Ein Pfleger führte den alten Mann in den Gerichtssaal. Foto: Peter Kneffel/dpa

Zwei Tage, nachdem der Mann bei ihm eingezogen ist, soll ein dementer Heimbewohner seinen Zimmergenossen umgebracht haben. Der Prozess um den Fall wirft ein Schlaglicht auf die Zukunft der Pflege.

Traunstein - Weil ein dementer Altenheimbewohner seinen Zimmergenossen umgebracht haben soll, hat vor dem Landgericht Traunstein ein Prozess begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 93-Jährigen, der als schuldunfähig eingestuft wird, Totschlag vor. Er soll - zwei Tage nach dessen Einzug - massiv auf den Kopf des 84 Jahre alten Mitbewohners eingewirkt, seine Nase und seinen Mund zugedrückt haben.

Das Gericht brach die Vernehmung des alten Mannes nach kurzer Zeit ab, weil es dem Österreicher kaum möglich war, auf Fragen zu antworten. Das sage ihm etwas, sagte der 93-Jährige, als Bilder vom Tatort und seinem toten Mitbewohner gezeigt wurden. Aber wer der Mann sei, das wisse er nicht. "Aufgrund des Geisteszustandes würde ich von weiteren Fragen absehen", entschied der Vorsitzende Richter. 

Eine psychiatrische Gutachterin, die vor Beginn des Prozesses zweimal mit dem Beschuldigten gesprochen hatte, gab an, er habe sich damals noch rudimentär erinnern und wenige Angaben zur Tat machen können - unter anderem habe der 93-Jährige über seinen Zimmergenossen gesagt: "Der Mann hätte sich breit gemacht und so getan, als würde ihm alles gehören."

Brysch: "Träger und Gesellschaft schauen viel zu sehr weg"

Sicherheit in Pflegeheimen und der Schutz von und auch vor dementen Menschen ist immer wieder Thema - und dürfte in den kommenden Jahren ein noch größeres werden. 

"Pflegeheime sind weder Orte der permanenten Glückseligkeit, des Grauens oder rechtsfreie Räume. Auch leben hier Menschen, die nicht nur körperliche, sondern oft kognitive Einschränkungen haben", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. Rund 80 Prozent der Heimbewohner in Deutschland leiden seinen Angaben zufolge unter Demenz. 

"An die Beschäftigten stellt das hohe Ansprüche", sagte er. "Auch müssen sie Konflikte erkennen, ebenso eigene Frustrationen bewältigen." Eine "Kultur des Hinschauens" müsse trainiert werden. "Offenheit im Umgang mit Defiziten gehört dazu. Ergänzt durch Supervision." Er kritisierte: "Träger und Gesellschaft schauen viel zu sehr weg. Politisch ist das ein heißes Eisen, denn die Pflegeversicherung finanziert eine Mangelverwaltung. Eine bundesweite einheitliche Statistik zu Gewalt in der Pflege wäre hilfreich."