Reichsbürger tragen auf einer Demo in München eine „Königreich Württemberg“-Fahne. Auch die nun vor dem Amtsgericht Horb angeklagten Eltern eines verstorbenen Kindes sollen zur Reichsbürger-Szene gehören. (Symbolbild) Foto: -/dpa

Die Anklage lautet: fahrlässige Tötung des zweieinhalb Jahre alten Sohns. Warum jetzt Haftbefehl erlassen wurde. Verteidiger spricht von „tragischem Fall“.

Wieder ein mysteriöser Reichsbürger-Fall in der Raumschaft? Nach der spektakulären Verhaftung und dem laufenden Terrorismusprozess gegen die „Reichsbürger“ Ralf S. und Steffen W. diesmal ein möglicherweise tragischer Fall: Zwei Eltern aus dem Kreis Freudenstadt sind angeklagt, ihren Sohn (zweieinhalb Jahre) fahrlässig getötet zu haben.

 

Richterin Jennifer Dallas-Buob wartet mit dem Schöffengericht auf die Angeklagten. Keiner da. Sie schaut in den Akten nach: Die Ladungen wurden in den Briefkasten eingeworfen. Ungeöffnet zurückgeschickt. Mit einem Aufkleber, auf dem von „juristischer Entität“ die Rede ist.

Ladung kommt mit Reichsbürger-Hinweis zurück

Die Staatsanwältin sagt: „Das ist die typische Diktion der sogenannten Selbstverwalter-Szene.“ Ein anderes Wort für Reichsbürger.

Verteidiger gibt Einblicke in die Kommunikation mit seinen Mandanten Einer der Verteidiger, Rüdiger Kaulmann (bekannt unter anderem aus dem Riecher-Mordprozess): „Es gibt zwar jede Menge Kommunikation mit meiner Mandantschaft. Aber leider nichts über den angeklagten Sachverhalt.“ Nach Sachlage der Akten kann er nicht ausschließen, dass es ein tragischer Fall sein könnte. Die Staatsanwältin: „In der Anklage geht es um den Tod des zweieinhalb Jahre alten Sohn des Paares.“

Die Kammer lässt die Polizei bei den Angeklagten vorfahren. Das Ergebnis verkündet die Richterin gegen 10 Uhr: „Beide sind nicht zu Hause. Wir erlassen einen Haftbefehl.“

Doch was steckt hinter dem Fall? In seiner Heimatgemeinde ist das Paar bekannt. Ein Nachbar: „Die waren offenbar bei Freunden, als es passierte. Das Kind ist wohl erstickt, hieß es.“

Angeklagter schickte Drohmails an den Ortsvorsteher Fakt ist: In seinem Heimatort sind die Angeklagten bekannt. Der Ortsvorsteher des Ortes berichtet von Droh-E-Mails.

Offenbar hat auch schon der Staatsschutz die Angeklagten aufgesucht, so der Mann zu dieser Redaktion: „Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte im März 2020 mit den ,Geeinten deutschen Völkern und Stämmen’ (GdVuSt) erstmals eine Reichsbürger-Bewegung in Deutschland verboten. Es wurden 21 Wohnungen durchsucht – auch in Baden-Württemberg. Wohl auch bei uns.“ Auch im Ort soll es schon öffentlich zu auffälligen Situationen gekommen sein, die der Reichsbürger-Szene zuzuordnen sind.

Die Geburt des Kindes wurde den Behörden nicht gemeldet Der Ortsvorsteher kann zu den Umständen des toten Kindes nichts sagen: „Auffällig war nur, dass nach dem Tod das Kind erst nachbeurkundet werden musste. Sonst hätte es nicht beerdigt werden können.“ Auch die Staatsanwältin sagt vor Gericht: „Es ist auffällig, dass die Geburt des Kindes nicht bei den Behörden angemeldet wurde.“

Der Ortsvorsteher sagt noch im Gespräch mit unserer Redaktion: „Als ich das mit der Beerdigung mitbekommen habe, habe ich mir gedacht: Schon bemerkenswert, dass die Eltern mit der Nicht-Registrierung offenbar auch auf die notwendige medizinische Vorsorgeuntersuchungen des Kindes verzichten. Das könnte Kindeswohlgefährdung sein.“

Nachbarn erzählen, dass das Kind wohl per Hausgeburt zur Welt gekommen sei. Das Paar habe sehr zurückgezogen gelebt. Ob sie vor dem Tod ihres Kindes fahrlässig gehandelt haben könnten und ob es einen Zusammenhang mit der Angehörigkeit zur Reichsbürger-Szene gibt, wird das Schöffengericht versuchen zu klären.