Italien und seine Bären – eine schwierige Beziehung Foto: imago// D Amicis

In aller Heimlichkeit und Eile hat die Lokalregierung von Trentino den „Problembären“ M90 abschießen lassen. Tierschützer wollen sich das nicht bieten lassen.

Es sei „schändlich“, „grausam“, „entsetzlich“, „beispiellos“. Die Empörung war riesig, als am Dienstag durchsickerte, dass der Präsident des Trentino, Maurizio Fugatti von der rechten Lega-Partei, für M90 einen Abschussbefehl erlassen hatte und dass dieser von der Forstpolizei umgehend umgesetzt wurde. Für die Beamten war es nicht schwierig gewesen, das Tier aufzuspüren: Der „Problembär“ trug seit dem vergangenen Herbst ein Halsband mit Funksender.

 

Tierschützer vermuten hinter der „Blitztötung“ eine taktische Entscheidung

„Der Zeitpunkt des Erlasses und der Ausführung lässt uns vermuten, dass die Gewehre bereits rauchten, während der Erlass unterzeichnet wurde“, argwöhnte die Tierschutzorganisation LAV. Mit der „Blitztötung“ habe die Provinzregierung verhindern wollen, dass Umweltschützer gegen den Abschussbefehl juristisch vorgehen konnten, vermutete auch der WWF.

Einen Tag vor dem Abschuss des dreijährigen Bären hatte das nationale Amt für Umweltschutz und Umweltforschung (Ispra) – das normalerweise sehr zurückhaltend ist bei der Genehmigung von Abschussbefehlen – der „Eliminierung“ von M90 zugestimmt. Es handle sich um einen Bären, der kaum Scheu vor Menschen zeige und deshalb gefährlich sei. Das Tier müsse „so schnell wie möglich entfernt werden“, schrieb das Ispra.

Provinz-Präsident Fugatti blies nach der Tötung ins gleiche Horn: Der Bär sei mehrfach Menschen gefolgt, zuletzt am 28. Januar, als er einem Paar von Wanderern auf einer Strecke von mehr als einem halben Kilometer gefolgt sei. Laut der Römer Zeitung „La Repubblica“ hatte sich der Bär den Wanderern bis auf etwa zehn Meter genähert, bevor er wieder im Wald verschwand. Oft wurde Sonny, wie der Bär genannt wurde, auch beim Plündern von Müllcontainern beobachtet.

Im gleichen Tal hatte letztes Jahr eine Bärin einen Jogger getötet

Der Bär wurde in der Nähe von Mezzana im Val di Sole erlegt – im gleichen Tal also, in welchem im vergangenen April ein Jogger von der Bärin JJ4 (auch Gaia genannt) angefallen und getötet worden war. Auch Gaia sollte nach dem Willen von Fugatti umgehend abgeschossen werden. Doch in jenem Fall kam es zu einem langwierigen Rechtsstreit, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Die Bärin, die nach der Tötung des Joggers eingefangen worden war, wartet im Freigehege von Casteller im Trentino immer noch auf den endgültigen Entscheid eines Richters, ob sie – wie es die Tierschützer für sie organisiert haben – in einen großen Naturpark in Rumänien verlegt werden und dort den Rest ihres Lebens verbringen darf. Im Fall von Sonny hat Fugatti vollendete Tatsachen geschaffen. Der Lega-Mann ist ein rotes Tuch für alle Tierschützer und Naturliebhaber in Italien, aber in seiner Provinz genießt er Rückhalt: Im vergangenen Oktober ist er von den Wählerinnen und Wählern des Trentino im Amt als Präsident bestätigt worden.

Die Tierschützer wollen sich mit der „illegalen Exekution“ von M90 nicht abfinden und haben angekündigt, den Provinzpräsidenten zu verklagen. „Was Fugatti getan hat, ist kurzsichtig und arrogant, eine ganz dunkle Seite in der Geschichte des Trentino“, erklärte die Abgeordnete Michela Vittoria Brambilla von der Berlusconi-Partei Forza Italia. Auch der italienische Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin, ebenfalls Mitglied der Forza Italia, äußerte Zweifel daran, ob der Abschuss von M90 wirklich gerechtfertigt gewesen sei.

Härtere Strafen für Vergehen gegen das Tierwohl geplant

Brambilla, die sich im Parlament in Rom seit über zehn Jahren für mehr Tierschutz und Tierrechte starkmacht, hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, der eine massive Verschärfung der Sanktionen für Vergehen gegen das Tierwohl vorsieht. Die Strafe für die Tötung von geschützten Wildtieren – also die Anklage, die Fugatti theoretisch droht – soll von bisher zwei auf sechs Jahre Haft erhöht werden.

Auch Nutz- und Haustiere sollen besser vor Qualen geschützt werden; das Aussetzen von Hunden und Katzen zum Beispiel soll in Zukunft mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Vorgesehen sind auch drastische Bußgelder in der Höhe von bis zu 30 000 Euro. Die Abgeordnetenkammer wird am 19. Februar mit der Diskussion der Vorlage beginnen. Zu den Erstunterzeichnern des neuen Gesetzes zählen Politikerinnen und Politiker aus allen Parteien – außer der Lega.