Immer mehr Kommunen werden pestizidfrei. (Symbolfoto) Foto: photosforyou/Pixabay

Mehr als 570 Kommunen deutschlandweit verzichten auf Pestizide, wie aus einem Projekt des Bundes für Umwelt und Naturschutz hervorgeht. Doch aus der Region sind lediglich sechs vertreten, fünf davon aus dem Zollernalbkreis. Warum ist das so? Wir haben nachgefragt.

"Städte und Gemeinde setzen Pestizide häufig ein, um Straßen, Wege sowie Spiel- und Sportplätze frei von Kräutern und Gräsern zu halten", schreibt der BUND auf seiner Homepage. Die Pflanzenschutzmittel beseitigen schnell und ohne viel Aufwand das Unkraut, sind jedoch giftig, töten auch andere Pflanzen sowie Tiere wie Bienen ab und gelangen oft in Gewässer oder die Kläranlage. Der BUND ruft deshalb seit 2013 Städte und Gemeinden deutschlandweit durch das Projekt "Pestizidfreie Kommunen" dazu auf, auf die chemischen Pflanzenschutzmittel zu verzichten.

Die beim BUND gemeldeten Kommunen sind in einer Onlinekarte markiert. Laut BUND beteiligen sich Stand Oktober mehr als 570 Kommunen deutschlandweit an dem Projekt und bewirtschaften ihre Grünflächen ohne Pestizide und "mindestens ohne Glyphosat", so der BUND.

Interessant mit Blick auf die Karte ist, dass von den in der Region liegenden Kreisen Calw, Freudenstadt, Rottweil, Schwarzwald-Baar und Zollernalb nur letzterer vertreten ist, sowie Rottenburg im Kreis Tübingen. Im Zollernalbkreis sind bisher fünf Kommunen als pestizidfrei eingetragen: Balingen, Albstadt, Meßstetten, Grosselfingen und Starzeln.

Wir haben bei den Kommunen nachgefragt, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Unsere Redaktion erhielt jedoch nur von Balingen, Albstadt und Meßstetten Rückmeldung.

Warum Kommunen pestizidfrei werden

Seit mehr als fünf Jahren ist die Stadt Meßstetten pestizidfrei. "Wir haben mehr Personaleinsatz als früher", sagt Thorsten Steidle, Pressesprecher der Stadt. Das bedeute auch mehr Kosten und Zeit. Denn das Unkraut wächst schneller wieder nach, wenn man auf chemische Pflanzenschutzmittel verzichtet. "Die Zeit, die wir investieren, ist es uns aber wert", betont Steidle.

Aus Naturschutzgründen entschied sich Meßstetten damals für den Schritt. Der Austausch mit dem BUND folgte laut Steidle über den Bauhof. Auch anderen Kommunen empfiehlt der Sprecher, pestizidfrei zu werden. "Wenn man den Umweltgedanken in den Vordergrund stellen möchte, lohnt es sich auf jeden Fall", sagt der Sprecher.

Balingen verwendet seit 2018 keine Herbizide mehr - eine Art von Pestizid, das insbesondere für Pflanzen giftig ist. Dazu gehört auch Glyphosat. "Pestizide werden nur noch vereinzelt, in geringem Umfang, fallbezogen verwendet, sofern biologische Insektizide nicht eingesetzt werden können" berichtet Jürgen Luppold, Sprecher der Stadt.

Alternativ verwendet die Stadt "weitestgehend natürliche Insektizide", so Luppold weiter. Dazu gehören Wirkstoffe des sogenannten Neem-Baumes. "Je nach Fallbetrachtung überlassen wir es auch der Natur selbst, regulierend, beispielsweise durch sogenannte Nützlinge, einzugreifen", erklärt der Sprecher. Bereits seit 2016 setzt die Stadt anstatt Herbizide heißes Wasser zur Bekämpfung von Wildkräutern ein. Und bereits schon davor verwendete Balingen dieses Brühverfahren speziell auf Friedhöfen.

Dass Balingen in der BUND-Karte gelistet ist, erfuhr die Stadtverwaltung laut Luppold erst durch die Anfrage unserer Redaktion. "Es gab keinen aktiven Antrag durch die Stadt Balingen", erklärt der Sprecher. Er empfiehlt es ebenfalls anderen Kommunen, pestizidfrei zu werden.

Unkraut wird geschnitten oder gekocht

Die Stadt Albstadt teilte dem BUND 2015 mit, "dass sie die Verwendung von Pestiziden - insbesondere Glyphosat - auf öffentlichen Flächen in den letzten Jahren drastisch reduziert hat", informiert Sarah Braun von der Stadtverwaltung. Sie geht davon aus, dass der BUND daraufhin Albstadt in das Projekt aufgenommen hat.

Die Stadt verzichtet laut eigener Erklärung auf Pflanzenschutzmittel aufgrund der Gefahren für Mensch und Umwelt, die von ihnen ausgehen. Der Einsatz von Pestiziden sei zwar "viel effektiver, kostengünstiger und weniger aufwändig", trotzdem probierte die Stadt immer wieder Alternativen aus und habe damit "gute Erfahrungen" gemacht, erklärt Braun. "Hinzu kommt, dass an vielen Stellen Pestizide ohnehin nicht mehr eingesetzt werden dürfen." Sie empfiehlt anderen Kommunen, Pestizide nur noch in Einzelfällen einzusetzen oder sogar ganz darauf zu verzichten.

