Ein 22-Jähriger muss sich derzeit vor dem Landgericht Rottweil verantworten. Er soll in einem Horber Teilort ein iPhone abgezockt und das Opfer mit Pfefferspray attackiert haben. (Archivfoto) Foto: Begemann

Ein "Loverboy" in der Lockdown-Finanz-Krise. Zockte der Angeklagte Stan T. (22) an einem Tag gleich zwei Smartphones ab? Und schafft man es, innerhalb von 90 Minuten von Ulm nach Horb zu rasen?

Rottweil/Horb - Das ist schon an sich pikant. Die erste große Jugendkammer des Landgerichts Rottweil. Drei Frauen (zwei Richterinnen, eine Schöffin). Und der Rumäne Stan T. (22) auf der Anklagebank. Als er 18 war landete er in Stuttgart. Wohnte unter anderem im Rotlichtviertel. Er sagt: "Ich bin ein ›Loverboy‹. Hatte so an die 20 Frauen. Dazu habe ich mit Autos gehandelt. Monatlich kamen so 30.000 bis 40.000 Euro rein." Es wird ein Instagram-Foto des Angeklagten gezeigt: In einer Tiefgarage. Vor einem Mercedes. Edler Ledermantel mit Fellkragen.

Die Anklage: Beihilfe zum schweren Raub und besonders schwerer Körperverletzung. Im Kern geht es um die Frage: Was hat der "Loverboy" mit dem Smartphone-Raub in einem Horber Teilort zu tun?

Angeklagter war schon am Vortag beim Opfer

Am 7. Juli 2020 zockte Stan T. in Ulm ein iPhone 11 mit 128 GB Speicher ab. Wurde dafür vom Landgericht Ulm zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Um 21.13 Uhr traf er das Opfer im Treppenhaus, sprühte ihm Pfefferspray ins Gesicht und lief mit dem iPhone davon. Zeugen beobachteten, wie T. in einen goldgelben Citroen C4 flüchtete, der mit quietschenden Reifen davonfuhr.

Um 22.43 Uhr. Der goldgelbe Citroen C4 mit rumänischem Kennzeichen parkt in einem Teilort von Horb. Das Opfer – ein Arbeiter. Er sagt: "Stan T. war am Vortag da. Mit seiner Freundin und einem blonden Kollegen. Wollte das iPhone für 700 Euro kaufen. Er wollte testen, ob man ins W-Lan kommt. Das hat aber nicht geklappt. Er hat gesagt: ›Wenn es funktioniert, nehme ich das Smartphone.‹ Nachdem er weg war, konnte ich es richten. Wir haben uns über den Facebook-Messenger für den nächsten Tag verabredet."

Eigentlich war 21 Uhr ausgemacht. Doch der goldene Citroen fuhr erst um 22.43 Uhr vor. Der Arbeiter: "Ich habe das Auto gesehen. Es stieg der blonde Kollege aus. Ich zeigte ihm im Hausflur, dass das iPhone jetzt ins W-Lan kommt. Er griff in die Gesäßtasche – ich dachte, er zückt das Geld. Er sprühte mir Pfefferspray ins Gesicht, stieß mich mit beiden Händen an die Wand. Weil ich zwei Tage vorher am Sprungband operiert wurde, bin ich eingeknickt. Ich rief laut: ›Ruft die Polizei.‹ Hörte quietschende Reifen."

Kripo-Ermittler hat Daten des Handys ausgewertet

War Stan T. dabei? Das Opfer: "Das war garantiert er. Auch wenn ich es nicht mit den Augen bezeugen kann." Über den Facebook-Marktplatz hatten sich Stan T. und seine Freundin mit ihm in Verbindung gesetzt. Sprachnachrichten verschickt.

War T. wirklich erst in Ulm und 90 Minuten später in der Region Horb? Ein Kripo-Ermittler hat die Daten des Handys des Angeklagten ausgewertet. Der Kriminalkommissar: "Das Smartphone war am Tattag ab 23.05 Uhr im Funkmast Wolfäcker II in Waldachtal eingebucht. Hatte über 16 Minuten Datenverbindung. Für mich als Informatiker passt das wie die Faust aufs Auge."

Stans Verteidiger Rüdiger Mack: "Können Sie ausschließen, dass nur das Smartphone des Mandanten im Auto lag? Wann ist er zuerst in den Bereich des Funkmasts hineingekommen?"

