Am Landgericht Tübingen startete der Prozess gegen einen mutmaßlichen Drogendealer. Foto: Felix Biermayer

Ein junger Mann aus Rottenburg handelt in großem Stil mit Heroin und Kokain. Sein Freund half ihm als Kurier.

Jetzt stehen sie vor dem Landgericht Tübingen. Ihre Verteidiger sagen: Mit dem Handel haben sie ihre eigene schwere Drogensucht finanziert.

 

Die beiden Männer erscheinen mit Fußfesseln und Handschellen vor Gericht, sie sind schwarz gekleidet und reichlich tätowiert. Selbst zu ihren Taten Stellung nehmen wollen sie nicht, lassen stattdessen ihre Verteidiger für sie sprechen. „Vollumfänglich geständig“, so die Anwälte, seien ihre beiden Mandanten.

Der Handel ihrer Mandanten mit Heroin, Kokain und Marihuana habe vor allem dazu gedient, die eigene Drogensucht zu finanzieren. Ob das so richtig sei, will Richter Armin Ernst von den beiden Beschuldigten wissen? Die knappe Antwort: „Ja“.

Die Anklage wiegt schwer: „Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“, heißt es offiziell. Die beiden Beschuldigten sind 30 und 25 Jahre alt. Dem Älteren wird zur Last gelegt, in Rottenburg von Mitte 2020 bis Mitte 2022 insgesamt etwa vier Kilogramm Heroin sowie 1,1 Kilogramm Kokain und 800 Gramm Marihuana gehandelt zu haben.

Pistole Typ Baretta samt Munition versteckt

Außerdem habe er eine Pistole vom Typ Beretta versteckt – mit 14 Schuss im Magazin und einem Schuss im Lauf. Der Jüngere der Angeklagten habe bei dem Handel vor allem als Kurier gedient, in geringerem Umfang aber auch auf eigene Rechnung gedealt.

„Äußerst konspirativ“ sei der Ältere der Angeklagten vorgegangen, die Verkaufs-Gespräche habe er in einem speziellen geheimen Chat-Programm geführt, die Beteiligten hätten Decknamen benutzt, teilweise sei das Rauschgift mit dem Auto aus der Schweiz nach Rottenburg geschmuggelt worden, so der Staatsanwalt.

Bezahlt worden sei über anonyme Konten mit der Kryptowährung Bitcoin, teilweise sei es um Summen von mehreren zehntausend Euro gegangen. Das Heroin und Kokain sei von mittlerer bis guter Qualität gewesen, verkauft worden sei das Rauschgift in Rottenburg.

Hoffnung auf Verständigung

Zunächst hatten die beiden Anwälte die Hoffnung, durch eine Verständigung erheblich abkürzen zu können – etwa verbunden mit einer langfristigen Drogentherapie. Sein Mandant habe ein „langjähriges Drogenproblem“, so der Anwalt des 30-jährigen Angeklagten. „Die Taten standen in diesem Zusammenhang, die Erlöse dienten auch der Finanzierung des Drogenproblems“. Weiter wolle sich sein Mandant nicht äußern. Ganz ähnlich äußert sich der Anwalt des jüngeren Angeklagten.

Mehrere Kriminalbeamte bestätigten im Wesentlichen die Anklage der Staatsanwaltschaft. Die Beschuldigten sind keine unbeschriebenen Blätter für die Justiz: Beide haben jeweils acht Einträge im Strafregister, von Diebstahl über gefährliche Körperverletzung bis zu Drogenhandel, mehrfach gab es Urteile mit Haftstrafen – jeweils mit Bewährung.

Ein Urteil wird in der nächsten Woche erwartet.

Das sagt die sachverständige Psychiaterin

Der Ältere  Wesentliche Bedeutung kommt in dem Prozess den Einschätzungen der sachverständigen Psychiaterin zu. Welche Rolle spiele die Drogensucht, kann eine Therapie Abhilfe bringen? Seit seinem 13. oder 14. Lebensjahr etwa nehme der ältere Angeklagte Drogen, erst Cannabis, „die Konsummenge hat er schnell gesteigert“. „Dann kam Kokain, was ihm gut gefallen habe“, zeitweise habe er versucht, den Konsum auf das Wochenende zu beschränken. „So richtig durchgestartet mit dem Konsum hat er im 22. Lebensjahr.“ Schätzungsweise zwischen 5000 und 6000 Euro habe ihm der eigene Drogenkonsum im Monat gekostet. Eine kurzfristige stationäre Entzugstherapie habe keinen Erfolg gebracht, eine Langzeittherapie sei bisher nicht gemacht worden.

Der Jüngere  „Seit seinem 20. Lebensjahr hat es keine Abstinenz mehr gegeben“, so die Einschätzung der Expertin. Zu empfehlen sei daher eine längerfristige Therapie in einer Klinik, „eine kurze Behandlung reicht nicht“. Der Angeklagte sei sich selbst bewusst, dass eine kurzzeitige Behandlung keinen längerfristigen Erfolg bringe. „Er weiß auch, dass er es nicht alleine schafft“. „Eine Behandlungsdauer von zwei Jahren ist realistisch“, meint die Sachverständige. Allerdings räumt sie auch ein: Auch bei einer solchen längerfristigen Therapie seien „die Erfolgsaussichten nicht berauschend, die Rückfallquote liegt bei 50 bis 60 Prozent“, erklärte die Psychiaterin.