Über 124.000 Euro soll der Angeklagte insgesamt von der Frau genommen haben. (Symbolfoto) Foto: Warmuth

Balinger hebt sechsstellige Summen von Konto ab. War dies im Sinne der mittlerweile Verstorbenen?

Balingen - Obwohl die schwer demente Frau nicht mehr geschäftsfähig gewesen sein soll, bringt sie ihr Pfleger dazu, ihm hohe Geldsummen zu überlassen. Es geht um sechsstellige Beträge. Vor dem Hechinger Landgericht muss nun geklärt werden, ob das im Sinne der mittlerweile verstorbenen Frau war.

Kurz bevor es mit ihrer Demenz richtig losging, starb der Ehemann der Frau, berichtet der Bruder der mittlerweile verstorbenen Geschädigten. Bis dahin hatte er sich um sämtliche finanziellen Angelegenheiten des Paares gekümmert. Doch dann übernahm ein "Kollege" des verstorbenen Ehemanns.

Angeklagter äußert sich nicht

"Wofür genau war er denn zuständig?", will Richter Ernst Wührl von dem Bruder wissen. "Für alles. Alles Schriftliche, Behördengänge und was im Haus so angefallen ist", antwortet dieser. Seine Schwester war allerdings schwer dement. Wusste nicht mehr, wie alt sie ist oder dass ihr Mann verstorben ist. Ihm sei das von Anfang an etwas komisch vorgekommen, mit dem Betreuer, berichtet er vor Gericht. Der Angeklagte selbst äußert sich nicht zu den Vorwürfen.

Der Angeklagte soll schließlich mit der Frau zusammen zur Bank gegangen sein – um die Finanzen nach dem Tod des Ehemanns zu klären. "Im Prinzip hat sie nur alles abgenickt", erzählt der damals verantwortliche Bankangestellte vor Gericht.

50.000 Euro wollte er als "Entlohnung"

Die Frau besaß zu diesem Zeitpunkt ein Vermögen von ungefähr 800.000 Euro. Davon wollte der Angeklagte 600.000 Euro anlegen. 50.000 Euro wollte er direkt vor Ort in bar ausgezahlt haben – als "Entlohnung" für seine Dienste. Da die Bank nur 10.000 Euro Bargeld vorrätig hatte, fuhr er anschließend mit der Frau noch zu einer Albstädter Filiale, die ihm die restlichen 40.000 Euro auszahlte. Die verbleibenden 150.000 Euro sollten der Frau weiter zur Verfügung stehen. Doch damit nicht genug.

Im Laufe der nächsten Monate hebte der Angeklagte im wöchentlichen Rhythmus Summen in Höhe von 1000 und 2500 Euro ab – was das Kartenlimit eben hergab. Insgesamt weitere 33.000 Euro. Schließlich ging er nochmals mit der Frau zur Bank – um 37.000 Euro abzuheben. Das Geld soll für neue Zähne der Frau gewesen sein, berichtet der Bankangestellte.

Motorrad und Grundstücke gekauft

Das Geld floss offenbar zum großen Teil nicht in die Lebenshaltungskosten der Frau, wie der Angeklagte damals dem Bruder der Frau erzählt hat. So fanden Gerichtsvollzieher beim Angeklagten eine nigelnagelneues Motorrad der Marke Harley-Davidson im Wert von 28.000 Euro. Auch einige tausend Quadratmeter Grundstücke soll der Angeklagte mit dem Geld der Frau erworben haben.

Besonders brisant: Der Bruder präsentiert bei der Verhandlung zwei handgeschriebene Zettel. Auf ihnen stehen Informationen wie der Name, die Adresse und andere persönliche Daten der Frau. "Ich muss das für ihn lernen", soll sie in diesem Zusammenhang zu ihrem Bruder gesagt haben. Möglicherweise um den Eindruck gegenüber der Bank und Behörden zu vermitteln, sie sei noch geschäftstüchtig.

Das hält auch der Mitarbeiter des Landratsamtes, der bei der Frau überprüfen sollte, ob eine Betreuung notwendig sei, für möglich. "Ich hatte den Eindruck, dass in unserem Gespräch einige ihrer Antworten vorher auswendig gelernt wurden". Auch wollte die Frau anfangs überhaupt nicht mit ihm sprechen. Später erzählte sie ihm dann, jemand habe ihr gesagt, "da kommt jemand Böses zu Besuch". Wer genau das gesagt haben soll, konnte sie aber nicht mehr sagen.

Insgesamt bleiben nach dem ersten Prozesstag noch einige Fragen unbeantwortet. Erkenntnisse soll der nächste Prozesstag am kommenden Mittwoch geben.