Pro-europäische Demonstranten auf dem Maidan in Kiew. Foto: dpa

Nach dem Amtsverzicht der Regierung fordert die Opposition in Kiew weitere Zugeständnisse. Das Parlament erörtert eine Amnestie für Demonstranten. Doch den Anführern der Proteste ist das nicht genug.

Nach dem Amtsverzicht der Regierung fordert die Opposition in Kiew weitere Zugeständnisse. Das Parlament erörtert eine Amnestie für Demonstranten. Doch den Anführern der Proteste ist das nicht genug.

Kiew/Berlin - Nach dem Rücktritt der ukrainischen Regierung will die proeuropäische Opposition eine Amnestie für inhaftierte Demonstranten durchsetzen. In einer Sondersitzung des Parlaments verlangten Abgeordnete aus dem Lager der prorussischen Regierung am Mittwoch erneut, vor einer Freilassung müssten zunächst alle besetzten Gebäude und Plätze geräumt werden.

Die Opposition forderte, zumindest den Unabhängigkeitsplatz (Maidan) und das Gewerkschaftshaus in Kiew auszunehmen. Sie gelten als wichtige Schaltzentrale der Demonstranten. Die Amnestie wäre ein Zugeständnis an die Regierungsgegner. Diese fordern aber weiter auch einen Amtsverzicht des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

„Die Menschen sind auf die Straße gegangen, um die Situation im Land zu ändern. Jetzt zu sagen: Wir lassen die Leute nur frei, wenn die Demonstranten nach Hause gehen, ist unannehmbar“, sagte Oppositionspolitiker und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warb für eine friedliche Lösung des Konflikts. Die Bundesregierung werde diese Bemühungen mit allen Mitteln unterstützen, sagte sie im Bundestag. Gleichzeitig würdigte Merkel den Mut der Demonstranten. „Sie setzen sich für die gleichen Werte ein, die auch uns in der europäischen Union leiten.“

Die Vaterlandspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko warnte wieder vor der Gefahr einer gewaltsamen Lösung des Machtkonflikts in Kiew. Sollte Janukowitsch den Ausnahmezustand verhängen und Spezialeinheiten gegen die Demonstranten einsetzen, drohe ein „Blutbad mit Hunderten Opfern“, sagte Ex-Außenminister Arseni Jazenjuk, Fraktionschef der Timoschenko-Partei.

Die Europäische Union setzte ihre Reisediplomatie fort

Der frühere Präsident Leonid Krawtschuk warnte in einer Rede im Parlament, sein Land befinde sich „am Rande eines Bürgerkriegs“. Die „dramatische Situation“ erfordere verantwortungsvolles Handeln.

Die Europäische Union setzte ihre Reisediplomatie fort. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton reiste nach Kiew, um in dem Konflikt zu vermitteln. Am Dienstag hatte sich Präsident Janukowitsch bereits mit EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle getroffen, Ergebnisse des Gesprächs wurden nicht bekannt.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Pawel Klimkin, bezeichnete einen Straferlass für die Opposition in der früheren Sowjetrepublik als Voraussetzung für eine friedliche Lösung. „Das Wichtigste im Moment ist, dass die Gewalt nicht weitergeht. Da braucht man ein Gesetz über die Amnestie“, sagte er dem Sender n-tv.

Die Straffreiheit soll nach einer Forderung der Regierung aber nicht für schwere Vergehen gelten. Bei den Demonstrationen gegen Präsident Janukowitsch waren über 100 Menschen festgenommen worden. Die Proteste in Kiew und anderen Städten dauerten unterdessen an.

Der Staatschef hatte auf Druck der Opposition am Vortag den Rücktritt der gesamten Regierung angenommen. Zudem annullierte das Parlament neun umstrittene Gesetze zur Einschränkung demokratischer Freiheiten.

US-Vizepräsident Joe Biden bewertete die Rücknahme in einem Telefonat mit Janukowitsch positiv. Er forderte den Staatschef auf, den Dialog mit der Opposition fortzusetzen. Die Regierungsgegner in Kiew wollen auch eine Rückkehr zur Verfassung von 2004 erreichen, die dem Präsidenten weniger Machtbefugnisse einräumt.