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 "Hier haste ne Mark" - Helge Schneider in der Stuttgarter Liederhalle vor 2000 Zuschauern.

Stuttgart - Dass Helge Schneider so blöd wie brillant ist, muss man niemandem mehr sagen. Gestern war er im Beethovensaal, spielte vor knapp 2000 Zuschauern auf Minisaxofonen und Klavieren, coverte Jazzklassiker, parodierte Rocksongs, watschelte über die Bühne und unternahm eine Expedition an den Nordpol.

Die Herrentorte singt und tanzt und setzt sich ans Klavier. Helge Schneider trägt, natürlich, einen Anzug, zweireihig, später dann steckt er sich, der Bequemlichkeit halber, das Jackett in die Hose. Damit diese Hose hochzuziehen, ist er eh den ganzen Abend über beschäftigt. Helge rülpst und rotzt, reichlich indiskret, wie er die Spucke im Mund umherwälzt, das kann man regelrecht hören. "Guter Gag", grinst er, "müsst ihr euch merken, für die nächste Party!"

Erst ist er allein auf der Bühne, nur sein Leibdiener in Uniform ist bei ihm, der immer wieder ein Tässchen Tee bringen darf. Denn Helge Schneider, das erfährt man sogleich, ist Teeist, und das hat nichts mit Religion zu tun. Auf und ab geht später auch der Gitarrist, ein fabelhaft begabter Mann in rotem Samtanzug und mit Zylinder. Er heißt Sandro Giampietro. Helges neueste Band nennt sich "Die Drops". Die Musiker hat der Meister offenbar nach dem Motto ausgesucht: Je älter, desto besser.

Helge Schneider ist der Mittelpunkt

Nach und nach erscheinen sie auf der Bühne: Jochen Bosak am Piano, Rudolf Olbrich, ehrwürdig im rot gestreiften Shirt und nach Helge Schneiders Angaben rund 200 Jahre alt, am Bass. Und vor allem Pete York als außergewöhnlicher Drummer, der samt seinem Instrument trommelnd auf die Bühne gefahren wird und gegen Ende des Programms ein großes Solo spielt, zu dem er eine wilde Erzählung von Voodoo-Kulten in New Orleans vorträgt, die sogar Helge beeindruckt. Ein weiterer Gast auf der Bühne, der immer wieder mal auftaucht und dann wieder verschwindet, ist ein vollbärtiger Kauz, der sich als lebende Kanonenkugel ausgibt, aber nicht abfliegt. Stattdessen tanzt er ekstatisch und führt Gymnastik auf einer Matte vor.

Und Helge Schneider? Er ist der Mittelpunkt. Er kann alles spielen, das Minisaxofon, das Piano, die Bongos, das Xylophon, und zwar so gut, dass er das niemandem beweisen muss. Die große Kunst des Helge Schneider besteht im haarscharfen Nebeneinander - eben von großer Kunst und totalem Quatsch. Schneider hat einen scharfen Blick für Klischees. Immer dann, wenn ein anderer Interpret sich anbiedern würde, wird er sehr plötzlich peinlichst schlecht und grinst dabei mit großer Freude.

Einen Standard wie "Misty" bläst er auf dem Saxofon so ungeheuer feucht, dass den Jazzfans die Tränen in den Augen stehen müssen - vor Lachen. Und diese Rechnung geht immer auf, bei Helge Schneider - ob er nun dem Jazz huldigt und ihn veralbert, ob er Rundfunkhörspiele parodiert oder Sprüche kloppt: "Die DDR gibt's nicht mehr, nur das Gebiet ist noch da." Er hat auch scharfe Ohren: "Die Stuttgarter", sagt er, "haben ein Problem mit ihrem Bahnhof. Das hat sich sogar schon bei uns herumgesprochen. Aber das wird sich sicher von selbst lösen". "Oben bleiben!", brüllt einer im Publikum. Helge guckt schräg und sagt: "Ich weiß nicht, was das heißen soll!"

Dann watschelt dieser Clown wieder über die Bühne, zieht seine Hose hoch, keift, lässt sich ein Tässchen Tee bringen. Und setzt sich an die Tasten - klassischer Jazz, lockerer Swing, sicher und beseelt gespielt! Bis Helge zum ersten Mal daneben greift, dann zum zweiten Mal, und zu singen beginnt. Und zu tanzen. Spätestens dann merkt jeder Toto in der Liederhalle, dass er ganz und gar nicht mehr in Kansas ist.

Am heutigen Mittwoch tritt Helge Schneider erneut im Beethovensaal auf.