„Morgen, morgen, nur nicht heute! Sagen alle faulen Leute.“: Die Moral hinter dieser Redensart aus dem Gedicht „Aufschub“, erstmals erschienen 1807 in der Sammlung „Lieder und Fabeln für Kinder und junge Leute“ des Aufklärungspädagogen Christian Felix Weiße (1726-1804), ist ganz einfach: Schiebe Aufgaben nicht vor Dir her, sondern erledige Sie gleich! Foto: Imago/Photothek

Heute schon aufgeschoben? Wie sieht es mit Ihren guten Vorsätzen aus? Schon wieder verworfen? Damit sind Sie nicht allein. Viele Menschen leiden unter chronischer Aufschieberitis. Wir erklären, wie Sie Ihre Prokrastination überwinden können.

„Aufgehoben ist nicht aufgeschoben“. Diese in die Gemeinsprache eingegangene Redensart drückt aus, was der Zungenbrecher Prokrastination meint: Was im Augenblick nicht erledigt werden kann, ist keineswegs vergessen, sondern soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. So nimmt man es sich zumindest immer wieder vor.

 

Wer unter Aufschieberitis – ein etwas eingängigerer Name für den Fachterminus Prokrastination – leidet, könnte von mehr Optimismus profitieren, wie eine neue Studie nahelegt. Ein Forscherteam um Saya Kashiwakura von der Universität Tokio hat untersucht, warum wir wichtige Aufgaben immer wieder aufschieben, obwohl wir dieses Verhalten selbst nicht gut finden und es später teils schwere Konsequenzen haben kann. Ihre Studie ist im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlicht worden.

Aufschieben: Wer kennt das nicht?

Prokrastination - vom Lateinischen „procrastinare“, auf morgen verschieben - meint extremes Aufschieben. Meistens von aversiven, also unangenehmen Aufgaben und Pflichten. Solches Trödeln – sinnigerweise auch Studentensyndrom genannt – kennt jeder: Das verschmutzte Bad endlich putzen? Dafür ist morgen auch noch Zeit. Für die Matheklausur pauken? Die Woche ist noch so lang. Das Knöllchen bezahlen? Es ist doch noch gar kein Stichtag.

Und dabei wäre so viel zu tun. Doch statt unsere mittlerweile ellenlange To-Do-Liste nach Prioritäten abzuarbeiten, erledigen wir lieber zuerst die Banalitäten, machen etwas ganz anderes oder tun nichts. Selbst wenn uns das bewusst ist, ändern wir nicht unbedingt unser Verhalten.

Wer unter schwerer Aufschieberitis leidet und sich für sein Verhalten schämt, wird dabei umso gestresster, je mehr er sich um Besserung bemüht. Und scheitert dann erst recht.

Welche Rolle spielt die Lebenseinstellung?

Doch nicht alle Menschen stecken gleichermaßen tief in diesem Teufelskreis. Es muss nicht immer gleich pathologisch sein und sich um eine klinische Verhaltensstörung handeln. Ob jemand eher zur Prokrastination neigt oder nicht, hängt sowohl von der Persönlichkeit ab. als auch von der Hirnstruktur und den Genen, wie schon frühere Studien nahelegen.

Ausgehend von ihrem eigenen Hang zur Prokrastination und früheren Studien hat Saya Kashiwakura einen Fragebogen entwickelt, den 296 junge Menschen ausfüllten. Darin machten die Testpersonen umfassende Angaben zu ihrem Prokrastinationsverhalten, ihrem Zeit- und Stressempfinden, ihren Erfahrungen, ihrer gegenwärtigen Zufriedenheit sowie ihrer Lebenseinstellung und ihrer Erwartungshaltung für die Zukunft. Dahinter steckt die Annahme der Forscher, dass Pessimisten häufiger prokrastinieren könnten als Optimisten.