Der Kripo-Ermittler: "Dass das Smartphone nur im Auto lag, kann ich nicht ausschließen. Der Datensatz sagt nur, dass Daten übermittelt wurden. Das können Whatsapp-Telefonate, Datenaktivitäten in sozialen Medien oder Hintergrundaktualisierungen sein."

Angeklagter: "Ich hatte drei Wohnungen gemietet."

Und kann der Ermittler sagen, wann der Rumäne in die Funkzelle gekommen ist? Der Kripo-Beamte: "Nein. Wenn ich beispielsweise von Stuttgart nach Hamburg fahre und fünf Stunden telefoniere, wird nur gespeichert: Stuttgart, 5 Stunden Telefonat. Es ist also möglich, dass das Smartphone schon eine Stunde eher in der Gegend war."

Doch wie kommt der "Loverboy" überhaupt dazu, bei einem Einkommen von 30.000 bis 40.000 Euro im Monat iPhones zu rauben? T.: "Ich hatte drei Wohnungen gemietet. Durch die Lockdowns ging der Umsatz zurück. Da waren es nur noch 7000 bis 8000 Euro im Monat."

Und warum bezeichnet er vor den Richterinnen seine Tätigkeit als "Loverboy" als Spiel? Der Rumäne: "Wenn ein 18-Jähriger einer 30-Jährigen erzählt, dass er verliebt ist, geht man doch davon aus, dass sie Bescheid weiß..." Es sei auch normal, dass sie einen Teil seines "Incomes" (englisch: Einkommen) durch den Escort-Service finanziert. Von dem Geld habe er unter anderem in der Nähe seiner Heimatstadt eine Pension gebaut – mit 20 Zimmern. Die sei zwar fertig, er habe das Gewerbe aber noch nicht angemeldet.

Um 13 Uhr nach der Mittagspause sagt die Vorsitzende Richterin Schweizer am ersten Prozesstag: "Ich habe gerade einen Anruf aus der JVA des Angeklagten erhalten. Er soll am 30. Mai abgeschoben werden."

Auch an einem Überfall an einer Tankstelle bei Ludwigshafen beteiligt

Am zweiten Prozesstag kommt raus: Stan T. war wohl auch an einem Überfall einer Tankstelle bei Ludwigshafen beteiligt. Wieder dieselbe Vorgehensweise: Chatten über eine 14-Karat-Goldkette im Wert von über 1000 Euro beim Facebook-Marktplatz.

Am 1. Juli abends gegen 21 Uhr die Übergabe. Doch der Geschädigte konnte sich trotz Pfefferspray wehren. Einer der Täter stieg aus, um ihn unter Kontrolle zu bringen. Trotzdem konnte das Opfer noch das vordere Nummernschild des Autos abreißen. Ein Kripo-Ermittler aus Frankenthal: "Leider gab es in diesem Bereich der Tankstelle keine Videoaufzeichnung!"

Dann die Plädoyers. Für Staatsanwalt Frank Grundke ist klar: Schuldig. Fakt ist: Das Handy von Stan T. war bei der Tat in Ulm um 21.13 Uhr in der Funkzelle eingeloggt. Und im Horber Teilort bei der Handy-Abzocke dort. Grundke: "Spätestens nach dem erfolgreichen Raub des iPhones in Ulm fasste er den Tatentschluss, es gleich danach in Horb zu versuchen. Das war eine Serienstraftat, die in Ludwigshafen fortgesetzt wurde." Und weil T. "ein erfolgreicher Unternehmer war mit monatlichen Einnahmen von 30.000 bis 40.000 Euro", sei Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. Er fordert sieben Jahre Gesamtstrafe und einen erneuten Haftbefehl gegen den Angeklagten. Damit er nicht einfach nach Rumänien abgeschoben wird, sondern sitzen muss.     

Rüdiger Mack, Verteidiger des Rumänen: "Im Zweifel für den Angeklagten. Es kann nicht festgestellt werden, dass er in Horb zum Zeitpunkt des Raubes war. Eine aktive Nutzung des ihm zugeordneten Handys in Horb haben wir auch nicht." Mack betont auch: Warum sollte Stan T. bei diesem hohen Verdienst "auf die Idee kommen, solche Taten zu begehen?" Er beantragt Freispruch.

Am Freitag wird um 10.30 Uhr das Urteil im Prozess fallen.