Ein Arzt und Jäger hat in Nagold auf der Anklagebank gesessen. Der Vorwurf: Er hat einer jungen Frau widerrechtlich ein Gewehr gegeben, mit dem die unerfahrene 26-Jährige sich schließlich selbst verletzte. Im Prozess ging es dann um weit mehr als einen Unfall: Eifersucht, unklare Rechtslagen und eine heimliche Ausbildung.
„Hier ist ein Herr mit einem Gewehr“. Mit diesem Satz rief der Wachtmeister am Amtsgericht Nagold Richter Martin Link vor der Verhandlung an. Angeklagt war ein 55-jähriger Arzt wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Er hatte einer 26-Jährigen ein Gewehr in die Hand gegeben, obwohl diese keinen Waffenschein besaß. Die junge Frau unterschätzte den Rückstoß beim Schuss – und verletzte sich an der Stirn.
Der Angeklagte und die junge Frau waren seit längerem „freundschaftlich verbunden“, berichtet er bei seiner Vernehmung. Er selbst ist Jagdpächter und hat den Jagdschein. Die damals 26-Jährige hatte ihm gegenüber mehrfach Interesse am Jagen gezeigt. „Sie hat immer wieder den Wunsch geäußert, eventuell selbst den Jagdschein zu machen. Allerdings, so stellte es der Angeklagte dar, sei das ein Zeitproblem gewesen
Eine Lösung fand sich allerdings: In einigen Bundesländern ist es möglich, ohne vorherigen offiziellen Kurs die Prüfung abzulegen. Die Theorie könnte sie selbst lernen – den praktischen Teil durch einen Jäger – eben bei ihm.
Angeklagter verlangte Erlaubnis vom Ehemann
Allerdings: Der Ehemann der 26-Jährigen sei „eifersüchtig“ gewesen, wenn sie sich getroffen hätten, berichtete der Angeklagte. „Es hat bei dem Paar jedes Mal Theater gegeben, wenn wir uns gesehen haben.“
Um keinen Ärger zu beschwören, habe er von seiner Schülerin verlangt, dass ihr Ehemann zustimmte. Im Gericht gab er zu, dass das absurd gewesen sei. Direkt danach habe er gedacht: „Wie blöd bin ich eigentlich, von einer 26-Jährigen eine Erlaubnis vom Ehemann einzufordern?“ Sie behauptete später dennoch, dass ihr Ehemann Bescheid wisse.
Schließlich wurde sie seine Jagdschülerin – oder auch nicht. Dabei scheiden sich die Geister, sie sagte später aus, sie sei nicht seine Schülerin gewesen. Am Tattag im April 2024 erklärte er ihr den Umgang mit dem Gewehr – einer erlaubnisfreien Schreckschusswaffe – und was sie erwartete.
Nach einem „leeren“ Schuss lud er die Waffe mit einer Patrone. Die junge Frau schoss, unterschätzte wohl den Rückstoß, das Zielfernrohr traf sie an der Stirn. Sie habe gesagt: „Oh nein, was sage ich denn jetzt?“ Da sei ihm klar geworden: Ihr Mann wusste von nichts. Der schrieb ihm später: „Morgen Kündigung (der Jagdpacht, Anmerkung der Redaktion) oder Anzeige“.
Der Jagdschein des Arztes wurde mittlerweile verlängert. Richter Link erklärte schließlich: „Das mit dem Schreckschussgewehr glaube ich Ihnen nicht.“ Nach kurzer Beratung entschieden der Angeklagte und sein Verteidiger, den Einspruch gegen den Strafbefehl über 11 250 Euro (75 Tagessätze à 150 Euro) auf „die Rechtsfolgen zu beschränken“, also nicht gegen den Schuldspruch an sich vorzugehen, sondern nur gegen die Höhe der Strafe und zu hoffen, dass der Schuldspruch nicht noch zum Verlust des Waffenscheins führe. Ein gutes Zeichen sei schon, dass der Jagdschein verlängert wurde.
Die Strafe fiel schließlich mit 5500 Euro (55 Tagessätze à 100 Euro) plus Gerichtskosten wesentlich geringer aus.