Ralph Bölzner erklärte in der Neubulacher Gemeinschaftsschule alles rund um die Pubertät. Foto: Bernhart/GMS

Diplom-Psychologe Ralph Bölzner klärt Eltern und Interessierte in Neubulach über die Pubertät auf.

Es gibt wenige Gewissheiten im Leben, aber diese eine gehört dazu: Irgendwann ist sie da, die Pubertät. Und wenn es soweit ist, dann ist das bisweilen nicht vergnügungssteuerpflichtig. Schließlich kann diese Phase für Familien und Schule, aber auch für die Jugendlichen selbst, alles andere als einfach werden.

Was genau während der Pubertät, vor allem aus neurologischer und psychologischer Sicht, passiert, war Inhalt eines Vortrages „Pubertät – Baustelle Gehirn“ von Ralph Bölzner in Neubulach, der vom Landkreis Calw organisiert worden war.

Ist die Pubertät ein modernes Phänomen?

Dass Unstimmigkeiten im Zuge der Pubertät keine Erfindung der modernen Welt sind, belegte Bölzner gleich zu Beginn mit dem bekannten Zitat von Sokrates aus dem fünften Jahrhundert vor Christus, in dem sich dieser über die „heutige Jugend“ beklagte, die nicht auf Autoritäten und Eltern höre und ihre Lehrer tyrannisiere.

Für die Aktualität des Themas sprach auch das große Interesse des Publikums, denn die neue Aula der Gemeinschaftsschule war mit 150 Gästen bestens gefüllt.

Was passiert beim Umbau des Gehirns in der Pubertät?

Bölzner hatte für seine Zuhörer eine ermutigende Botschaft im Gepäck: „Die Pubertät ist kein Jammertal!“ Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes eine größere körperliche „Baustelle“. Ging man vor einigen Jahren davon aus, dass es vor allem körperliche Veränderungen sind, weiß man heute, dass vom pubertätsbedingten „Umbau“ vor allem auch das Gehirn betroffen ist. Für die Erwachsenen ist es wichtig, diese Veränderungen zu kennen und das damit verbundene Verhalten der Jugendlichen einzuordnen.

Dieses hängt beispielsweise mit der veränderten Rolle der Amygdala zusammen. Diese Hirnregion hat eigentlich die Aufgabe, eine Situation auf ihren Gefährdungscharakter hin zu analysieren. Wer pubertierende Jugendliche kennt, dem fällt auf: Die Amygdala übernimmt stärker das Ruder, was manchmal zu irrationalem und überzogenem Verhalten führen kann: Aufbrausen, Türen knallen oder schmollend ein Gespräch aussitzen sind nur einige wenige Beispiele für solche Verhaltensmuster.

Was haben Hausaufgaben mit dieser Lebensphase zu tun?

Für Bölzner gibt es immer wieder „neuralgische Punkte“, an denen solches Verhalten besonders häufig zu beobachten ist.

Einen identifizierte er in den schulischen Hausaufgaben, die häufig zu Konflikten führten. In diesem Zusammenhang sprach er sich für eine Abschaffung der Hausaufgaben aus und plädierte dafür, diese Aufgaben in das schulische Lernen zu integrieren, wie es beispielsweise an der GMS Neubulach schon der Fall ist.

Spielt auch der frühe Schulbeginn eine Rolle?

Da sich die der Schlaf-Wach-Rhythmus der Jugendlichen nach hinten verschiebe, sprach sich Bölzner darüber hinaus für einen späteren Schulbeginn aus. Dies werde, vor allem in den USA, in einzelnen Modell- und Eliteschulen, bereits so gehandhabt und die Ergebnisse seien positiv.

„Der Schlaf ist essenziell wichtig für die Bildung der Myelinscheiden an den Nervenzellen“, betonte Bölzner und erläuterte, dass eben diese Myelinscheiden für die Geschwindigkeit bei der Erregungsleitung in den Nervenzellen (und damit für die kognitive Leistungsfähigkeit) eine hohe Bedeutung haben.

Darüber hinaus plädierte er dafür, dass die Schulen verstärkt darauf achteten, dass den Schülern die Bedeutung und Anwendbarkeit der Lerninhalte deutlich werde. Der Weg müsse weggehen vom reinen Auswendiglernen für die nächste Klassenarbeit, hin zu tieferem Verstehen und Praxisbezug .

Welche Tipps für Eltern hat der Experte im Gepäck?

Bölzner riet den Eltern, den „guten Draht“ zu den Jugendlichen nicht zu verlieren – auch wenn ihr Verhalten während der Pubertät manchmal nicht den Erwartungen entspreche. Wichtig sei es, immer wieder gemeinsam Dinge zu unternehmen, die sowohl Jugendlichen als auch Eltern Spaß machen und man gemeinsam eine gute Zeit habe. In schwierigen Situationen helfe es zudem, wenn sich die Erwachsenen eine „Grundgelassenheit“ bewahren. Als letztes riet der Psychologe dazu, die positiven Entwicklungen zu sehen und sich klarzumachen, dass die Pubertät auch nur eine Phase ist, die vorbei gehe.

Zur Person

Ralph Bölzner ist Diplom-Psychologe und arbeitet beim Fachdienst Erziehungspartner des Landkreises Calw. Der Fachdienst begleitet und berät die Familien mit den Erziehungspartnern (Schule, Kindergärten und mehr), wenn es um Fragen zur Erziehung eines Kindes geht.