Was die Senioren angeht, so sind sicher demografische Gründe ausschlaggebend. Bei den Jüngeren bringt Matthias Kneißler vom Diakonischen Werk die veränderten Lebensgewohnheiten ins Spiel. Konkret: der zunehmende Genuss von Rauschmitteln, insbesondere von Cannabis. "Ganz klar, wir haben heute mehr drogenbedingte Psychosen als früher", sagt Kneißler. Hinzu komme, dass sich die Wirkung der Droge durch gezielte Züchtungen in den vergangenen Jahren um den Faktor 30 erhöht habe. Fast neun Prozent der heutigen Patienten sind zwischen 18 und 27. 14 Prozent der Betroffenen weisen laut Jahresbericht eine "behandlungsbedürftige Suchtproblematik" auf.
Kneißler verweist aber auch auf die Arbeitswelt und die "allgemein härter gewordenen Lebensumstände". Leider sei immer häufiger zu beobachten, dass die Menschen ihren Erwartungen nicht mehr gerecht werden und daran erkranken. Als zweiten Grund für den ständigen Anstieg der Fallzahlen nennen die Experten die Enttabuisierung speziell der Depression. Hier sei ein anderes Bewusstsein eingekehrt, das Stigma einer psychischen Erkrankung nicht mehr so stark ausgeprägt. Folglich trauten sich Betroffene eher, sich ihre Probleme einzugestehen und Hilfe anzunehmen.
Dennoch haben viele Betroffene immer noch Probleme, offen mit ihrer Krankheit umzugehen, berichtete Rainer Höflacher vom Landesverband Psychiatrie-Erfahrener. Dazu zähle auch, dass ihnen häufig der Antrieb fehle, das Haus zu verlassen, um zum Arzt, Therapeuten oder Sozialarbeiter zu gehen. Umso wichtiger sei es, den Leistungsumfang der sozialpsychiatrischen Dienste, deren Mitarbeiter auch zu den Betroffenen nach Hause gehen, aufrechtzuerhalten. Höflacher: "Sie dürfen nicht zu reinen Beratungsstellen verkommen."
Wolfgang Mohn von der Caritas will erreichen, dass das Land seine Pauschalen für die 55000 Fachkräfte von derzeit 9700 Euro (die Landkreise zahlen denselben Betrag obendrauf) um 20 Prozent erhöht. Um die gleiche Zahl habe die Zahl der zu betreuenden Klienten in den vergangenen sechs Jahren zugenommen. Der jährliche Festbetrag blieb dagegen unverändert.
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