Normalerweise verhalten sich Hühner neugierig, wenn Besucher den Stall betreten. (Symbolfoto) Foto: monticellllo – stock.adobe.com

Scharrende, neugierige Hühner, die sich in einer freundlichen lichtdurchflutenden Umgebung befinden, wünscht sich der Verbraucher. In einem Geflügelhof im Kreis Freudenstadt dagegen konnten die Hühner in totaler Finsternis in ihrem Kot scharren.

Horb - Die Vorwürfe der zwei Zeugen des Veterinäramtes belasten den Geflügelhalter aus dem Kreis Freudenstadt schwer. Am 1. Juni kommt am zweiten Prozesstag vor dem Amtsgericht Horb auch der zweite Zeuge, der gegen den Landwirt aussagt, zu Wort.

Wie schon am ersten Prozesstag vom 18. Mai zum Ausdruck kam (wir berichteten), schildert auch der zweite Zeuge, der das Amt eines Veterinärs und Hygienekontrolleurs ausübt, die in den Ställen vorgefundenen Zustände "als absolut katastrophal". Nachdem der Geflügelhalter weder telefonisch noch per Mail zu kontaktieren war, sind die beiden Veterinäre am 10. Juli 2020 zu dem Hof gefahren, so der Zeuge. "Wenn sich ein Landwirt nicht mehr meldet, ist das ein Zeichen dafür, dass sich etwas in sehr schlechtem Zustand befindet." Das war auch der Fall bei dem Hof im Kreis Freudenstadt.

Kontrolleuren schlägt "starker Gestank" entgegen

Beim Betreten des Stalles am 10. Juli 2020 sei den Kontrolleuren sofort der "starke Gestank" aufgefallen, die Augen der Veterinäre begannen durch den Ammoniakgehalt zu tränen, sagt der 34-Jährige. Auch die Hühner hätten unter der schlechten Luftqualität und der erhöhten Temperatur gelitten, was man an ihren geöffneten Schnäbeln sowie dem schweren Atem erkannt habe.

Der Zeuge schildert den Zustand des Stalles weiter: "Im Stall haben mehrere Hühnerkadaver gelegen – teilweise schon so lange, dass nur noch das Gerippe vorzufinden war. Die überlebenden Tiere waren extrem schreckhaft, hatten teils nur noch ein Drittel des Federkleides und gerötete Kloaken." Hatten sie Zugang zum Scharrraum, damit die Tiere Beschäftigungen nachgehen konnten? Fehlanzeige. "Das Einzige, worin die Hühner scharren konnten, war ihr eigener Kot", sagt der Zeuge.

Auf genauere Nachfragen des zuständigen Amtsgerichtsdirektors Albrecht Trick kann der Zeuge, wie schon die Veterinärin am ersten Prozesstag, keine Antworten geben. Bei Fragen zur Anzahl der einzelnen Hühner in den Ställen, dem Anteil an Hennen mit schlechtem Federkleid oder auch zur genauen Zahl der Kadaver müssen die beiden Zeugen passen.

Bodenproben liegen dem Gericht nicht vor

"In den Ställen war es so dunkel, dass man kaum etwas erkennen konnte", rechtfertigt sich der Zeuge. "Die Tiere waren so schreckhaft, dass sie sich bei der Benutzung einer Taschenlampe in der Ecke übereinanderstapelten – wodurch auch Hühner zu Tode kamen". So hätte man kein Licht, außer zur Aufnahme von Fotos, einschalten wollen, um die ohnehin verhaltensgestörten Tiere nicht noch mehr zu verschrecken. Rückblickend vermutlich ein Fehler.

