Die Ehrenamtlichen helfen den Schülern nicht nur, flüssig lesen zu lernen, sondern auch den Text zu erfassen. Foto: Reinhard

An der Hausacher Graf-Heinrich-Gemeinschaftsschule unterstützen ehrenamtliche „Lesepaten“ Schüler mit sprachlichem Förderbedarf.

Langsam, monoton, aber schon recht flüssig, liest Brigittes Salzmanns Schützling den Text über die Eulenkinder, die einen leeren Magen haben und deren Mutter Mäuse und Frösche sucht. „Bei einem Punkt machen wir eine Pause“, erinnert Salzmann den Drittklässler. Und immer wieder fragt sie ihn auch nach der Bedeutung einiger Wörter. Das ist nicht immer leicht, denn auch wenn der Junge offensichtlich weiß, was gemeint ist, fällt es ihm schwer, es zu umschreiben. Bei „Lufthauch“ ist es aber recht einfach: Er pustet einmal sanft über seine Lippen. „Genau, ein zarter Wind“, lobt Salzmann den Schüler.

 

Einmal pro Woche kommt sie in die Hausacher Gemeinschaftsschule, um Jungen und Mädchen, die Schwierigkeiten beim Lesen haben, zu unterstützen. „Lesepaten“ heißt das Projekt, bei dem sie und die ehemalige Lehrerin Waltraud Jehle mit Grundschulkindern einzeln oder in Gruppen von bis zu sechs das Lesen übt. „Die Förderung kommt Kindern zugute, die Probleme beim Lesen oder sprachliche Defizite haben“, erklärt Schulleiterin Simone Giesler. Begonnen habe das Projekt bereits vor Corona, während der Pandemie musste es aber eine Pause einlegen. Insgesamt profitieren momentan rund 20 Kinder von den „Lesepaten“. Dass die Schule bei ihrer Erweiterung großzügig mit Räumen ausgestattet wurde, erlaubt diese Förderung überhaupt. Denn die Schüler brauchen dafür ruhige, freie Räume. Salzmann als ehemalige Stadträtin erinnert sich an die Diskussionen im Gemeinderat, ob die Schule wirklich so viele Zimmer brauche. „Aber jetzt sieht man ja, dass das durchaus nötig war“, meint sie.

Waltraud Jehle, die ebenfalls als Lesepatin tätig ist, stimmt zu: „In Gemeinschaftsschulen sind die Gruppen heterogen und man benötigt ein Raumschema, das sich dem anpasst.

Großzügiges Raumkonzept begünstigt Förderung

Es ist schon etwas Besonderes, dass die Stadt Hausach als Träger der Schule diesen Wünschen so entsprochen hat“, findet sie. Jehle war früher selbst Grundschullehrerin und hat Kindern Lesen und Schreiben beigebracht. Heute ist es ihr noch immer ein Anliegen, den Schülern dabei zu helfen. „Bei den Erstklässlern helfe ich mit den Buchstaben. Sie haben zum Beispiel gerade das M und A dazu bekommen. Für Anfänger ist das schon schwierig, die dann zusammenzusetzen. Manche lernen das schnell, aber die kommen dann nicht zum Lesen zu mir“, berichtet sie. In den höheren Klassen arbeite sie mit den Schülern am fließenden Lesen. „Da können sie schon lesen, aber nur langsam. Der Automatismus ist noch nicht da“, so Jehle.

Es ginge aber nicht nur um das Lesen an sich, sondern auch darum, den Sinn der Worte zu erfassen, erzählt sie weiter. „Viele sind noch sehr damit beschäftigt, die Buchstaben zu kombinieren. Und es wird oft offenbar, dass es Defizite im Wortschatz gibt. Da scheitern die Schüler dann oft daran, Aufgabenstellungen zu verstehen“, fügt Giesler hinzu.

Sie habe über die Jahre beobachtet, dass die Schere zwischen Kindern, die bei Schulanfang schon Lesen und Schreiben können, und jenen, die Schwierigkeiten haben, es zu lernen, immer weiter auseinander gehe. „Die Bandbreite wird immer größer, das Dazwischen weniger“, sagt Giesler.

Hinzu komme die Problematik, dass es Kinder gebe, die nicht ausreichend auf die Schule vorbereitet sind, nie in einer Kita waren. „Viele bekommen einfach keinen Platz und haben bis Schulanfang nicht gelernt, sich an Regeln zu halten, können einen festen Tagesablauf nicht befolgen und besitzen grundlegende Fähigkeiten, wie zum Beispiel den Umgang mit Schere und Stift, nicht.“ Diese Probleme versuche das Land mit Juniorklassen (siehe Info) wie jener in Gutach aufzufangen. „Aber die Plätze dort sind begrenzt“, bedauert die Schulleiterin. Jehle betont aus diesem Grund: „Wir setzen auf die Kooperation zwischen Kita und Schule.“

Plätze in der Gutacher Juniorklasse sind begrenzt

Im Gegensatz zu Jehle war Salzmann zwar nicht Lehrerin, aber viele Jahre als Awo-Hausaufgaben-Betreuerin tätig. Von dem Projekt Lesepaten habe sie schon vor einer Weile gehört. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Hausacher Gemeinderat habe sie Giesler angesprochen, ob sie es unterstützen könne.

Seitdem kommt sie genau wie Jehle einmal pro Woche vormittags in die Schule, um Kinder im Lesen zu fördern. Schüler, die Förderbedarf und gerade keinen Unterricht haben, zum Beispiel, weil sie nicht für den Religionsunterricht angemeldet sind, kommen dann zu ihr in den Raum, um dort mit ihr zu arbeiten. „Sie bringen einen Text mit einem passenden Fragebogen mit. Den gehen wir dann zusammen durch“, erklärt sie den Ablauf. Manchmal muss sie dann Wörter wie „Picknick“erklären oder der Schüler muss herauszufinden, was der Ausdruck „es schüttet wie aus Eimern“ bedeutet. Der Junge braucht eine Weile, bis er den Satz kurz und prägnant mit „es regnet“ beschreiben kann. Aber als es im Text um Fußball geht, leuchtet sein Gesicht auf. Salzmanns Nachfrage, ober er auch spiele, bejaht er begeistert. „Ich schieße ganz viele Tore“, berichtet er stolz. „Die Kinder sollen Spaß an den Geschichten haben, die Texte so spannend sein, dass die Jungen und Mädchen auch herausfinden wollen, wie es ausgeht“, erklärt Salzmann. „Wenn man den Spaß am Lesen fördert, ist das ein Geschenk fürs weitere Leben“, findet sie.

Juniorklassen

Schulpflichtige Kinder, deren sprachlicher Entwicklungsstand nicht erwarten lässt, dass sie mit Erfolg an der Grundschule teilnehmen, besuchen nach der Kita zunächst ein Jahr lang eine Juniorklasse. Auch Kinder, die in anderen Bereichen Förderbedarfe aufweisen, werden aufgenommen. Anschließend kommen die Kinder in die erste Klasse einer Grundschule. In der Juniorklasse werden sie mit 25 Wochenstunden gefördert.