Der 31-Jährige versuchte immer wieder, seine Probleme mit Faustschlägen zu lösen. Unter anderem wegen Körperverletzung, aber auch wegen anderer Delikte steht er nun seit Dienstag in Rottweil vor Gericht. Foto: nito – stock.adobe.com

Eine psychische Erkrankung, ein übermäßiger Alkoholkonsum oder ein gefährlicher Mix aus beidem? Was war dafür verantwortlich, dass der 31-Jährige aus Rottweil immer wieder versuchte, seine Probleme mit Schlägen und Tritten zu lösen? Seit Dienstag steht der Mann vor Gericht.

Kreis Rottweil - Dunkle Hose, dunkler Pulli, ein müder Blick: So erscheint der 31-Jährige an diesem heißen Tag vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Rottweil. Das Verlesen der Anklage- und der Antragsschrift auf Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nimmt gute 40 Minuten in Anspruch.

Die Tatorte: ein Rottweiler Quartier, das der Polizei, wie die Beamten später als Zeugen feststellen, bestens bekannt ist; ein Lebensmittel- und ein Textildiscounter; eine Tankstelle; die Wohnung des Stiefvaters von der Ex-Freundin oder auch der Tuttlinger Bahnhof.

Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung

Die Vorwürfe: unter anderem gefährliche Körperverletzung in mehreren Fällen, Beleidigung, Bedrohung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung und Diebstahl.

In der Verhandlung sind ein Straf- und ein Sicherungsverfahren verbunden, erläutert der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer gleich zu Beginn. Das bedeutet: Zum einen geht es um die Frage der Schuld und der Strafe, zum anderen um die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus. Denn in den Augen der Staatsanwaltschaft ist der Beschuldigte, der an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, einer chronischen Alkohol- und Cannabissucht leidet, für die Allgemeinheit gefährlich. "Paragraf 63 des Strafgesetzbuches ist schon ein scharfes Schwert", kommentiert der Vorsitzende Richter im Hinblick auf die Anzahl und die Schwere der Taten.

Stimmen haben ihm Aufträge gegeben

Besonders viele Details über das Leben des Beschuldigten und seine Sicht der Dinge erfährt die Öffentlichkeit nicht: Aussagen dazu macht der 31-Jährige hinter verschlossenen Türen – zum Schutz seines Gesundheitszustandes und seiner Privatsphäre. Nur so viel steht fest: Einen Beruf hat er nie gelernt, gewohnt hat er zuletzt in einer Sozialunterkunft in Rottweil, und seit Januar ist er aufgrund eines vorläufigen Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Rottweil im Zentrum für Psychiatrie Reichenau untergebracht.

Einiges kommt dann noch bei den folgenden Zeugenbefragungen zutage – der Beschuldigte soll Wahnvorstellungen gehabt, Stimmen gehört, die ihm Aufträge erteilten, und sich die ganze Zeit überwacht, beobachtet und bespitzelt gefühlt haben.

"Ich schlitz dich auf"

Was fast alle Fälle eint, die am ersten Verhandlungstag zur Sprache kommen, sind der hohe Alkoholwert im Blut (mehr als zwei Promille) und das aggressive Verhalten des 31-Jährigen – verbal wie körperlich. Da flogen den Polizisten, Verkäuferinnen oder auch mal fremden Menschen Ausdrücke entgegen, unter denen "asoziale Schlampe" oder "Missgeburt" noch zu den harmlosesten gehören. Auch Bedrohungen ("Ich bring’ dich um", "Ich schlitz’ dich auf", "Ich stech’ dich ab") waren oft im Spiel.

In die lange Liste der Vorwürfe reiht sich auch der Diebstahl ein: Zwei Flaschen Wodka aus einem Tankstellenshop, ein T-Shirt aus einem Textildiscounter, Wurst und Zigarillos aus einem Lebensmittelgeschäft. Ein weiterer Fall: Der 31-Jährige soll sich an der Tür einer Seniorin als Polizist ausgegeben und diese grundlos geschlagen und getreten haben.

"Ständig besoffen" und "beratungsresistent"

Ebenfalls scheinbar ohne Grund ist er auf das Auto eines Nachbarn gesprungen und hat dieses beschädigt. "Er hat gesagt, er ist bei der Mafia und ruft seine Leute an, ich soll lieber nicht die Polizei anrufen", erinnert sich der Nachbar. Ein anderer Zeuge beschreibt den Beschuldigten als "ständig besoffen".

Viele der Taten passierten im Milieu – in der Szene, wo der Alkoholkonsum auf der Tagesordnung steht und Geburtstagsfeiern oder gemeinsame Unternehmungen schnell ausarten und in Schlägereien enden. Das schildern auch die Polizeibeamten, die als Zeugen aussagen.

Als beratungsresistent bezeichnet den 31-Jährigen sein Betreuer. "Es war ein Auf-der-Stelle-Treten, er wollte sich auf Hilfe nicht einlassen", sagt er. Sozialstunden habe der Beschuldigte nur mit Mühe und oft mit Verspätung abgeleistet, auch sonst habe er sich relativ antriebslos gezeigt.

Jeden Tag zusammen Wodka getrunken

Als letzte Zeugin an diesem Verhandlungstag betritt die Ex-Freundin des Beschuldigten den Gerichtssaal. Sie ist 30, hat ebenfalls keinen Beruf gelernt. Auf die Frage des Richters, was die beiden denn als Paar zusammen unternommen haben, kommt als Antwort prompt: "Wodka getrunken." Jeden Tag und viel, gibt die Dame zu. Manchmal seien es aber auch Wein oder Bier gewesen, räumt sie ein. Ob er denn manchmal aggressiv geworden ist? Ob er sie geschlagen hat? "Ist egal, passt schon", sagt die ehemalige Freundin verlegen.

Der Prozess wird am Mittwoch, 9 Uhr, fortgesetzt. Das Urteil wird voraussichtlich am 29. Juli gesprochen.