Ob es der Schock der Kontrolleure über den Zustand des Stalles war, Schlampigkeit oder Sensibilität – faktisch liegen dem Gericht nur die Aussage der Zeugen sowie einzelne Bilder vor. Bodenproben des Stalles oder der Kadaver hat niemand genommen. Genauso wenig, wie der Ammoniakgehalt in der Luft nachgemessen wurde – das Veterinäramt besitzt kein derartiges Gerät für eine solche Messung, gibt die Zeugin am ersten Prozesstag zu. "Ich weiß, das war ein Defizit", räumt der 34-Jährige ein. "Das nächste Mal, wenn so etwas passiert, nehme ich den halben Stall mit!".

Der Angeklagte weiß dieses Defizit gekonnt auszunutzen. Er stellt gezielt Fragen zu Fakten über seinen Stall, die der Zeuge nicht beantworten kann. Dabei zeigt er sich schon wie am ersten Prozesstag stur, beharrt auf seiner Unschuld und fällt dem Zeugen in einem lauteren Ton ins Wort, sodass Trick des Öfteren einschreiten muss. "Herr Richter, das war immer so, als wir bei ihm waren", sagt der Veterinär. "Er hat immer Tausende an Ausreden und Versprechungen parat, die er nie eingehalten hat."

So hatte der Geflügelhalter angegeben, er hätte ein Konzept für mobile Ställe entwickelt. "Wir dachten eigentlich, die Situation regelt sich von alleine. Eine Kollegin erzählte mir allerdings, dass dieses Vorhaben schon seit 20 Jahren im Raum steht."

Angeklagter zeigt keine Reue

Der Angeklagte zeigt keine Reue, hakt beim Zeugen immer weiter nach und stellt Fragen, zu denen der Zeuge keine Antworten weiß. "Das führt zu nichts. Das ist eine Endlosschleife", sagt der Veterinär mit einem Kopfschütteln, als sich Fragen wiederholen.

Richter Trick: "Das ist alles schön und gut, was Sie sagen, aber Sie haben keine Messungen gemacht, weil ein Gerät zu teuer sei, genauso wie dem Gericht zur Anzahl der toten und lebenden Tiere lediglich Ihre Einschätzungen vorliegen." Zudem mussten beide Zeugen im Laufe der beiden Prozesse einräumen, dass sich der Landwirt "nach der Kontrolle am 10. Juli bemüht hatte, die Situation zu verbessern". Der Angeklagte musste trotzdem im August seine Hühnerhaltung einstellen.

Die Staatsanwaltschaft plädiert auf 153 a, dem Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen. Heißt im Klartext: Das Verfahren gegen den Landwirt wurde eingestellt, er muss lediglich eine Summe von 500 Euro an ein Tierheim im Kreis Freudenstadt zahlen. Bleibt die Frage, ob das Urteil genauso milde ausgefallen wäre, hätten die Kontrolleure ohne dieses "Defizit" gearbeitet.

Kommentar: Vermutlich kein Einzelfall

Gewiss erscheinen die Zustände auf dem Geflügelhof im Kreis Freudenstadt schockierend und unerträglich. Doch man sollte im Hinterkopf behalten, dass über sechzig Prozent der deutschen Legehennen dazu verdammt sind, ihr Leben, welches einzig und allein darauf ausgerichtet ist, Eier zu produzieren, in Bodenhaltung in geschlossenen Ställen zu verbringen. Und das alles ganz legal. Die Zustände in dem Geflügelhof im Kreis Freudenstadt stellen zudem vermutlich keinen Einzelfall dar, sondern sind Konsequenzen der Bodenhaltung. In diesem Haltungssystem wird es gestattet, neun Tiere pro Quadratmeter zu halten – kein Wunder, dass diese enge Haltungsform grausame Folgen, wie Kannibalismus hervorrufen kann. Das eintönige und kurze Leben von eineinhalb Jahren endet für die Hennen – wenn sie nicht zuvor in der Produktionshalle verenden – im Schlachthaus. Jeder Einzelne kann bei der nächsten Besorgung sein Verhalten überdenken und sich überlegen, ob und zu welchem Preis er Eier kauft.