das affektierte Gehabe der Akteure setzen nur konsequent fort, was in den Operetten, die Mercurys Songs eigentlich immer waren, bereits angelegt war. Während sich das andere große Jukebox-Musical, „Mamma Mia!“, die süße Unbeschwertheit der Songs von Abba in ein Musical übersetzt, so arbeitet sich „We Will Rock You“ an der Opulenz und der Exaltiertheit von Queen und ihrem Zeremonienmeister Freddie Mercury ab. Vielleicht kann die Inszenierung deshalb mit den bunten Ornamenten der Massen in der Gaga-Welt mehr anfangen als mit den Bohemians - etwa bei den schrillen Choreografien zu „Radio Ga Ga“ oder „One Vision“.

„We Will Rock You“ gibt sich wertkonservativ

Zwar kommt die Show mitunter etwas arg wertkonservativ daher, wenn sie Gitarrenrock zur einzigen Form von „ehrlicher“ Musik verklärt, wenn sie ein bisschen zu verkrampft altväterlich versucht, sich über die heutige Jugendsprache lustig zu machen („OMG“, „NPC“), aber immerhin darf Isabell Waltsgott als Scaramouche, die konsequent als „Babe“ bezeichnet wird, auch mal auf das Sexismus-Problem des Rock’n’Roll hinweisen: „Hey Boomer, was ist das denn für ein patriarchalischer Verein?“

Und einige der beeindruckendsten musikalischen Momente bescheren „We Will Rock You“ dann auch die Frauen im Ensemble: Helene Lenn als Meat begeistert mit „No-One But You (Only The Good Die Young)“. Aisata Blackman als Killer Queen ist nicht nur bei dem Song „Killer Queen“, sondern auch bei „Another One Bites The Dust“ und dem leider etwas zu schnell abgewürgten „Don’t Stop Me Now“ eine Sensation. Und allen, die mit der aktuellen Musik nicht so viel anfangen können, spendet die Show nebenbei Trost: „Rockmusik ist nicht tot“, verrät einer der Bohemians, „sie schläft nur.“

We Will Rock You. Vorstellungen täglich außer montags im Palladium-Theater in Stuttgart. Tickets gibt es hier.