Reinhold Gall wurde jüngst mit einer Torte beworfen. Beim Prozess gibt es nun Tumulte. Foto: dpa

Baden-Württembergs Innenminister wird auf einer Tagung mit einer Torte beworfen. Der junge Täter fordert, das Land solle die rechtsextremen Umtriebe des Nationalsozialistischen Untergrunds eingehender untersuchen. Nun steht er vor Gericht.

Öhringen - Der Prozess um den Tortenwurf auf Innenminister Reinhold Gall hat mit Protesten und Unterbrechungen begonnen: Der 20 Jahre alte Angeklagte lehnte am Donnerstag zwei Richter des Amtsgerichts Öhringen (Hohenlohekreis) wegen Befangenheit ab. Mehrmals wurde das Verfahren deshalb unterbrochen. Weil sich zum Zeitpunkt der Verhandlung kein weiterer der insgesamt vier Richter im Gericht befand, mussten mehrere Richter am Landgericht Heilbronn um eine Stellungnahme gebeten werden. Die Fortsetzung der Verhandlung wurde auf den frühen Nachmittag vertagt.

Dem 20 Jahre alten Angeklagten wird vorgeworfen, den SPD-Politiker bei einer Tagung über die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) im Februar in Ludwigsburg mit einer Sahnetorte attackiert zu haben. Ihm wird Nötigung, versuchte Körperverletzung sowie versuchte Sachbeschädigung zur Last gelegt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heilbronn hatte das Amtsgericht einen Strafbefehl samt Verwarnung und Geldbuße von 2000 Euro erlassen. Dagegen hatte der Mann Einspruch eingelegt.

Gleich zu Verhandlungsbeginn hatte sein Verteidiger den verhandelnden Richter wegen Befangenheit abgelehnt. Dieser habe unter anderem die sogenannte sitzungspolizeiliche Verfügung angeordnet, aufgrund derer alle Zuhörer ihre Personalien angeben und ihre Taschen vor dem Sitzungssaal abgeben mussten.

„Das ist ein völlig unverhältnismäßiges Verhalten, damit werden sowohl mein Mandant als auch alle Anwesenden als potenzielle Täter stigmatisiert“, sagte der Verteidiger. Zudem habe er nur unzureichend beziehungsweise zu spät Akteneinsicht erhalten.

Bereits am Morgen hatte sich der Beginn der Verhandlung wegen starker Sicherheitsvorkehrungen verzögert. Etwa 20 Demonstranten hatten ihre Solidarität mit dem Angeklagten bekundet und Transparente mit Parolen wie „NSU-Aufklärung statt Repression“ und „Antifaschismus ist nicht kriminell, sondern notwendig“ in die laufenden Fernsehkameras gehalten. Mehrere Himbeertorten waren aufgebaut. Mit seiner Attacke gegen den Innenminister habe er erreichen wollen, dass mehr Aufmerksamkeit auf die Aufklärung einer möglichen Verbindung des rechtsterroristischen NSU in den Südwesten gelenkt werde. „Wir haben es hier mit politischem Dilettantismus zu tun, die Landesregierung praktiziert wie so oft ihre Schwamm-Drüber-Strategie“, sagte der Angeklagte vor der Verhandlung.