Der Prozess gegen zwei junge Männer vor dem Landgericht Heilbronn findet unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt. Besucher müssen sich durchsuchen lassen und ausweisen, die Pässe werden kopiert. Foto: dpa

Im Januar sollen zwei junge Männer den Rohbau eines Flüchtlingsheims in Neuenstein angezündet haben. Sie gehören zur hiesigen rechten Szene – und müssen mit mehreren Jahren Haft rechnen.

Heilbronn - Sie wollten ein Zeichen setzen, weil die Politik ihrer Ansicht nach versagt hat. Sie wollten verhindern, dass Flüchtlinge nach Neuenstein kommen, wollten ihre Familie schützen. So haben ein 33-jähriger Mechanikermeister und ein 24 Jahre alter Lagerarbeiter am Montag vor dem Landgericht Heilbronn begründet, warum sie in der Nacht vom 20. Januar den Rohbau eines Flüchtlingsheimes in ihrem Heimatort im Hohenlohekreis in Brand gesteckt haben. Dabei entstanden 105 000 Euro Schaden. Schon tags darauf wurden sie festgenommen: Der Ältere hatte am Tatort sein Mobiltelefon verloren.

Seitdem sitzen die zwei Männer, die zur rechten Szene gehören und Mitorganisatoren der umstrittenen Demonstrationen „Hohenlohe wach auf“ waren, in Untersuchungshaft. Da hat man Zeit zum Nachdenken. Der Jüngere bezeichnet den Plan heute als „Schwachsinnsidee“. Und dem Älteren, einem verheirateten Vater dreier Kindern im Alter von 3 bis 13, dämmert nach neun Monaten Stammheim anscheinend, dass er seiner Familie einen Bärendienst erwiesen hat. Zum Auftakt des Prozesses haben beide umfassend gestanden.

Es geht um Armut, Obdachlose – und den „korrupten Staat“

Beide müssen sich nicht nur wegen Brandstiftung verantworten. Bei dem 24-Jährigen war eine illegale Pistole gefunden worden. Im Heizungskeller seines Freundes entdeckte die Polizei zwei Kisten voller Waffen und Munition, darunter verbotene Kriegswaffen. Der 33-Jährige hatte laut Staatsanwaltschaft mit zwei Bekannten für Dekorationszwecke zurückgebaute Waffen wieder scharf gemacht. Die Kisten habe er nur für einen Bekannten aufbewahrt.

Die zwei Freunde haben anfangs wohl vor allem miteinander gezecht. Beide waren dabei, als die ersten Versammlungen unter dem Motto „Hohenlohe wach auf“ in Öhringen stattgefunden haben. Man habe darauf aufmerksam machen wollen, was alles schief laufe in Deutschland. Bei den Aufmärschen habe jeder reden dürfen. Es sei um Armut gegangen, um Obdachlosigkeit, immer öfter aber auch um „kriminelle Flüchtlinge“ und den „korrupten Staat“, so der 24-Jährige. Er half bei den Veranstaltungen mit und übernahm später die Organisation von 10 bis 15 solcher Aufmärsche. Anfangs kamen 200 bis 300 Leute, später seien es nur noch zwei Dutzend gewesen. „Meine Vorstellung war, aus der Demo eine Bürgerbewegung zu machen“, sagte er. Der Staat habe in der Flüchtlingspolitik versagt, von Kanzlerin Merkels Willkommenspolitik habe er sich übergangen gefühlt. Später hing er Banner an Brücken auf mit Aufschriften wie „frei, sozial, national“ und „Lügenpresse“.

Angeklagter fühlte sich übergangen

Auch sein 33-jähriger Mitangeklagter marschierte anfangs mit, verabschiedete sich aber aus Zeitgründen. Die beiden blieben in Kontakt. Der 33-Jährige sei für ihn ein Vorbild gewesen, sagte der Jüngere: Er habe dem „deutschen Ideal eines Mannes“ entsprochen – „stark, stolz, verheiratet, drei Kinder“. Anfang November sei die Idee aufgekommen, die geplante Flüchtlingsunterbringung zu verhindern, indem man den Neubau anzünde. Anfangs habe man darüber Witze gemacht. Dann brannte im nahen Pfedelbach eine noch unbewohnte Asylbewerberunterkunft.

Danach wurde aus dem Spaß Ernst und die Planung konkret. Der 24-Jährige („Ich bastle gerne“) informierte sich im Baumarkt, was gut brennt, und baute einen ersten Brandsatz. Dann trafen sich die beiden im Januar nachts um zwei Uhr und zündeten den Rohbau an. Danach ging der eine heim und der andere zur Arbeit.

Er habe sich schon als Schüler mit rechtem Gedankengut identifiziert, sagte der 33-Jährige. Mit der Brandstiftung hätten sie zeigen wollen, „dass wir nicht einverstanden sind“ mit der Flüchtlingspolitik. Ob er denn jemals negative Erlebnisse mit Flüchtlingen gehabt habe, fragte der Staatsanwalt. „Nein“, gab er zu. „Mir war nicht wohl bei der Sache. Wenn einer von uns den Mut gehabt hätte zu sagen, wir lassen den Scheiß, wäre der andere wohl froh gewesen.“ Nur: So mutig war keiner der beiden. Der Prozess wird fortgesetzt, das Urteil soll im November gesprochen werden.