Hoffen und Optimismus helfen gegen Prokrastination

Tatsächlich zeigte sich bei der Auswertung der Fragebögen, dass optimistische Menschen seltener zu Prokrastination neigen. „Unsere Forschung hat gezeigt, dass optimistische Menschen – diejenigen, die glauben, dass Stress nicht zunimmt, wenn wir uns in die Zukunft bewegen – weniger wahrscheinlich schwere Prokrastinationsgewohnheiten haben“, erklärt Saya Kashiwakura.

Die Forscher schließen daraus, dass Zukunftsangst die Wahrscheinlichkeit für Prokrastination erhöht. Wer hingegen optimistisch in die Zukunft blickt, fürchtet sich weniger vor Konsequenzen und geht Aufgaben tendenziell schneller an.

Personen, die unter ihrem Aufschieben leiden, könnten dieses Verhalten entsprechend ablegen, wenn sich ihre Perspektive verbessert und sie sich besser für die Zukunft gewappnet fühlen, schreiben die Experten. Denn wer weniger Angst vor der Zukunft hat, ignoriert sie auch seltener und kann sie so besser gestalten.

Damit ein Vorsatz gelingt, ist vor allem ein gutes Zeitmanagement vonnöten. Foto: Imago//Zoonar

Gutes Zeitmanagement ist wichtig

Was kann man neben einer optimistischeren Lebenseinstellung noch gegen die Aufschieberitis-Unsitte tun? Damit ein Vorsatz gelingt, ist vor allem ein gutes Zeitmanagement vonnöten. Psychologen raten, sich Ziele zu setzen, die einen nicht überfordern. Gewohnheiten – und seien sie auch noch so falsch – haben immer etwas Beruhigendes und Stabilisierendes. „Das Gehirn strebt danach, alles zu routinisieren“, sagte einmal der Hirnforscher Gerhard Roth (1942-2023).

Viel Aufwand und Ausdauer erforderlich

Aufschieber unterschätzen nicht nur die eigene Willensstärke und Bereitschaft sich zu bessern, sondern auch den Aufwand und die Ausdauer, die für jedwede nachhaltige Veränderung notwendig sind. Ist der erste Elan erst mal dahin, bleiben selbst dringende Veränderungen unerledigt.

Wer zu viel von sich erwartet, wird sich nur selbst enttäuschen. Je weniger gelingt und je schneller sich üble Marotten wieder einschleichen, desto mehr zweifelt man an sich selber, fühlt man sich überfordert und ist zu keinerlei Verhaltensänderung mehr fähig. Schließlich gibt man frustriert auf.

Morgen wird alles besser? Von wegen!

Doch wie kann man das umsetzen, was man sich vorgenommen hat? Voraussetzung hierfür ist, dass das Handeln zielgerichtet und man selbst motiviert ist. Generalisierende und schwammige Vorsätze nach dem Motto „Morgen wird alles besser“ kann man gleich vergessen.

„Gutta cavat lapidem“ – "Der stete Tropfen höhlt den Stein" –, heißt es beim römischen Dichter Ovid (43-17 n. Chr.). Anders ausgedrückt: Erst wenn ein Verhalten oft genug und in überschaubaren Schritten wiederholt wird, setzt es sich im Gehirn fest.

„Beginne nicht mit einem großen Vorsatz, sondern mit einer kleinen Tat“

Auch sollte man nicht vergessen, sich für kleine Fortschritte selbst zu belohnen. Nichts motiviert so sehr wie Erfolgserlebnisse. Der Kampf gegen die Aufschieberitis setzt Disziplin und Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit und Mühsal voraus. In der Praxis hat es sich bewährt, eine Liste zu erstellen und erledigte Punkte abzuhaken. Das dient der Erfolgskontrolle, motiviert weiterzumachen und hilft, Versuchungen zu widerstehen.

Ein guter Rat noch des amerikanischen Schriftstellers Thornton Wilder (1897–1975): „Beginne nicht mit einem großen Vorsatz, sondern mit einer kleinen Tat.“