Matthias Warnig Foto: Büttner

Matthias Warnig legt in der DDR eine steile Karriere hin. Seit vielen Jahren war er in Staufen daheim – nun ist er abgetaucht.

Staufen - Für 50 oder 100 Ostmark hat er schon als 19-Jähriger seine Mitschüler bespitzelt: Matthias Warnig, Deckname "Hans-Detlef", wurde schon als Schüler Stasi-Mitarbeiter in der DDR. Von so einem Spitzellohn konnte man damals entweder eine Monatsmiete bestreiten oder sich eine Flasche West-Whiskey gönnen.

1974 verpflichtete er sich, die Staatssicherheit "im Kampf gegen die Feinde unseres Staates inoffiziell zu unterstützen", ist wörtlich in seiner handgeschriebenen Verpflichtung als Pennäler-Spion zu lesen, die in seinen Stasi-Unterlagen archiviert ist.

Berufslaufbahn führt ihn bis in den Kreml

Nach der Wende machte Warnig dann aber schnell bei den in der DDR verhassten Kapitalisten Karriere, stieg auf bis zu Wladimir Putins bestem Mann in Deutschland und zog vor rund 15 Jahren ins beschauliche Staufen bei Freiburg. Dort wohnt er in bester Lage mit unverbaubarer Aussicht.

Matthias Warnigs Aufgabe bei der Stasi war es zunächst, "negative Erscheinungen insbesondere aus dem Bereich der Jugend" an seine Vorgesetzten zu melden. Schon 1975 begann Warnig seine Berufslaufbahn beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR, die ihn Jahre später bis in den Kreml und in die Chefetage des Gasunternehmens Nord Stream führen sollte.

Rechtlich belangt wurde Warnig für seine Rolle als DDR-Spion nicht

Bevor es soweit war, durchlief Warnig hingegen eine erfolgreiche Ost-Karriere: 1984 erhielt er von Erich Mielke den "Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland". Er verdiente überdurchschnittlich gut, wurde als linientreuer Kommunist im Westen als Spion mit dem Decknamen "Arthur" eingesetzt und schließlich 1988 zum Stasi-Hauptmann und stellvertretenden Abteilungsleiter befördert.

Rechtlich belangt wurde Warnig für seine Rolle als DDR-Spion übrigens nicht. Im Gegenteil: Vom Spion wandelte er sich zunächst zum Unterhändler der DDR-Regierung Modrow bei den Verhandlung über die deutsch-deutsche Wiedervereinigung.

Anschließend machte er eine steile Karriere als Banker in der einst für ihn mutmaßlich so verhassten kapitalistischen Feindeswelt. Und in Russland obendrein, wo er zum engen Freund und Vertrauten des heutigen Machthabers Wladimir Putin wurde, den er vor der Wende im Rahmen der Geheimdienstjobs der beiden Männer kennengelernt hatte.

Doch zurück zu "Hans-Detlef", dem Spion, der auf der Schulbank saß. Eines seiner Spitzel-Ziele könnte in den frühen 70ern der spätere DDR-Bürgerrechtler und Mitorganisator des Widerstands in der Gethsemanekirche 1989 in Berlin, Gerold Hildebrand, gewesen sein.

Dieser ging einst eine Klassenstufe über Warnig in Brandenburg zur Schule. Und hat sich im April an den ehemaligen Mitschüler in einem offenen Brief gewandt, in welchem er den Nord Stream 2 Boss und ehemaligen Schalke 04 Aufsichtsrat hart anging: Warnig sei "eine Art Führungsoffizier der Gschaftlhuber in Putins Diensten", sagt der einstige Bürgerrechtler. Es reiche nicht, sich in einer "windelweichen Erklärung" vom Überfall auf die Ukraine und von Putin zu distanzieren, sagt Hildebrand.

5000-Euro-Spende zurücküberwiesen

Warnig hatte zuvor nach einigem Zögern den Überfall auf die Ukraine durch Putins Truppen verharmlosend als "kriegerische Auseinandersetzung" bezeichnet. Daheim in Staufen war der "Waffenbruder und Busenfreund" Putins, wie Hildebrand Warnig nennt, bereits in Ungnade gefallen: Aus dem öffentlichen Leben seiner Wahlheimat ist er mehr oder minder verschwunden, seit Bürgermeister Michael Benitz (parteilos) in einem im März vom Rathaus veröffentlichten Brief eine 5000 Euro Spende Warnigs für eine kulturelle Veranstaltungsreihe zurücküberwiesen hat mit der Begründung, man wisse ja nicht, wo das Geld herkomme.

Mittlerweile scheint er untergetaucht zu sein

Das war freilich nicht immer so. Lange waren Matthias Warnig und seine Frau Elena mit ihrer Firma MW Invest gern gesehene Investoren am Immobilienmarkt im Süden Freiburgs.

Der Oligarch aus Ostdeutschland, der sich im vergangenen Jahr Informationen unserer Redaktion zufolge noch daheim in Staufen mit seinem Kumpel Gerhard Schröder getroffen haben soll, scheint mittlerweile abgetaucht zu sein.

Sein letzter Arbeitgeber Nord Stream im Kanton Zug in der Schweiz hat schon vor Monaten Insolvenz angemeldet. Zum Stand des Insolvenzverfahrens gibt der Insolvenzverwalter keine Auskunft.