Was läuft schief im Rettungsdienstwesen im Südwesten? Am Mittwochabend hat ein Notfallsanitäter aus Rottweil zur besten Sendezeit im Fernsehen Klartext geredet. Das dürfte beim DRK nicht allen gefallen.
Das Thema Rettungsdienst wird auch im Kreis Rottweil viel diskutiert. Neue Hilfsfristen, Probleme im ländlichen Bereich, Personalnot – und Rettungssanitäter, die helfen wollen, es aber zeitweise mit vielen Hürden zu tun haben.
Das SWR-Fernsehen hat sich in einem Themenschwerpunkt in zwei Sendungen umfassend mit dem Ganzen befasst. Der Titel spricht Bände: „Notfall Rettung – wenn die Hilfe versagt.“ Etliche Zuschauer aus dem Kreis Rottweil entdecken dabei in der Sendung um 20.15 Uhr am Mittwoch einen bekannten Kopf: Michael Török, Notfallsanitäter und DRK-Betriebsratsvorsitzender in Rottweil.
Er ist bekannt dafür, dass er die Dinge beim Namen nennt, und nimmt auch in der Sendung vor der Kamera des SWR kein Blatt vor den Mund.
Keine einheitlichen Strukturen
Zunächst jedoch beleuchten die Macher der eineinhalbstündigen Sendung am Mittwochabend die Grundproblematik des Rettungsdienstwesens in Deutschland näher: Keine einheitlichen Strukturen in den Ländern, riesengroße Unterschiede bei den Hilfsfristen – und damit teilweise deutlich zu lange Einsatzzeiten, die im Ernstfall Menschen das Leben kosten können.
Baden-Württemberg eine Ausnahme
Nahezu kurios mutet bei dieser Betrachtung an, dass Baden-Württemberg das einzige Bundesland ist, in dem 35 Rettungsdienstbereiche selbst verwaltet werden und die Krankenkassen in den Bereichsausschüssen ein entscheidendes, wenn nicht das entscheidende Wort mitreden. Dabei, so sagt ein Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Notärzte, gehöre das in staatliche Hand. Finanzielle Interessen dürften keine Rolle spielen.
Überleben je nach Wohnort
Am Beispiel des plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstands zeigt die Sendung, für die umfangreiches Datenmaterial erhoben wurde, ganz klar: Je nachdem, wo die Menschen wohnen, gibt es unterschiedliche Überlebenschancen. Die Fristen vom Eingehen des Notrufs bis zur Ankunft beim Patienten liegen bei acht bis 19 Minuten. Dabei sei eben jede Minute entscheidend.
In Baden-Württemberg wird die vorgegebene Hilfsfrist aktuell von 15 auf zwölf Minuten herunter gesetzt, dabei sind schon die 15 Minuten angesichts der Gegebenheiten vielerorts sportlich. Unter anderem wurde im Kreis Rottweil deshalb eine weitere Rettungswache in Marschalkenzimmern installiert.
Und dass es im Umland von Freiburg dauern kann, bis beispielsweise der Notarzt mit dem Hubschrauber einen verunfallten Radfahrer erreicht, das erlebt der Reporter des SWR selbst hautnah mit.
Török: Personal schnell desillusioniert
Doch zurück zur Michael Török. Er zeigt auf, warum Personal fehlt – und dass Rettungswagen mit unnötigen Einsätzen blockiert sind. Viele Bagatelleinsätze, so sagt der DRK-Betriebsratsvorsitzende im Interview, belasten die Rettungskräfte enorm.
„Wir haben hier Leute, die kommen, die sind top ausgebildet und wollen Leben retten. Und dann sind sie ganz schnell desillusioniert. „ Denn in sehr vielen Fälle gehe es gar nicht darum – der Rettungsdienst werde vielmehr oft wegen eher harmloser Dinge gerufen, eine genauere Kategorisierung , die dies vermeiden könnte, gibt es nicht. „Wenn angerufen wird, dann wird halt der Rettungsdienst geschickt.“ Das Problem sei freilich nicht spezifisch im Kreis Rottweil. „Das haben alle.“
Hausnotruf blockiert Retter
Und dann noch das: Während man die Versorgung ohnehin kaum abdecken kann, seien die Rettungsfahrzeuge samt Personal durch Einsätze über den so genannten Hausnotruf blockiert. Eine Dienstleistung, die das DRK an die Kunden, die Nutzer „verkauft“.
Besonders problematisch: Bei Aktivalarmen ohne Sprechkontakt über den Hausnotruf handle es sich „zu 99 Prozent um Fehlalarme“, ärgert sich Török. Dann sei eben jemand, der beispielsweise den Alarm an Handgelenk trägt, an den Knopf gekommen. Und die Retter fahren viele Kilometer weit – für nichts. „Es kann nicht sein, dass für diese Dienstleistungen RTW rausfahren“, sagt Török klar.
Marc Groß vom DRK-Landesverband ist diese Problematik, wie er vor der SWR-Kamera sagt, nicht bekannt. „Wir gucken uns das an“, meint er.
Rettungsdienst kommt oft zu spät
Das Fazit der Sendung ist klar: Der Rettungsdienst im Südwesten komme oft zu spät, die Probleme sind vielschichtig. Weiter im Norden, das zeigt die Kartengrafik, gibt es viel mehr „grüne“ Flächen, das heißt: kürzere Hilfsfristen, bessere Strukturen.
Details zu den einzelnen Auswertungen der einzelnen Landkreise gibt es auf der Seite des SWR unter dem Stichwort Notfallrettung.
Die Sendungen zum Thema sind kurze Zeit nach der Ausstrahlung in der SWR-Mediathek abrufbar.