Der 36-jährige Angeklagte wird von der Vollzugsanstalt zum Landgericht Hechingen gebracht. Foto: Ungureanu

Bedrohung, Körperverletzung, räuberische Erpressung, Ladendiebstahl und Drogenbesitz: Die Summe der Anklagepunkte wiegt schwer. Seit Montag muss sich ein 36-jähriger Albstädter vor dem Hechinger Landgericht verantworten. Er wird in Fesseln aus der Vollzugsanstalt vorgeführt.

Albstadt/Hechingen - Den Gemeindevollzugsbeamten habe er mit einer Schreckschusspistole in Todesangst versetzt, die Polizeibeamten vom Albstädter Revier als "Scheiß Bullen", "Arschlöcher" und "Vollidioten" beschimpft, und ja, er habe Betäubungsmittel konsumiert. Die Taten räumt der Angeklagte bereitwillig ein. Er könne nicht mehr genau sagen, was an jenem 12. November 2020 gegen 13 Uhr geschehen sei. Er habe die Nacht davor nicht geschlafen, habe Alkohol und Drogen zu sich genommen, sei total aufgedreht gewesen.

Der Vollzugsbeamte, der ausgerechnet jetzt seinen Blitzer in der Bitzer Steige aufbauen wollte, brachte den übernächtigten 36-Jährigen vollends in Rage. "Er ist vorbeigelaufen und hat irgendwas geschrien", sagte der 51-jährige im Zeugenstand. "Dann ist er zu meinem Auto gekommen, hat aufs Dach gehauen und versucht, die Scheibe einzuschlagen." Er habe sich in seinem Messfahrzeug eingeschlossen und über Handy die Polizei gerufen. Aber die sei gerade bei einem Einsatz gewesen, habe nicht gleich kommen können.

"Ich knall dich ab, wenn du nicht abhaust!"

Das brachte den rabiaten 36-Jährigen erst recht auf die Palme. Er rannte ins Haus, holte eine Schreckschusspistole und bedrohte den Beamten: "Ich knall dich ab, wenn du nicht abhaust!" Ob er die Drohung ernst genommen habe?, erkundigt sich der Vorsitzende Richter Sommer. "Natürlich", sagt der Vollzugsbeamte. Er habe ja nicht wissen können, dass es "nur" eine Schreckschusswaffe war. An den Augen und dem Auftreten des Widersachers habe man erkennen können, dass jener unter Drogen stand.

"Er war extrem aufgewühlt. Er hat gesagt, ich dürfe hier nicht blitzen, was mir einfällt, ich solle da weggehen." Er sei mit dem Messfahrzeug weggefahren, habe es weiter oben am Straßenrand abgestellt. Durch den Schock sei er zwei Wochen lang arbeitsunfähig gewesen, habe monatelang unter Schlafstörungen gelitten, habe einen Psychotherapeuten aufsuchen müssen.

Drogen bestimmen sein Leben

Ein weiterer Zeuge, ein 70-jähriger Anlieger, hatte den Streit hautnah mitverfolgt. An das Datum konnte er sich vor Gericht noch genau erinnern: "Der Vollzugsbeamte hatte Geburtstag", sagt er. Eine Schusswaffe habe er zwar nicht gesehen, dafür aber den jetzt Angeklagten, der herumschrie und das Auto des Vollzugsbeamten heftig bearbeitete.

"Drogen haben sein Leben bestimmt", sagte die 63-jährige Mutter des Angeklagten. Es habe Phasen gegeben, wo ihr Sohn wirklich habe aufhören wollen. Aber: "In seinem Umfeld waren viele Abhängige, und die Drogen waren irgendwie stärker. Als Eltern muss man irgendwann resignieren." Wenn er gerade keine Drogen genommen habe, sei er ein "netter Kerle" gewesen, mit dem man "Pferde stehlen konnte". Als ihr Sohn sich von seiner Freundin getrennt habe, sei alles noch schlimmer geworden.

Es gibt ein Video vom Streit

An jenem 12. November habe sie bei ihrem Sohn geklingelt, sie habe ihm frische Wäsche gebracht. "Er war voll neben der Kapp’", beschreibt sie den Zustand des 36-Jährigen. Und stellt dem Gericht weiteres Beweismaterial zur Verfügung: ein Video vom Streit mit dem Gemeindevollzugsbeamten, das ihr Sohn mit ihrem Handy aufgezeichnet hat. Der 36-Jährige entschuldigt sich bei dem Gemeindevollzugsbeamten: Er sei an jenem Tag nicht so gut drauf gewesen, sagt er.

Was die weiteren Anklagepunkte angeht, stellt sich heraus, dass die Wahrheitsfindung mühsam und langwierig ist, wenn Drogen und Alkohol im Spiel sind. Denn das macht die Erinnerungen lückenhaft. Sei es wegen der Drogen, sei es, weil man sich nicht selbst belasten möchte.

Streit um eine Feinwaage

Unklar blieb, was in jener Nacht vom 17. auf den 18. März 2021 tatsächlich geschehen war – und wo genau. Dass es in der Wohnung der Freundin oder beim jetzt Angeklagten zu einem Streit mit einem 51-jährigen Drogenbekannten gekommen war, steht wohl fest. Angeblich spielte dabei eine Feinwaage eine Rolle, die der 51-Jährige wohl in seinen Anorak eingesteckt hatte. Und ein kleines Messer, das der Angeklagte angeblich benutzte, um Cannabis zu portionieren, und mit dem er den mutmaßlichen Waagendieb am Unterarm verletzte. War die Waage, wie die damalige Freundin des 36-Jährigen sagte, nur dazu da, um ihre selbst hergestellten Haarfarben abzuwiegen? "Ich bin ohne Grund festgenommen worden", echauffierte sich die 26-Jährige.

Verhandlung wird fortgesetzt

Auch weitere Fragen bleiben zunächst unbeantwortet: Hatte ein 30-Jähriger "Araber", der ebenfalls in Haft sitzt und im Zeugenstand stumm blieb, mit der flachen Seite einer Machete dem 51-jährigen Drogenkumpel auf den Kopf gehauen? Oder nur mit einer leeren Bierflasche? Hatte der Angeklagte gedroht, dem 51-jährigen Drogenkumpel mit einem Hammer die Hand zu zertrümmern, sollte er seinen Geldbeutel nicht rausrücken? Hat der jetzt Angeklagte dem 51-Jährigen die 90 Euro abgenommen, die später bei ihm gefunden wurden? Dass er tags darauf im Bekleidungsgeschäft "Streetlife" eine Jogginghose angezogen und damit den Laden verlassen hatte, ohne zu bezahlen, will er nicht wahrhaben.

Die Verhandlung vor dem Hechinger Landgericht wird am Montag, 4. Juli, ab 9 Uhr fortgesetzt.