Der Angeklagte und eine der Verteidigerinnen in seinem Team Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Was geschah in der Eckkneipe? Das soll im Prozess gegen den höchstrangigen Polizisten des Landes geklärt werden. Über einen Teil des Abends, an dem es zu einem Übergriff auf eine Polizistin gekommen sein soll, gibt ein Überwachungsvideo Aufschluss.

Wer sagt die Wahrheit – das mutmaßliche Opfer, eine 34-jährige Kommissarin oder der angeklagte mutmaßliche Täter, der Inspekteur der Polizei? Darüber muss die 5. Große Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts befinden. Einen Teil der Geschehnisse in der fraglichen Nacht, als es zu dem Übergriff gekommen sein soll, kann man sich auf Video anschauen. Der Inspekteur soll die Kollegin nach einem Personalgespräch und einem Umtrunk mit Kolleginnen und Kollegen des Innenministeriums überredet haben noch in Bad Cannstatt in einer Eckkneipe einen Absacker zu nehmen.

 

Die Aufnahmen stammen aus einer Überwachungskamera der Kneipe. Sie ist auf den Eingang gerichtet, hängt offenbar über der Theke. Gegenüber ist ein hoher Bartisch mit zwei Sitzplätzen dahinter. Genau vor der Linse der Kamera lassen sich Andreas Renner und die Kommissarin nieder. Ein Scheinwerfer taucht den Bereich in rotes Licht. Über dem Tisch hängt ein VfB-Logo.

Erst reden sie. Mal rutscht die Frau ein wenig auf dem Sitz umher. Dann legt der deutlich ältere Mann seine Hand auf die ihre. Irgendwann legt er seine Stirn gegen ihre Schläfe, neigt sich zu ihr und küsst sie. Danach reden sie wieder. Renner streicht der Frau über den Rücken, nimmt ihren Kopf in beide Hände. „Es kommt zu Intimitäten“ heißt das im Amtsdeutsch der Anklage. Mal kommt ein Mann vorbei, begrüßt Renner wie einen alten Bekannten. Dann torkelt mal eine Clique ins Bild, tanzt vor der Bar. Die Kommissarin scheint aufzuschauen, Renners Blick bleibt bei der jungen Frau neben ihm.

Der Übergriff soll sich vorm Lokal abgespielt haben

All das ist dokumentiert. Sie bleiben mehr als zweieinhalb Stunden lang. In der Anklage wird es später heißen, die Kommissarin habe sich nicht zur Wehr gesetzt, weil sei befürchtete, bei einer Zurückweisung Nachteile im Job zu erleiden. Schließlich sitzt sie mit dem ranghöchsten Polizisten Baden-Württembergs in der Bar. All das, was man auf den Videos sieht, ist aber nicht die eigentlich angeklagte sexuelle Nötigung.

Dieser Übergriff soll sich draußen vor der Bar ereignet haben. Der Inspekteur soll die Kommissarin dazu gebracht haben, ihn im Intimbereich zu berühren. Das ist die vorgeworfene Tat. Die Aussagen dazu widersprechen sich. Die junge Frau sagt, er habe das gegen ihren Willen getan. Der Mann sagt, sie hätte die Initiative ergriffen. Die Verteidigerin des angeklagten Inspekteurs, die auf einen Freispruch hofft, sagte nach dem Anschauen der Videos, sie erkenne „keinerlei strafbare Handlung“. Das war unter anderem auch ein Hinweis darauf, dass es von der Episode am Straßenrand vorm Lokal kein Beweismaterial gibt. Das Verfahren wird am Dienstag, 25. April, fortgesetzt.