Der Angeklagte kommt mit einem Team von drei Verteidigern zum Prozess. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Der höchste Polizeibeamte des Landes steht wegen des Vorwurfs sexueller Nötigung vor Gericht. Sein Anwaltsteam verfolgt eine klare Strategie.

In Gerichtssälen wird für gewöhnlich viel gefragt und geantwortet. Doch im Prozess gegen Andreas Renner, den Inspekteur der Polizei in Baden-Württemberg, wegen sexueller Nötigung ist am Freitag mehrere Stunden lang geschwiegen worden, und so geht es auch am Dienstag, dem zweiten Verhandlungstag, zunächst weiter. Denn die Kammer wird weitere Videos aus einer Cannstatter Kneipe zeigen, die aus der Nacht stammen, in der es laut einer Polizeibeamtin zu dem Übergriff gekommen sein soll. Während der ersten Vorführung von Aufnahmen aus diesem Lokal war es am Freitag still geblieben. Ausgesagt hat an diesem ersten Tag die Kommissarin, die den Inspekteur angezeigt hat.

 

Hatte die Frau berufliche Nachteile zu befürchten?

Dem Inspekteur wirft die Anklage vor, in der Nacht vom 12. auf den 13. November in und vor dieser Kneipe eine 34 Jahre alte Kommissarin, die sich für den höheren Polizeidienst bewerben wollte, zu sexuellen Handlungen genötigt haben. Er soll sie in der Kneipe geküsst haben. Bei einem kurzen Gang an vor die Tür des Lokals soll er sie zudem gedrängt haben, ihn im entblößten Intimbereich anzufassen. Die Frau gab hinterher zu Protokoll, sie habe sich dagegen nicht gewehrt, weil sie berufliche Nachteile befürchtet hatte. Der Inspekteur ist schließlich der höchste Polizeibeamte im Land, und er hatte über die anstehende Bewerbung der Frau auf einen Studienplatz für den höheren Dienst mitzuentscheiden. Die Verteidigung will einen Freispruch erreichen.

Am ersten Verhandlungstag ist im öffentlichen Teil der Sitzung noch nicht viel verhandelt worden, aber einiges geschehen. So hatte die Verteidigung eine Erklärung im Namen ihres Mandanten Andreas Renner vorbereitet. Weil diese aber auch Details enthielt, die das Intimleben der Frau betrafen, trugen Ricarda Lang und ihr Team sie hinter verschlossenen Türen vor – die Öffentlichkeit war ausgeschlossen. Doch noch während die Verhandlung lief, waren Inhalte der Erklärung jedoch im Internet auf einer Nachrichtenseite nachzulesen gewesen. Unter anderem sei darin die Polizistin der Lüge bezichtigt worden. Die Initiative für die Küsse und Intimitäten, die schon vor der Überwachungskamera in der Eckkneipe stattgefunden hatten, seien von der Kommissarin ausgegangen, den Vorgesetzten treffe keine Schuld. Das gelte auch für den Übergriff vor dem Lokal, während dem der Inspekteur auch uriniert haben soll.

Am Ende des ersten Teils der Videos aus der Kneipe tat die Anwältin Ricarda Lang ihre Einschätzung kund: „Keinerlei strafbare Handlung“ habe sie da entdecken können. Sie ging noch weiter. Als der Vorsitzende Richter der 5. Großen Strafkammer sagte, man werde am Dienstag nicht den ganzen Tag verhandeln können, da einer der Anwälte aus Renners Team am Nachmittag einen weiteren Termin habe, und er deswegen die für diesen Tag vorgesehenen Zeugen abgeladen habe, merkte die Verteidigerin an: „Vielleicht brauchen wir die auch gar nicht mehr.“ Ihrer Ansicht nach reichen offenbar die bislang bekannten Tatsachen aus, um einen Freispruch für ihren Mandanten zu fordern.