Der Netto-Markt in Villingendorf wird im Juli überfallen. Der Täter bedroht die Kassiererin mit einer Pistole. Foto: Cools

Die Taten haben im vergangenen Frühjahr und Sommer im Landkreis Rottweil für Aufsehen gesorgt. In Villingendorf und Rottweil hat ein Räuber einen Netto-Markt und einen Norma überfallen. Nun befasst sich das Landgericht mit dem Fall.

Kreis Rottweil - Selbst möchte sich der 27-jährige Angeklagte zwar nicht zu den Tatvorwürfen äußern, doch das ist auch fast nicht mehr nötig, denn seine Briefe geben genug Einblicke in seine Gedanken und sein Gefühlsleben.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, im März 2022 den Norma in Rottweil und im Juli den Netto-Markt in Villingendorf überfallen zu haben. Zudem wird ihm auch der Besitz von Waffen wie Messern und mehreren Schreckschusspistolen zur Last gelegt. Aufgrund dessen sitzt er seit vergangenem Juli in Rottweil in Untersuchungshaft.

Briefe lassen tief blicken

In mehreren Briefen, die er während der Haft an Familie und Freunde geschickt hat, spricht der Angeklagte über sein Seelenleben. Im ersten Brief an seine Eltern räumt er die Tat dabei sogar ein. Der Inhalt des Briefs gleicht generell einer großen Lebensbeichte, als wolle er mit all seinen Fehlern abschließen. Sogar von mehreren Selbstmordversuchen ist die Rede.

Der junge Mann, der seit 9. Januar im Landgericht Rottweil auf der Anklagebank sitzt, beschreibt auf Nachfrage des vorsitzenden Richters Karlheinz Münzer mit dem Wort "stressig". Vor allem in der Schule habe er immer wieder Probleme mit Lehrkräften gehabt. Damit sei in jungen Jahren auch eine Psychotherapie verbunden gewesen, erzählt der 27-Jährige.

Im Elternhaus habe es dagegen wenig Probleme gegeben, auch wenn er seine Familie schon früh auf die Probe gestellt habe, wie er offenbart. In einem seiner Briefe sagt er über sich selbst: "Ich bin das schwarze Schaf der Familie." Bereits mit 14 Jahren hat der Angeklagte zum ersten Mal zur Flasche gegriffen. Fast täglich habe er mit Freunden Bier getrunken, am Wochenende habe es dann das "harte Zeug", wie beispielsweise Wodka, gegeben.

Nahezu parallel sei es auch mit dem Drogenkonsum losgegangen. Ob Cannabis, Heroin oder Amphetamine – er habe alles genommen. Sein damaliges Motto: "Mischkonsum ist der beste Konsum."

Die Finanzierung ist unklar

Auf seine Arbeit hätten die Drogen und der Alkohol aber zunächst keinen Einfluss gehabt. Bis zum vergangenen Jahr hatte der Angeklagte insgesamt sechs Jahre in der Industrie gearbeitet. Wie das Arbeitsverhältnis zu Ende gegangen sei, wisse er nicht mehr. Seitdem ist der 27-Jährige arbeitslos. Er wisse auch nicht, wie er sich trotz des ausbleibenden Einkommens den Konsum weiterhin leisten konnte. "Irgendwie ging es immer." Womöglich findet sich darin auch das Motiv für die zwei Überfälle. Laut einer Kriminalpolizistin sei das zumindest sehr wahrscheinlich.

Kassiererin hat Job aufgegeben

Ein genaueres Bild über die Tat in Villingendorf ergeben die Zeugenbefragungen. So spricht beispielsweise die 23-jährige Kassiererin über den für sie grausamen Morgen. "Ich wusste gar nicht, wie ich reagieren sollte. Deswegen hat er dann auch selbst in die Kasse gegriffen. Das war ein Schock".

Bei beiden Überfällen ist der Täter ähnlich vorgegangen. Unter einem Vorwand hatte er zunächst die Kasse öffnen lassen und dann mit der Schusswaffe in der einen Hand das Geld aus der Kasse genommen. Die Kassiererin arbeitet seitdem nicht mehr im Discounter. Vor Gericht sagt sie: "In meinem Leben möchte ich keine Kassentätigkeit mehr ausüben."

Eigentümerin kennt den Täter

Bei der anschließenden Flucht war der Täter in Villingendorf in ein angrenzendes Neubaugebiet gerannt. Er war von einer Videokamera dabei aufgenommen worden, wie er sich auf einem Grundstück hinter einem Gartenhäuschen verstecken wollte. Der Zufall dabei: Die Eigentümerin erkannte den Täter als einen flüchtigen Bekannten.

Letztendlich nahmen Polizisten den Täter im angrenzenden Maisfeld fest, nachdem ein Hubschrauber ihn dort mittels Wärmebildkamera gefunden hatte. Bei einer späteren Wohnungsdurchsuchung fanden die Beamten dann weitere Waffen und Munition im Zimmer des Angeklagten. Bei der Tat an sich sei die Waffe hingegen ungeladen gewesen. Am Montag, 16. Januar, wird die Verhandlung fortgesetzt. Dann soll es um die Tat im Rottweiler "Norma" gehen.