Der Prozess um den Pedelec-Unfall im Juli 2021 wurde fortgeführt. Beim Unfall wurde eine zum Zeitpunkt 68-jährige Frau bei der Kollision mit einem PkW schwer verletzt. Sie erlag im Schwarzwald-Baar-Klinikum ihren Verletzungen.
Die lebenserhaltenden Maßnahmen waren entsprechend dem Patientenwunsch und nach Konsultation eines Ethik-Konsils eingestellt worden. Wegen fahrlässiger Tötung angeklagt war vor dem Amtsgericht Oberndorf deshalb ein 65-Jähriger Mann, der im Verdacht steht, beim Öffnen der Tür seines geparkten Fahrzeuges seine Sorgfaltspflicht verletzt und so den Unfall herbeigeführt zu haben.
Zu Beginn des zweiten Hauptverhandlungstages wurden weitere Punkte erörtert. So war nach dem ersten Verhandlungstag noch nicht gesichert, ob die Verunglückte ihren Helm zum Zeitpunkt der Kollision korrekt getragen hatte und welche genaue Strecke sie von ihrem Wohnsitz bis zur Unglücksstelle führte.
Wagen kurz zuvor abgestellt
Als Inhaber eines Geschäfts unweit der Unfallstelle nahm ein Zeuge das Geschehen zunächst spiegelverkehrt wahr. Demzufolge vergingen nur wenige Sekunden zwischen dem Abstellen des Wagens und der Kollision. Die Radfahrerin registrierte er erst infolge des Aufpralls. Dabei sah er den Helm durch die Luft fliegen. Dieser war somit mutmaßlich nicht korrekt angelegt.
Als Sachverständige geladen waren Rechtsmediziner Frank Wehner und der Sachverständige für Unfallanalytik, Frank Rauland. Letzterer analysierte zunächst die Unfallspuren. Denen zufolge musste die Fahrertür etwa 0,7 bis einen Meter weit geöffnet gewesen sein, die Fahrgeschwindigkeit muss zwischen 15 bis 25 km/h gelegen haben. Folglich verhakte sich der Lenker des Unfallopfers in der Tür. Zum Einleiten eines Bremsvorgangs oder eines Ausweichmanövers kam es nicht mehr, wie auch Professor Wehner anhand der Verletzungen bestätigte. Unstrittig sei, dass die Hirnblutung aus dem Aufprall resultierte. Die Möglichkeit einer vollständige Genesung der Geschädigten wurde als unrealistisch eingeordnet.
Bewährungsstrafe gefordert
Weiterhin wurden die möglichen, bis zur Unfallstelle führenden Fahrwege beleuchtet. Die verdeckte polizeiliche Überwachung des Unfallabschnitts gelangte hier zu dem Ergebnis, dass von den vielen Radfahrern fast alle auf der Hauptstraße fahren. Absolute Gewissheit konnte weder im Bezug auf den Helm, noch hinsichtlich des Annäherungsweges hergestellt werden.
Die Verteidigung plädierte für die Einstellung des Verfahrens und die Klassifizierung als fahrlässige Körperverletzung sowie für eine Zahlung von 1500 Euro an die Hinterbliebenen. Die Patientenverfügung wurde als Zäsur eines ungewissen Genesungsverlaufs aufgefasst.
Die Nebenklage sah darin eine unangebrachte Schuldzuweisung an die Verstorbene, deren Patientenverfügung nicht als todesursächlich gewertet werden könne, da diese ohne die Unfallschäden keine Anwendung gefunden hätte. Der Feststellung der Verletzung der Sorgfaltspflicht folgte auch die Staatsanwaltschaft und forderte 21 Tagessätze à 40 Euro. Die Nebenklage plädierte außerdem für eine Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung.
Patientenwillen gerecht geworden
Bei der Urteilsverkündung folgte das Gericht der Auffassung, dass der Unfall kausaler Anlass für den später eingetretenen Tod war und sah den Tatbestand der fahrlässigen Tötung mit Verletzung der Sorgfaltspflicht als erwiesen an. Es wurden 70 Tagessätze à 40 Euro festgesetzt. Das Urteil kann insofern als Annäherung an die Forderung der Staatsanwaltschaft aufgefasst werden.
Entsprechend der Zeugenaussagen erscheint der direkte Annäherungsweg über die Hauptstraße am plausibelsten. Womöglich hätte ein optimal angelegter Helm die Verletzung gemildert, jedoch besteht in Deutschland keine Pflicht zum Tragen eines Helms für Radfahrer. Die frühe Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen war notwendig, um dem Patientenwillen gerecht zu werden und sich manifestierende Beeinträchtigungen zu verhindern.
Dem Angeklagten wurde das Eingeständnis der Unfallverursachung, das zeigen von Reue sowie fehlende Vorbelastungen zugute gehalten.