Bedrohung, Diebstahl, Handel mit Cannabis: Ein 21-Jähriger Geflüchteter hatte nicht den besten Start in Hechingen. Vor dem Amtsgericht weist er einen Großteil der Vorwürfe aber zurück. Die Staatsanwältin redet sich in Rage.
Sechs Anklagepunkte mit mehr als einem Dutzend Vorfällen, die sich hauptsächlich in Hechingen zugetragen haben: Ein komplexer Prozess wurde jüngst vor dem Amtsgericht Hechingen eröffnet. Auf der Anklagebank sitzt ein 21-Jähriger Nordafrikaner, der im März 2023 nach Deutschland gekommen ist. Er muss sich unter anderem wegen Bedrohung, Diebstahls, Drogenhandels und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten.
Bei der Verhandlung machte er einen höflichen Eindruck; bei einem Großteil der Vorwürfe sei er nach seiner Darstellung unschuldig. Die Taten, die die Staatsanwaltschaft dem 21-Jährigen indes vorwirft, haben es in sich. Und den Angaben des Angeklagten mochte die Staatsanwältin nicht so recht glauben.
Angeklagter gibt sich als Unschuldslamm
Was war konkret vorgefallen? Die vielen Anklagepunkte beginnen Ende November 2023, als der Angeklagte sich in einer kommunalen Unterbringung in Hechingen, in welcher der 21-Jährige damals lebte, mit einem Mitbewohner angelegt haben soll. Diesem habe er nach einem Streit einen Faustschlag verpasst und das am Boden liegende Opfer getreten. Das Opfer soll sich dabei einen Nasenbeinbruch zugezogen haben.
Die Sicht des Angeklagten: Das aus seiner Sicht angebliche Opfer hätte auf das Handy des Angeklagten getreten und sei auf ihn mit einem Messer losgegangen. Er habe sich lediglich gewehrt. Nach diesem Muster äußerte sich der Angeklagte auch zu den weiteren Vorwürfen.
Zimmerkollegen mit dem Tod gedroht
So gab es kurz vor Weihnachten 2023 binnen drei Tagen in derselben Unterkunft zwei Vorfälle mit seinem Zimmerkollegen. Erst alarmierte dieser am 20. Dezember gegen 23 Uhr die Polizei wegen Ruhestörung des Angeklagten. Der heute 21-Jährige drohte ihm in der Folge mit dem Tod. Konkret: Er wolle das Bett seines Mitbewohners anzünden, wenn dieser schlafe. Zwei Tage später am 22. Dezember hat es laut Anklage erneut Streit zwischen den beiden gegeben. Diesmal soll der Angeklagte das Opfer mit einem Messer bedroht haben.
Auch in diesem Fall sieht sich der 21-Jährige zu Unrecht auf der Anklagebank. Es sei doch nur ein Wortgefecht gewesen. Das Messer hätte das Opfer dazu erfunden und ihn damit unter Druck gesetzt. Sein Mitbewohner in der Unterkunft sei ohnehin nur darauf aus gewesen, dass er als Geflüchteter Deutschland wieder verlasse.
Dass diese Aussagen teils mit den Vernehmungsprotokollen der Polizei in Widerspruch standen, brachte die Staatsanwältin bei der Verhandlung in Rage. „Ich werde ungern angelogen. Warum wollen eigentlich alle von ihnen etwas Böses?“, fragte sie in einem ernsten Ton.
Widersprüche auf Sprachbarriere zurückzuführen?
Die Antwort des Angeklagten: Die Menschen in Deutschland seien gegenüber Geflüchteten voreingenommen – besonders was Delikte mit Messern angehe. Er müsse daher nun die Zeche für die Taten anderer zahlen. Dazu komme die Sprachbarriere.
Zur Einordnung: Zwar hatte der Nordafrikaner einen Dolmetscher bei der Verhandlung, verständigte sich mit seinem Verteidiger aber teils auch in der deutschen Sprache. Polizisten im Zeugenstand, die mit dem Angeklagten zu tun hatten, betonten, dass er verhältnismäßig gut Deutsch gesprochen habe.
Drei Parfüme für den Eigenbedarf gestohlen
Zurück zur Anklage: Bereits am 1. Februar 2024 wurde der 21-Jährige wieder auffällig. Nachdem Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts ihn der Unterkunft verweisen wollten, drohte er mit Suizid und schlug sich eine Tasse gegen die Stirn, wobei er sich verletzte. Erst mit einigen Kraftanstrengungen der Polizei konnte er des Hauses verwiesen werden.
Ruhig blieb es um den Angeklagten nur bis zum 10. April. Da trat er wegen eines Diebstahldelikts in einem Drogeriemarkt in Nürtingen in Erscheinung. Seine Beute: Drei Parfüme im Wert von rund 209 Euro, ganz offensichtlich für seinen Eigenbedarf. Weiter ging es mit einem Diebstahl im Juni in einem Kaufland in Hechingen. Immerhin: Diese beiden Taten räumt der 21-Jährige ein. Seine Begründung: Er sei neu in Deutschland gewesen und habe die Gesetze nicht gekannt.
Cannabis-Delikte sind auch angeklagt
Nicht zuletzt sind im Laufe des Jahres 2024 auch mehrere Verstöße wegen Cannabis-Handels angeklagt. Dazu weitere körperliche Auseinandersetzungen, bei denen unter anderem ein Messer und Bedrohungen per WhatsApp im Spiel waren.
Weil mehrere Zeugen nicht vor Gericht erschienen, konnte der Prozess noch nicht abgeschlossen werden. Warum der Nordafrikaner überhaupt noch in Deutschland ist, konnte bei der Verhandlung nicht geklärt werden. Denn: Sein Asylantrag ist laut Aussage der Staatsanwältin seit Ende 2023 unanfechtbar abgelehnt.
Der Prozess wird am Donnerstag, 27. März, um 8.30 Uhr fortgesetzt.