Teils chaotische Zustände herrschten während der Coronazeit auch im Bereich der Testcenter und bei den zugehörigen Abrechnungen (Symbolfoto). Foto: Sina Schuldt/dpa

Eine halbe Million Euro sollen im Wiesental mit falsch abgerechneten Coronatests abgezockt worden sein. Der Angeklagte ist dabei womöglich eher Strohmann als Drahtzieher.

Ausgangssperren, Maskenpflicht, Impfdebatte – die Corona-Krise hatte viele Facetten. Während die allermeisten die Pandemie und ihre Folgen als belastend empfanden, gab es allerdings auch solche, die sich die Hände rieben – windige Geschäftemacher, die den großen Reibach witterten, indem sie beispielsweise Test-Container aufstellten, in denen sich die Menschen kostenlos testen lassen konnten.

 

Solche Testcenter schossen in den ersten Corona-Monaten wie Pilze aus dem Boden. Für die Betreiber ein todsicheres Geschäft – gab es für jeden Test doch Geld von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Diese Gunst der Stunde nutzten auch solche, die sich mit unlauteren Mitteln die Taschen füllen wollten.

Coronatests zum Schein

Mit einem besonders schweren Fall dieser Art hat es derzeit laut Anklage das Schöffengericht in Bad Säckingen zu tun. Da sitzt ein Mann auf der Anklagebank, dem die Staatsanwaltschaft „gewerbsmäßigen Betrug“ zur Last legt, weil er von Dezember 2021 bis Februar 2022 im vorderen und oberen Wiesental in drei Containern vor allem zum Schein Corona-Tests durchgeführt, diese mit der KV abgerechnet und sich somit Zahlungen in Höhe von knapp einer halben Million Euro ergaunert habe.

Angeklagter in Fußfesseln

Den Beschuldigten, einen 52-jährigen rumänischen Staatsangehöriger, bekamen die Ermittler dank internationalem Haftbefehl Anfang dieses Jahres in seinem Heimatland zu fassen. Seither sitzt er in U-Haft, auf der Anklagebank muss er Fußfesseln tragen. Ging den Behörden da womöglich ein dicker Fisch ins Netz?

Doch dieses Bild bekam Risse, je länger sich das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Stefanie Hauser mit dem Fall und mit dem Angeklagten befasste. Der 52-Jährige, der kaum Deutsch spricht und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, machte nicht gerade den Eindruck, ein mit allen Wassern gewaschener Abzocker zu sein, der Gesundheitsamt und KV hinters Licht führen könnte, ganz im Gegenteil.

Drei Testcenter betroffen

Zwar gab der Mann zu, dass er die Mietverträge für die drei Corona-Testcenter unterschrieben und bei einer Bank im Wiesental auf seinem Namen auch ein Geschäftskonto eröffnet habe. „Ich habe das blind unterschrieben“, gestand er. Doch all dies hätten zwei Bekannte, ebenfalls Rumänen, eingefädelt und ihm versichert, das sei „alles in Ordnung“. Mit einem der beiden habe er rund 300 000 Euro auch vom Konto abgehoben – und zwar in kleineren Teilbeträgen und auf insgesamt sechs Zweigstellen der Bank, damit es nicht so auffällt, hieß es.

Auf die Vorhaltungen der Kammervorsitzenden, „wie man denn so dumm“ sein und nicht ahnen könne, „dass da etwas nicht stimmt“, erklärte der 52-Jährige, er habe seinen beiden Landleuten halt „vertraut“. Diese hätten ihm „einen Anteil“ versprochen, damit er in seiner Heimat ein Baugeschäft eröffnen könne. In Wirklichkeit habe er „keinen Cent“ bekommen.

Der Angeklagte bestritt zudem mehrfach, jemals in einem der Testcenter gearbeitet zu haben. Und auch die in seinem Namen bei der KV eingereichten Checklisten für die drei Testcenter sowie die Abrechnungsbelege für die Tests und die Gewerbeanmeldung habe er nie gesehen, geschweige denn unterschrieben.

Große Fragezeichen

Das Bild vom gewieften Betrüger auf der Anklagebank verblasste in den Augen von Staatsanwalt und Richtern erst recht, als sie die Unterschrift, die der 52-Jährige vor ihren Augen auf ein Stück Papier kritzelte, mit jenen auf den bei der KV eingereichten Abrechnungsbögen verglichen. „Das sieht unterschiedlich aus“, stellte die Kammervorsitzende fest.

Die Fragezeichen wurden noch größer, als im Zeugenstand eine Kripobeamtin berichtete, wie die Polizei den mutmaßlichen Testbetrügern auf die Schliche kam, nachdem die betroffene Bank aufgrund der ominösen Abhebungen Anzeige wegen des Verdachts auf Geldwäsche erstattet hatte.

Im Zuge der Ermittlungen seien nämlich auch die beiden Landsleute des Angeklagten ins Visier geraten, berichtete sie. Gegen dieses Duo habe man schon vorher im Zusammenhang mit anderen Corona-Testcentern ermittelt. Auch da habe es Hinweise gegeben, dass die Verdächtigen mit gefälschten Unterschriften und nachträglich ausgefüllten Testbescheinigungen operieren.

Vor diesem Hintergrund, so die Kripobeamtin, halte sie es durchaus für denkbar, dass der Angeklagte im vorliegenden Fall „eher als Strohmann“ fungierte und „keine tragende Rolle“ spielte. Im Übrigen, so berichtete sie, liege die dritte Überweisung der KV in Höhe von rund 184 000 Euro immer noch auf dem mittlerweile gesperrten Konto.

In absurder Höhe abkassiert

Dass die beiden Bekannten des Angeklagten offenbar die wahren Drahtzieher eines mutmaßlich betrügerischen Netzwerks waren, das von der KV Geld für Corona-Test „in absurder Höhe“ kassierte, wie es ein ärztlicher Mitarbeiter des Gesundheitsamts im Zeugenstand ausdrückte, bestätigten auch andere Zeugen. Sie würden in den Abrechnungen als zertifizierte Tester aufgeführt, obwohl sie nie in einem der drei Container gearbeitet hätten.

Hintermänner im Visier

„Als Alleintäter und als Täter in erster Reihe kommt der Angeklagte nicht in Frage“, stellte Kammervorsitzende Stefanie Hauser nach mehrstündiger Beweisaufnahme schließlich fest. Seine Darstellung, dass er weder als Tester gearbeitet noch die Abrechnungen bei der KV eingereicht habe, seien jedenfalls nicht zu widerlegen. Strafbar gemacht habe er sich möglicherweise nur in seiner Eigenschaft als Kontoinhaber und weil er persönlich die Geldbeträge abgehoben habe. Insofern komme allenfalls eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Betrug oder wegen „leichtfertiger Geldwäsche“ in Betracht.

Der Prozess vor dem Schöffengericht Bad Säckingen wird am Dienstag, 11. November, fortgesetzt.