Alternativ zu Pestiziden setzt die Stadt zwei verschiedene Verfahren ein: zum einen ein mechanisches - zum Beispiel eine an einem Fahrzeug angebrachte Wildkrautbürste oder händische Wildkrautentfernung durch das Durchhacken von Flächen. Zum anderen gibt es ein thermisches Verfahren, wofür ein Heißwassergerät an einem Fahrzeug angebracht ist.

Im gesamten Zollernalbreis werden im Bereich der Straßenunterhaltung seit rund fünf Jahren keine Pestizide mehr eingesetzt, informiert Landratsamt-Sprecher Steffen Maier. Mitarbeiter der Straßenmeistereien der Landkreisverwaltung nutzen stattdessen mechanische (regelmäßiges Abmähen) und thermische (Feuer oder heißes Wasser) Verfahren.

Projekt dient als Plattform für Kommunen

Das Projekt entstand, als Kommunen den BUND immer häufiger kontaktierten, weil sie ihre Flächen pestizidfrei pflegen wollten. "Die Anzahl von Kommunen im Netzwerk stieg seit der Wiederzulassung von Glyphosat im Jahr 2015 stark an", berichtet Corinna Hölzel, Leiterin des Projekts "Pestizidfreie Kommunen" des BUND. "Viele Kommunen wollten dieses Herbizid, das im Verdacht steht, Krebs zu erzeugen, nicht mehr auf ihren Flächen einsetzen und suchten nach nichtchemischen Alternativen."

Harte Kriterien müssen nicht erfüllt werden, um online aufgezeigt zu werden. Das Projekt sei eine Plattform für alle Kommunen, die weniger Pestizide einsetzen oder gar ganz darauf verzichten möchten. "Pestizidverzicht ist oft ein Prozess. Kommunen können sich austauschen, informieren und voneinander lernen", erklärt Hölzel. Möchte eine Gemeinde oder Stadt in die Karte aufgenommen werden, kann sie laut der Projektleiterin entweder einen Beschluss fassen und vorlegen oder dem BUND schriftlich mitteilen, "auf welchen Flächen auf welche Pestizide verzichtet wird, ob es Ausnahmen gibt und welche Alternativen eingesetzt werden". Diese Informationen werden dann auf der Karte veröffentlicht.

Keine harten Regeln, keine Überprüfungen

Der BUND prüfe nicht im Einzelfall, ob sich die Kommune an die Voraussetzungen hält und tatsächlich pestizidfrei wirtschaftet. "Oftmals funktioniert eine Kontrolle von Bürgern und Bürgerinnen", sagt Hölzel. "Ich habe schon einige Male Anfragen von Einwohnern und Einwohnerinnen nach dem Wahrheitsgehalt der Aussagen erhalten. In solchen Fällen kontaktiere ich die Kommune und den jeweiligen BUND-Landesverband zur Klärung der Unstimmigkeiten."

Da keine expliziten Überprüfungen stattfinden, sei noch keine Kommune nach der Anmeldung "durchgefallen", wenn sie doch Pestizide verwendet. "Allerdings gab es schon mal einen Fall, bei dem wir eine Kommune wieder aus der Karte gelöscht haben, weil es einen neuen Bürgermeister gab. Und der war sehr pestizidfreundlich und hat wieder mit dem Glyphosateinsatz begonnen", berichtet Hölzel. "Die Information dazu kam über eine erboste Bürgerin der Kommune."

Mehr als 570 Kommunen nehmen teil

Da Kommunen, die auf Glyphosat und Co. verzichten, dem BUND zuerst eigenständig gemeldet werden müssen, um im Projekt aufgenommen zu werden, bedeute dies nicht, dass jede Gemeinde oder Stadt, die nicht auf der Karte vertreten ist, Pflanzenschutzmittel verwendet, betont die Projektleiterin. Dies erklärt auch, warum nur fünf Kommunen im Zollernalbkreis sowie Rottenburg in der Region auf der Karte vertreten sind und keine Städte oder Gemeinden entlang des Nationalparks Schwarzwald beispielsweise.

Für die Aufnahme in dem Projekt gebe es für die Kommunen keine finanziellen Anreize, Logo oder Plakette. "Die Vorteile sind die Veröffentlichung auf unserer Seite und damit eine recht große mediale Verbreitung" so Hölzel weiter. Die Teilnehmer erhalten außerdem Einladungen beispielsweise zu Fachtagungen.

Das Projekt werde gut angenommen, freut sich Hölzel. "Als wir die Online-Karte entwickelten, rechneten wir mit zirka 100 Kommunen, die wir dort darstellen wollten. Jetzt sind es über 570. Das ist ein großer Erfolg für uns und die Artenvielfalt", lautet ihre Bilanz.

Info

Mehr Informationen zu dem Projekt, die Online-Karte, sowie Tipps für Kommunen, um pestizidfrei zu werden, gibt es auf der Website des Projekts. Kommunen, die in dem Projekt aufgenommen werden wollen, können sich bei Corinna Hölzel unter corinna.hoelzel@bund.net melden.