Alles dreht sich bei „Wow?!“ um einen mysteriösen Riss. Foto:  

Das Junge Ensemble Stuttgart spielt mit neuer Ausstattung, neuen Mitgliedern – und setzt sich in seinem Stück „Wow?!“ mit dem Neuen an sich auseinander.

Manchmal tut sich ein Riss auf, und nichts ist mehr, wie es mal war. Das ist die Prämisse der Stückentwicklung, die das Jes, das Junge Ensemble Stuttgart, am Samstagabend präsentiert. Der Riss ist dabei wörtlich zu verstehen: Er spaltet die Bühne. Philipp Nicolai (auch Kostüme) gestaltete sie, schlicht und aufwändig zugleich: Bodenplatten wölben sich, geben den Blick frei auf ein Dunkel, dessen Tiefe ungewiss ist. Auch an der Wand hinauf kriecht dieser Riss. Licht dringt durch ihn, ein Mysterium.

 

Möglich wird die Bühnengestaltung durch eine neue Errungenschaft des Jes: Das junge Ensemble verfügt über eine flexible Tribüne, mit der sich der Raum gestalten lässt. Bei „Wow?!“ – so heißt das neue Stück – schließt die Tribüne die Bühne v-förmig ein, folgt der Form des Risses. Die Zuschauer sitzen zu seinen Seiten, die Schauspielerinnen und Schauspieler springen über ihn hinweg oder hängen über ihm.

Der Riss ist Risiko und Chance zugleich. Er ist das Neue, die Durchbrechung des Gewohnten. War er schon länger da? Hatte man ihn übersehen? Sechs Menschen, sehr unterschiedlich in Sprache, Kleidung, Bewegungen, betreten nacheinander die Bühne, entdecken den Riss, den Raum. „Wow?!“ ist das erste, was sie sagen. Eine singt es. Schreit es. Ein Echo antwortet. „Es ist ganz schön tief!“, sagt einer. Einer steht verdutzt vor dem Riss. Ein anderer ignoriert ihn, schreitet über ihn hinweg, geht mit immer größeren Schritten: „Welcher Riss? Es gibt hier keinen Riss.“ Eine andere ist vom Riss begeistert, verschwindet gleich in ihm, kehrt später wieder. Einer will ihn wieder schließen, möchte, dass alles wieder so sei, wie es war, zerrt mit Händen an den Kanten, nichts geschieht.

„Wow?!“ ist ein Stück, bei dem Körpersprache, Mimik, Bewegung im Mittelpunkt stehen. Gesagt wird nicht viel, Neugier, Unsicherheit, Überraschung, Mut, Angst werden auf andere Weise ausgedrückt. Carmen Smickergills Musik gibt der Szene einen humorvollen, leichten Ton, lässt aber auch Dunkelheit zu. Julia Berger, Adriana Fernandez Falso, Gerd Ritter, Yoka Santana, Maximilian Schaible und Charlie Wyrsch spielen, Fernandez Falso und Wyrsch als neue Mitglieder des Jes-Ensembles. Josie Dale-Jones erdachte die Situation und führte Regie.

Zwei Seile hängen von der Decke, über dem Riss – Julia Berger und Yoka Santana haben eine luftakrobatische Choreografie einstudiert, schwingen, schweben über ihn hinweg, fangen sich auf. Und alle Mitglieder des Ensembles springen über den Riss, tasten sich an ihn heran, kriechen, schrecken zurück, nehmen noch mal Anlauf – und sind verschwunden, durch den Riss gegangen, kehren wieder, zum Applaus. „Wow?!“ ist ein Stück, das Mut macht auf unkonventionelle Weise, das vor allem aber spannend unterhält, mit Witz, und staunen lässt.