Auf dem Waldweg "Bleiche" an der B296 zwischen Hirsau und Oberreichenbach soll sich am 17. Juni zur Mittagszeit das Verbrechen zugetragen haben. Foto: Biermayer

Ein Mann soll im Juni in Hirsau in seinem Auto versucht haben, seine Ex-Partnerin zu erdrosseln – in Gegenwart der beiden gemeinsamen Kinder. Wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung muss er sich nun vor dem Landgericht in Tübingen verantworten.

Tübingen/Calw-Hirsau - Es war Freitag, der 17. Juni, gegen Mittag, als ein damals in Esslingen wohnhafter Mann versucht haben soll, seine Ex-Partnerin zu erdrosseln. So lautet zumindest die Anklage, die Staatsanwältin Stefanie Siewert-Schatz beim Prozessauftakt im Schwurgerichtssal des Landesgericht Tübingen vortrug.

Drei Tage zuvor habe sich das Paar, das früher im Enztal gewohnt habe, getrennt, so die Staatsanwältin weiter. Aus der gemeinsamen Wohnung in Esslingen machten sie sich mit den Kindern auf den Weg ins Enztal, um diese dort anzumelden, weil die Frau mit den Kindern dorthin ziehen wollte.

Zuerst Kabelbinder benutzt

Zwischen Hirsau und Oberreichenbach habe der Angeklagte dann an einem Waldweg angehalten, "um auszutreten". Er sei jedoch um das Auto herum gegangen und habe die Beifahrertür geöffnet. Dann habe er begonnen, auf seine Ex-Partnerin einzuschlagen und sie zu würgen. Dazu habe er erst Kabelbinder benutzt. Als das nicht geklappt habe, habe er versucht, sie mit den Händen zu erwürgen. "Er hatte das Ziel zu töten", meinte die Staatsanwältin.

Die Frau sei vom Angriff überrascht worden. Der Angeklagte hingegen habe gezielt gehandelt. Die Frau habe dann bewusstlos im Beifahrerbereich gelegen. Die Kinder waren die ganze Zeit im Auto, so Siewert-Schatz. Mit der bewusstlosen Frau – der Angeklagte habe angenommen, sie sei tot – und den beiden Kindern sei er losgefahren. Die Frau sei allerdings wieder zu Bewusstsein gekommen und an der Pletschenau in Hirsau aus dem Fahrzeug geflohen. Der Angeklagte habe sie anschließend zu Fuß verfolgt, bis die Frau an einem dahinter fahrenden Lieferwagen nach Hilfe gerufen habe. Der Angeklagte sei dann mit seinem Auto – die Kinder saßen immer noch darin – geflohen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung vor. Er sitzt aktuell in Untersuchungshaft.

Immer wieder Streit

Zur Tat wollte sich der Angeklagte nicht äußern. Er erzählte aber ausführlich seinen Lebensweg: auf dem Balkan geboren, an mehreren Orten dort gelebt, Flucht nach Deutschland, Abschiebung, Berufsausbildung, kurzzeitiges Studium, eine erste Ehe inklusive Kind und Trennung, schließlich ein Job in Deutschland als Techniker.

Über das Internet habe er dann seine jetzige Ex-Partnerin kennengelernt. Die fünfjährige Beziehung sei anfangs gut gelaufen. Über das Geld habe man aber immer wieder gestritten. Sie habe ihn beleidigt und auch physisch attackiert. Er habe sich stets passiv verhalten. Sie habe ihn in Bad Wildbad auch einmal aus dem Haus geworfen. Er habe schließlich unter Depressionen gelitten. Eine dauerhafte Trennung habe mehrmals im Raum gestanden.

Unvermittelt auf sie eingeschlagen

Er mache immer leere Versprechungen, berichtete sie. Auch habe er sie öfters beleidigt und regelmäßig geschlagen. Trennen wollte sie sich wegen der Kinder nicht. Zu ihnen sei der Angeklagte aber immer gut gewesen, erzählte die Frau im Zeugenstand. Wenige Tage vor dem Vorfall habe sie sich dann endgültig getrennt. Nach längerer Diskussion habe der Angeklagte eingewilligt, sie und die Kinder ins Enztal zu fahren.

Sie sei morgens in das Auto eingestiegen. Da sei ein Kabelbinder an der Nackenstütze befestigt gewesen. Der Angeklagte habe sie aufgefordert, dessen Festigkeit zu testen. Das sei ihr komisch vorgekommen. Als er dann zum Austreten angehalten habe, habe er unvermittelt auf sie eingeschlagen und sie dann bis zu Bewusstlosigkeit gewürgt. Im Fußraum liegend sei sie während der Fahrt wieder zu sich gekommen.

Mit Kindern noch ins Schwimmbad

Da habe sie die Tür geöffnet und sei zum dahinter fahrenden Lieferwagen gerannt. Krankenwagen und Polizei seien dann schnell gekommen. Sie habe sich Sorgen um ihre Kinder gemacht. Nach einer Nacht im Krankenhaus – sie hatte Blutergüsse am Hals und Kopf sowie eine gebrochenen Nase – sei sie dann im Frauenhaus untergekommen.

Die Polizei konnte noch am Tattag den Angeklagten und die Kinder in der Esslinger Wohnung ausfindig machen. Er war wohl mit ihnen noch im Schwimmbad gewesen. Die Kinder wurden dem Jugendamt übergeben, später ins Frauenhaus zu ihrer Mutter gebracht, der Angeklagte kam in Gewahrsam.

Am ersten Verhandlungstag präsentierten die als Zeugen geladenen Polizisten mehrere Beweisstücke. Das Handy der Frau war jedoch spurlos verschwunden. Die Geo-Daten zeigten einen letzten Standort in der Nähe von Weil der Stadt an – ungeklärt ist, wie es dorthin kam. Das Handy war nach der Tat im Auto verblieben. Der Angeklagte hatte ursprünglich berichtet, die Frau in der Nähe von Weil der Stadt abgesetzt zu haben. Seine Handydaten gaben keinen Aufschluss. Er hatte es am Tattag in der Esslinger Wohnung gelassen.

Zu wenig Platz im Fußraum?

Blutspuren wurden im Auto und am Kabelbinder gefunden. Der Angeklagte habe wohl versucht, das Auto zu reinigen, so ein Ermittler. Die Reinigungsmittel waren noch im Kofferraum. Der Angeklagte beschwerte sich, dass die Polizei Hinweisen, die ihn seiner Meinung nach entlasten könnten, nicht nachgegangen sei. Richter Armin Ernst erklärte, dass sein Verteidiger hier entsprechende Anträge stellen müsse.

Dieser Verteidiger, Matthias Hunzinger, hinterfragte, ob die 1,73 Meter große Frau tatsächlich im Fußraum des Autos Platz gefunden haben könne. Die Anwältin der Nebenklage, Stephanie Vogt, bot an, das bei einem Vor-Ort-Termin zu testen. Sie sei gleich groß und könne als Modell dienen. Die Frau äußerte noch die Angst, dass sich der Angeklagte an ihr rächen werde, solle er frei kommen. "Er wird mich aufsuchen", meinte sie.

Die Verhandlung wird am 6. Dezember fortgesetzt. Dann werden weitere Zeugen aussagen. Darunter sind zwei Autofahrer, die, als die Frau in der Pletschenau das Auto verließ, vor Ort waren. Dazu kommen noch zwei Anwohner, die Erste Hilfe geleistet haben.