Eine aktuelle Studie zeigt, dass Corona und der Krieg gegen die Ukraine Spuren in unserer Psyche hinterlassen (Symbolbild). Foto: luxorphoto/ Shutterstock

Zurückgezogen, niedergeschlagen, resigniert - so fühlen sich viele Menschen nach mehr als zwei Jahren Pandemie. Der Krieg in der Ukraine verstärkt diese Gefühle noch. "Melancovid" nennen Psychologen das Phänomen. Was genau steckt dahinter?

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Obwohl seit dem 3. April die meisten Corona-Schutzmaßnahmen weggefallen sind, bedeutet das für viele Menschen trotzdem keine Rückkehr zur Normalität. Die allgemeine Gefühlslage reicht von Niedergeschlagenheit über Genervtheit bis hin zu Resignation - durch den Krieg in der Ukraine kommen oft auch Angst- und Ohnmachtsgefühle dazu. Die Deutschen leiden an "Melancovid", wie Psychologen in einer aktuellen Studie diagnostizieren. 

Melancholie wegen der Pandemie

Nach zwei Jahren Pandemie mit Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und immer neuen Virusvarianten hat sich bei den Deutschen laut Studie des Rheingold Instituts eine resignierte "Egal-Haltung" entwickelt. Dabei würden sich viele in eine "schicksalsergebene Gleichgültigkeit" begeben - eine Art prophylaktischer Schutz vor Enttäuschung, falls gemachte Pläne wegen Corona wieder einmal nicht umgesetzt werden können.

Viele Teilnehmer der Studie geben an, sich mut- und antriebslos zu fühlen und dass Dinge, die ihnen früher Spaß bereitet hätten, nun keine Freude mehr auslösen würden. Der eigene Lebensradius werde immer kleiner, viele Menschen immer vorsichtiger. „Spontanität wird durch ständige Selbstkontrolle ersetzt, Schuldgefühle sind zum Alltagsbegleiter geworden – die Deutschen leiden an Melancovid", fasst es Stephan Grünewald, Psychologe und Gründer des Rheingold Instituts, zusammen.  

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Kriegsangst und Bewältigungsstrategien

Als nach zwei Jahren Pandemie auch noch der Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, hatten viele Menschen das Gefühl, von einer Krise in die nächste zu stolpern. "Die Krisenpermanenz wächst sich zur albtraumhaften Dauerschleife aus. Dabei haben die Menschen das schwindelige Gefühl, dass ihnen der Boden unter den Füßen entzogen wird. Ihre Kriegs- und Untergangsängste kontrastieren dabei mit ihrem wie gewohnt funktionierenden Alltag und verleihen der Situation so eine Unwirklichkeit", erklärt das Rheingold Institut in einer Mitteilung.

Um mit dieser von Ohnmachtsgefühlen geprägten Situation umzugehen, würden laut Studie bei den Menschen unterschiedliche Bewältigungsstrategien zum Einsatz kommen. Während manche permanent nach Nachrichten-Updates Ausschau hielten, würden sich andere lieber ablenken. Auch Solidaritätsbekundungen würden oftmals als sehr entlastend erlebt, weil diese zeigen würden, dass man in einer Ausnahmesituation zusammenstehe. Auch die große Hilfsbereitschaft durch Geld- und Sachspenden erweise sich für viele Menschen als hilfreich gegen die eigenen Ohnmachtsgefühle.

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Wann kehrt die Lebensfreude zurück?

In seiner Mitteilung weist das Rheingold Institut darauf hin, dass sich die selbstverständliche Leichtigkeit aus Zeiten vor der Pandemie vermutlich nicht automatisch wieder einstellt. Der Optimismus der Menschen müsse gezielt wiederbelebt werden. "Politik, Medien und Kunst werden in der Zeit des Erwachens die Rolle eines Defibrillators übernehmen. Sie können einen Beitrag leisten, die Gesellschaft wiederzubeleben, in dem sie Impulse setzen, Lebensfreude wecken und ein Aufbruchsklima schaffen: der Lockruf der Wirklichkeit ersetzt dann den Lockdown-Apell," heißt es in der Studie. Diese neue Perspektive erfordere jedoch den Mut und die Bereitschaft, die Komfortzone des vertrauten Schneckenhauses zu verlassen und sich zu öffnen für die Welt mit ihren Zufällen, Verlockungen, Beunruhigungen sowie Herausforderungen, wird dort erklärt.

Informationen zur Studie

Das Rheingold Institut in Köln hat seit Februar 2022 in einer tiefenpsychologischen Pilot-Studie 40 Menschen in Gruppendiskussionen und Tiefeninterviews in Hinblick auf ihr Erleben der Corona-Pandemie untersucht. Zusätzlich wurden in einer repräsentativen Umfrage 1000 weitere Personen quantitativ befragt. Nach dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine wiederholten die Forscher ihre qualitativ-tiefenpsychologische Befragung mit zwölf Menschen, um zu sehen, wie sich dieser auf die Teilnehmer auswirkt.