Auch in Wangen im Allgäu sind als Spaziergänger getarnte Gegner der Coronamaßnahmen bereits unterwegs gewesen. Foto: dpa/Felix Kästle

Die Stadt Bad Mergentheim darf unangemeldete Corona-Spaziergänge nicht verbieten. Das hat das Stuttgarter Verwaltungsgericht entschieden. Die Karlsruher Kollegen waren in einem ähnlichen Fall gegenteiliger Meinung.

Stuttgart - Ein pauschales Verbot so genannter Corona-Spaziergänge in der Stadt Bad Mergentheim (Main-Tauber-Kreis) ist nicht zulässig. Das Verwaltungsgericht in Stuttgart hob jetzt eine entsprechende Allgemeinverfügung der Stadt vom 21. Dezember auf Klage eines Bürgers wieder auf. Der bloße Verstoß gegen die Anmeldepflicht stelle, auch wenn er planmäßig begangen worden sei, noch keine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Versammlungsrechts dar, erklärten die Richter.

Die 22 500-Einwohner-Stadt hatte das Verbot damit begründet, bei den unangemeldeten Versammlungen sei mit Verstößen gegen die Abstands- und Maskenpflicht zu rechnen und dabei auch auf die Erfahrungen in anderen Städten verwiesen. Die erste Kammer des Verwaltungsgerichts folgte dieser Argumentation nicht. Auch im Hinblick auf die aktuelle Infektionsentwicklung reiche der allgemeine Hinweis auf Gefahren nicht aus. Es brauche auch hinreichende Anhaltspunkte, dass es speziell im Stadtgebiet von Bad Mergentheim zu Verstößen komme.

„Urteil geht an der Praxis vorbei“

Der Ordnungsdezernent des Städtetags, Sebastian Ritter, kritisierte, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei in der juristischen Theorie wohl nachvollziehbar, gehe „am Bedarf der Praxis aber vorbei“. Nach den Erfahrungen der vergangenen Woche sei es lächerlich, wenn jede Kommune erst abwarten müsse, bis die Situation auch bei ihr eskaliere. „Es gibt zahlreiche Beispiele, wo es aus dem Ruder gelaufen ist.“ Auch in Bad Mergentheim hatte es vor Weihnachten einen Aufzug gegeben, bei dem die Polizei Mühe hatte, die Situation zu beherrschen.

In der vergangenen Woche hatte die Stadt Freiburg eine fast gleich lautende Allgemeinverfügung veröffentlicht und auf deren Grundlage gegen Teilnehmer eines unangemeldeten Corona-Spaziergangs am vergangenen Montag bereits reihenweise Platzverweise erteilt und Bußgeldverfahren eingeleitet. Gegen die dortige Allgemeinverfügung wurde bisher nicht juristisch vorgegangen.

Die Richter in Karlsruhe sehen es anders

Allerdings hatte vor Weihnachten das Verwaltungsgericht in Karlsruhe entsprechende Verfügungen der Städte Karlsruhe und Mannheim überprüft und bestätigt. Dort sind seither die unangemeldeten Spaziergänge verboten. Es sei nicht unüblich, dass unterschiedliche Gerichte in Einzelfällen zu unterschiedlichen Beurteilungen kämen, sagte der Sprecher des Stuttgarter Verwaltungsgerichts, Benjamin Singer. Um zu einer landesweit einheitlichen Rechtslage zu kommen, sei eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim möglich und „vielleicht sinnvoll“, sagte Singer. Die Stadt Bad Mergentheim hat darüber noch nicht entschieden.

Der Umgang mit den Querdenker-Spaziergängern sei in vielen Städten und Kreisen aktuell ein Thema, sagte Ritter. So erließ der Schwarzwald-Baar-Kreis eine Verfügung, nach der bei allen Zusammenkünften unter freiem Himmel, an denen mehr als zehn Personen beieinander stehen, Masken getragen werden müssen. Der Kreis Lörrach veröffentlichte am Freitag ein Verbot sämtlicher unangekündigter Corona-Spaziergänge in der Stadt Schopfheim. Erlaubt seien nur noch angemeldete Demonstrationen, bei denen die Auflagen beachtet und Versammlungsleiter benannt würden.

Angriff auf Journalistin

Die Stadt Friedrichshafen wiederum sah anfangs den Monats noch keine Möglichkeit, Corona-Spaziergänge pauschal zu untersagen. Diese Woche ist aber auch dort die Lage eskaliert, als ein Demonstrant eine Journalistin des „Südkurier“ angriff. Die Polizei nahm den Mann vorläufig fest.