Trotz des Kriegs in der Ukraine wollen die Narren im Südwesten weiter Fastnacht feiern. Foto: Sebastian Gollnow/dpa, Emilio Morenatti/AP/dpa

Im Südwesten hat die traditionelle Hochphase der Fastnacht begonnen. Doch der brutale russische Angriffskrieg auf die Ukraine legt einen düsteren Schatten über das närrische Treiben. Geht Fastnacht da überhaupt noch? Zwei Meinungen

Oberndorf - In der Ukraine herrscht Krieg: Russische Panzer sind auf dem Vormarsch, Menschen fliehen in Todesangst – und im Südwesten hat die Hochphase der Fastnacht begonnen. Nach zwei Jahren Pandemie haben sich hier viele auf Normalität in närrischer Zeit gefreut. In vielen Orten wurden Vorbereitungen getroffen, um die Fastnacht zu feiern. Doch dann kam der Paukenschlag aus dem Osten. Darf man, soll man unter solchen Umständen überhaupt Fastnacht feiern? Die Reaktionen sind verschieden. Während in der Karnevalshochburg Köln vieles abgeblasen wird, hält Rottweil am Narrensprung fest: Putin zum Trotz. Auch in unserer Redaktion gehen die Meinungen auseinander. Dazu zwei Meinungen:

Pro: Von Julia Göpfert

Nein, ein Grund zum Fröhlichsein und Lachen war der Kriegsbeginn am Donnerstag in der Ukraine wirklich nicht, "Schmotziger Dunschtig" hin oder her. Und die Gefühle bei den wenigen Fastnachtsveranstaltungen waren zu Recht bei den Akteuren gemischt. Aber dennoch wäre es der falsche Weg, die Fastnacht komplett zu verbieten. Denn Lachen ist in diesen Zeiten wichtiger denn je und Tyrannen wie Putin haben es schon immer gefürchtet.

Warum? Weil es den Menschen ein Stück des lähmenden Entsetzens und der Angst nimmt, die auch viele Deutsche gerade empfinden. Es schenkt ein Stück Normalität und Zuversicht, etwas verändern und schwierige Zeiten bewältigen zu können. Und macht damit auch handlungsfähig. Überspitzt gesagt: Trotz Putin zu lachen, nimmt ihm ein Stück seiner Macht, seines Schreckens, in den er Europa gerade versetzt. Es zeigt, dass wir, der Rest von Europa und Amerika, uns trauen, ihm entgegenzutreten, so wie es die Nato und die Politiker europaweit mit Sanktionen gerade tun.

Und noch eines: Man unterschätzt die Fastnacht, wenn man sie nur als Zeit der Ausgelassenheit, des Schunkelns und des Fröhlich-Seins abtut. Seit jeher hat sie die wichtige Aufgabe, den Mächtigen durch Lachen und Narretei den Spiegel vorzuhalten – eine Aufgabe, die die Zünfte in ihren Veranstaltungen nun wahrnehmen müssen. Denn jetzt, da unsere Politiker klug handeln müssen, um vielleicht auch einen Krieg hier bei uns zu verhindern, haben sie dieses "Spiegelbild" nötiger denn je.

"Wir alle könnten ein paar Lacher vertragen. Und ich habe da so ’ne Ahnung, dass wir sie bald mehr als sonst brauchen werden", heißt es in einem Werk der jüngeren europäischen Literatur, als dort ein Tyrann an Macht gewinnt. Diesen Ratschlag sollten wir beherzigen.

Contra: Von Christina Schulz

Das Bedürfnis nach unbeschwertem Feiern ist verständlich, vor allem in Zeiten langer Entbehrungen durch Corona. Aber: Ist es wirklich vertretbar, für alle Welt sichtbar Ausgelassenheit zur Schau zu tragen, während wenige Flugstunden von uns entfernt ein Krieg herrscht, wie wir ihn seit über 75 Jahren nicht gesehen haben?

Angesichts sterbender Menschen und einer verletzten europäischen Friedensordnung auf Party und Fastnacht zu bestehen und ohne Rücksicht auf Verluste zu feiern, das muss man fertigbringen. Vielleicht ist diese Feierstimmung nur durch eine Haltung des Ausblendens möglich. Fastnacht ist ja schließlich nur einmal im Jahr. Eine solche Haltung lässt aber nicht nur ein gerüttelt Maß an Empathie und Solidarität vermissen. Eine solche Haltung kann sich derzeit schlichtweg niemand leisten. Am allerwenigsten die Menschen in der Ukraine, die aktuell um ihr Land, ihre Lieben und ihr eigenes Leben fürchten müssen. Aber eben auch wir in Deutschland müssen uns bewusst machen, dass dieser Krieg unser Europa, wie wir es bisher kannten, für immer verändern wird. Die Ausmaße sind bislang noch nicht absehbar, aber die Folgen werden weitreichend sein und wahrscheinlich jeden von uns betreffen. Davor können wir nicht die Augen verschließen, Fastnacht hin oder her.

Klar macht Verzicht und Zurückhaltung nicht immer Spaß. Waschechten Narren würde ein Verzicht auf die Fastnacht sicher sehr wehtun. Aber es wäre eine Geste der Solidarität mit all denjenigen, die momentan noch viel Schlimmeres durchmachen müssen. Wir sehen Hunderttausende Menschen, die vor Gewalt und Zerstörung fliehen, Ukrainer, die sich bewaffnen müssen, Familien die auseinandergerissen und traumatisiert werden. Ein Verzicht auf die Fastnacht wäre hier ein vergleichsweise geringer.