Die Erste Große Strafkammer des Landgerichts Rottweil hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Foto: Lück

Für die Allgemeinheit gefährlich: Der 31-Jährige, der sich wegen mehrerer Delikte vor dem Landgericht in Rottweil verantworten musste, wird in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. In allen 15 Fällen wurde er aufgrund der Schuldunfähigkeit freigesprochen.

Kreis Rottweil - Der Prozess lieferte Einblicke in das Leben eines noch jungen Mannes, in dem bereits ziemlich viel schiefgelaufen ist. Eine psychische Störung, die lange unentdeckt blieb, ein exzessiver Alkoholkonsum, die vielen Straftaten, die immer schwerwiegender wurden.

Bei der Frage nach der Bestrafung waren sich am letzten Prozesstag der Staatsanwalt und der Verteidiger in ihren Plädoyers einig: Aufgrund der paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie und der Alkoholabhängigkeit des Beschuldigten liegt eine Schuldunfähigkeit vor. Der Staatsanwalt zählte die Taten noch einmal auf. Die Vorwürfe reichten von Beleidigung und Bedrohung über Diebstahl und Sachbeschädigung bis hin zum tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte und zur gefährlichen Körperverletzung.

Von Überwachungsangst getrieben

Getrieben von seinen Wahnvorstellungen, von den Stimmen im Kopf und dem Gefühl, von Nachbarn oder fremden Menschen beobachtet und bespitzelt zu werden, hat der Beschuldigte diese beleidigt, bedroht oder ohne erkennbaren Grund einfach zusammengeschlagen.

Angst habe er laut Aussagen der Ex-Freundin zum Beispiel vor dem Rottweiler Turm gehabt: Von dort aus könne man die ganze Stadt überwachen. Jedes Mal zeigte die Blutentnahme nach den Taten einen Wert von mehr als zwei Promille.

78-Jährige leidet heute noch

Ein Fall, der besonders heraussticht: Der 31-Jährige hat sich an der Wohnungstür einer ihm unbekannten 78-Jährigen als Polizist ausgegeben, angefangen, sie grundlos zu schlagen, an den Haaren ins Treppenhaus gezerrt und dort weiter geschlagen und getreten.

Die Seniorin leidet immer noch an den Folgen dieses Vorfalls. Nach 50 Jahren in der Wohnung musste sie ausziehen, sie hatte Flashbacks und sogar Angst, allein um den Block spazieren zu gehen. Vor Gericht hatte sie geschildert, es sei das Schlimmste gewesen, was sie überhaupt erlebt habe.

Betreuung als Chance auf Lebensperspektiven

Von vielen Vorgängen aus dem Milieu sprach der Verteidiger: Auch einige der Zeugen hätten "ein dramatisches Bild abgegeben".

Wie sind die Prognosen? "Er macht schon einen viel besseren Eindruck, aber er hat keine realistischen Zukunftsvorstellungen." In den Augen des Verteidigers sei eine kontinuierliche psychiatrische Betreuung mit allen Facetten unerlässlich. Nur so habe sein Mandant Chancen auf Lebensperspektiven. "Was nicht funktionieren wird, ist, ihn in Haft zu stecken", betonte er.

"Ich will nie wieder Alkohol trinken", beteuerte der 31-Jährige dann in seinem letzten Wort.

Weitere Taten zu erwarten

Der Beschuldigte, so die Auffassung der Strafkammer, braucht eine intensive psychiatrische Betreuung. Die Beeinträchtigungen durch seine Krankheit seien massiv. Nur um einige Beispiele zu nennen: Bei der Blutentnahme habe der Beschuldigte gedacht, dass er durch die Spritze getötet werde; immer wieder habe er laut eigenen Aussagen Vögel miteinander sprechen hören.

Doch wichtig sei es ebenso, die Allgemeinheit vor dem 31-Jährigen zu schützen. Denn weitere, erhebliche Taten seien zu erwarten, und die soziale Prognose sei eher ungünstig. Der Beschuldigte habe keine familiäre Anbindung, sei betreuungsresistent, habe keine Tagesstruktur. Der Richter drückte allerdings auch Hoffnung aus: "Der Beschuldigte ist noch recht jung, und die paranoide Schizophrenie kann gut behandelt werden. Aber es wird schon ein langer Weg sein."