Beliebter Nahverkehr: Die Zahl der Fahrgäste nimmt stetig zu. Foto: dpa

Auf die Bahn zu schimpfen gehört für viele Bahnfahrer zum Standardprogramm. Dabei schneidet das Unternehmen in einem Qualitätsbericht gar nicht so schlecht ab – auf alle Fälle besser als sein Ruf.

Stuttgart - Uwe S. hat in seinem Bahnfahrerleben schon sämtliche Bahnfahreralbträume erlebt: Verspätungen, Zugausfälle, unplanmäßige Halts, Weichenstörungen, überfüllte Waggons, fehlende Ansagen, defekte Klimaanlagen, defekte Heizungen, defekte Türen, defekte Toiletten – alles.

Uwe S., der regelmäßig zwischen Stuttgart und Albstadt unterwegs ist, bezeichnet den dort verkehrenden Interregio nur noch als „Bangladesch-Express“. Der Berufspendler hat sämtliche Verfehlungen der vergangenen Jahre notiert und der Bahn vorgehalten. Beim Lesen der Berichte drängt sich in der Tat die Frage auf, warum das Land als Besteller der Nahverkehrszüge pro gefahrenem Kilometer der DB Regio fast zehn Euro bezahlt. „Dabei handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs“, meint der Pendler. Tatsächlich passiere deutlich mehr – das höre er auch immer wieder von Mitfahrern.

Die Bahn bestätigt sämtliche Vorfälle im Fall von Uwe S. – ansonsten widerspricht sie dem Vorwurf, die Qualität in ihren Zügen lasse immer mehr nach. „Die Zuverlässigkeit ist gestiegen, wir haben deutliche weniger Störungen als früher. Das macht sich auch in der Zahl der Beschwerden bemerkbar – sie nimmt insgesamt ab“, sagt ein Sprecher der DB Regio. Eine Größenordnung wollte er nicht nennen.

94,65 Prozent aller Nahverkehrszüge kamen pünktlich an

Seit einigen Jahren unterzieht das Land als Besteller der Nahverkehrszüge die Verkehrsunternehmen einem Qualitätscheck. Die Ergebnisse decken sich im Wesentlichen mit den Betrachtungen der DB Regio. So haben sich sämtliche im Land tätigen Anbieter in puncto Pünktlichkeit, Anschlusserreichung, Sauberkeit, Schadensfreiheit und Fahrkartenautomaten im aktuellen Bericht von 2011 gegenüber den Vorjahren leicht verbessert. Vor allem hinsichtlich der Pünktlichkeit – dem wichtigsten Kriterium für Bahnfahrer – schnitt die DB Regio ordentlich ab. 94,65 Prozent aller Nahverkehrszüge kamen pünktlich an – mit diesem Wert liegt die Deutsche Bahn innerhalb des im Verkehrsvertrag mit dem Land festgelegten Toleranzfelds und im Schnitt über dem Wert der vergangenen Jahre. Ab einer Verspätung von mehr als sechs Minuten gilt ein Zug als unpünktlich. Andere Verkehrsunternehmen wie der Seehas oder die Schwarzwaldbahn erzielten noch bessere Pünktlichkeitswerte, allerdings bei weit geringeren Fahrleistungen.

Bei anderen Qualitätskriterien verhält es sich ähnlich: Seehas und Co. gut, Deutsche Bahn schlechter, aber immer noch gut. Die meisten Ergebnisse von 2011 übertreffen die Werte aus den Jahren zuvor. Der Qualitätsbericht für 2012 liegt noch nicht vor.

Vertraglich ist geregelt, dass das Land für ausgefallene Züge nichts bezahlt. Bei Verspätungen gibt es Abzüge vom vereinbarten Zuschuss. Bei übertroffenen Zielwerten erhalten die Verkehrsunternehmen einen Bonus vom Land. 2011 bekam die DB zu den knapp zehn Euro pro gefahrenem Kilometer mehr Boni als Abzüge. Insgesamt ließ sich das Land das Nahverkehrsangebot fast 600 Millionen Euro kosten.

Immer kritischere Bahnfahrer

Parallel zum Beschwerdemanagement der Bahnunternehmen führt die Nahverkehrsgesellschaft Zufriedenheitsbefragungen durch. Interessanterweise korrelieren deren Ergebnisse nicht mit den objektiven Messergebnissen. So gaben die Bahnfahrer schlechtere Noten als früher. Eine Erklärung könnte sein, dass sie immer kritischer werden – und die Bahn stärker an den ständig steigenden Fahrkartenpreisen messen.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) möchte im nächsten Verkehrsvertrag bekanntlich mehr Wettbewerb erreichen. Dazu sollen die großen Anteile der DB besser verteilt werden. Außerdem fordert er, die Struktur der Bahn grundlegend zu reformieren. Hermann hält es nicht mehr für zeitgemäß, dass das Unternehmen Rekordgewinne einfährt – „nur durch den Zufluss erheblicher staatlicher Mittel“.