Am Landgericht Offenburg wird derzeit der Prozess gegen einen 47-jährigen Hornberger verhandelt, der seine Tochter sexuell missbraucht haben soll. Foto: Goltz

Fast vier Stunden hat am Mittwoch eine 21-Jährige vor dem Landgericht Offenburg gegen ihren Vater ausgesagt. Jahrelang soll er sie sexuell misshandelt haben – bis heute leide sie darunter. Immer wieder brach die junge Frau bei ihrer Aussage zusammen.

Offenburg/Hornberg - Unter Tränen, zunächst gestützt von ihrem Freund, betritt sie den Sitzungssaal des Landgerichts Offenburg. Vor ihrem Vater – dem Angeklagten – abgeschirmt wird die 21-Jährige von ihrer Verteidigerin, die die junge Frau auf halber Strecke zum Zeugensitz abholt. Für fast vier Stunden nimmt das vermeintliche Opfer am Mittwoch dort Platz, wobei darauf geachtet wird, dass sie keinen Sichtkontakt zu ihrem vermeintlichen Peiniger haben muss. "Es könnte besser sein", antwortet sie mit leiser Stimme auf die Frage des Vorsitzenden Richters Stephan Hofsäß nach ihrem Befinden.

Der Vater, die Hände auf dem Tisch zusammengefaltet, sieht seine Tochter nur wenige Male an. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, in insgesamt 44 Fällen seine im Jahr 2001 geborene Tochter zu verschiedenen sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. Der Zeitraum der mutmaßlichen Misshandlungen wird von der Staatsanwaltschaft auf Ende 2010 bis Mitte 2014 festgelegt – die Tochter war damals zwischen neun und 13 Jahre alt.

Übergriffe sollen beim Baden begonnen haben

Wie es bereits der Vater bei seiner Vernehmung tat, beginnt auch die 21-Jährige ihre Schilderung mit einem Pornofilm, den sie versehentlich im Alter von sieben Jahren zu Gesicht bekommen habe. Dann, so sagt sie, sei sie neugierig geworden und habe während des gemeinsamen Badens das Geschlechtsteil des Vaters berührt. Die 21-Jährige stockt kurz mit ihren Schilderungen. "Kinder testen aus, das ist normal. Aber es sollte doch Aufgabe der Eltern sein, die Grenzen aufzuzeigen und zu setzen – und es nicht laufen zu lassen", sagt sie.

Das "Ausprobieren", das meist beim gemeinsamen Baden passiert sei, sei irgendwann in eine "Gegenseitigkeit" gemündet – "er fing dann auch an mich am Geschlechtsteil zu streicheln", so die Zeugin und fügt an: "Ich habe das als Kind nicht hinterfragt, ich wuchs damit auf, als sei das normal." Mehrfach habe sie den Vater oral befriedigen müssen. Sie sei gebeten worden, den Intimbereich des heute 47-Jährigen mit Shampoo einzumassieren: "Ich weiß noch genau welches Duschgel das war, noch heute breche ich zusammen, wenn ich diesen Geruch in die Nase bekomme." Ein "normales" Baden oder Duschen habe es nie gegeben.

Einmal soll der Angeklagte seine Tochter gewürgt haben

Die Übergriffe hätten sich mit der Zeit vom Badezimmer in die Schlafräume verlegt, berichtet die 21-Jährige dem Gericht – und schildert weitere nur schwer zu ertragende Details. Immer wieder sei es zum "Rammeln", zum gegenseitigen Aneinanderreiben der Geschlechtsteile gekommen, doch dabei alleine sei es nicht geblieben. "Nachdem ich sagte, dass mir das weh tut, hat er von mir abgelassen."

Nach einem Urlaub 2013 seien die mutmaßlichen Taten abgeflacht. Mehr und mehr habe die Tochter den Vater abgewiesen. "Ich habe irgendwann gecheckt, dass das nicht richtig sein kann. Er hat mich aber weiterhin nicht in Ruhe gelassen. Die Streitereien zwischen uns wurden deshalb immer größer", so die junge Frau. So groß, dass der 47-Jährige sogar einmal die Tür zum Zimmer der Tochter eingetreten und sie daraufhin kurz gewürgt habe. "Es war alles nur noch unerträglich", sagt sie.

Daraufhin habe der Vater angefangen, zu betteln oder Bedingungen zu stellen. "Er hat meine Zurückweisungen nicht akzeptieren wollen und mich mit verschiedenen Methoden dann geködert."

Richter spricht Zeugin seinen Respekt aus

Alkohol habe bei ihrem Vater – den sie, ebenso wie ihre Mutter, immer beim Vornamen nennt – eine große Rolle gespielt. Nach der Trennung der Frau sei das Trinkverhalten schlimmer geworden. Er sei so niedergeschlagen gewesen, dass die Tochter Mitleid bekommen und zunächst bei ihm im Bett geschlafen habe. Auch dort sei sie regelmäßig an der Brust angefasst worden. Damit sie weiterhin bei ihm schlief, habe der Vater ihr ein schlechtes Gewissen eingeredet. Mit psychischem Druck habe er auch dafür gesorgt, dass sie nicht auszieht. "Er sagte, er würde dann meinen Hund einschläfern. Oder er sagte, er würde sich dann umbringen." Sie habe angefangen, sich zu ritzen und stundenlang mit dem Hund bei Spaziergängen "zu flüchten". Selbstmord sei aber kein Thema für sie gewesen.

Noch heute leide sie unter den vorgeworfenen Vorfällen: Alpträume, Schlafstörungen, ein permanentes Unsicherheitsgefühl. Auch ein normales Sexleben könne sie nicht mit ihrem Freund haben. Nach der Verhandlung wolle sie sich in Therapie begeben.

"Sie waren extrem tapfer heute. All die Details in diesem Rahmen zu schildern – in Anwesenheit ihres Vaters – Chapeau", sagt Richter Hofsäß zum Ende der Vernehmung an die junge Zeugin gewandt.