Florian Hempel steht bei der Darts-WM in London in der dritten Runde. Foto: imago/Pro Sports Images/Ian Stephen

Florian Hempel ist ehemaliger Zweitligatorwart im Handball – und macht bei seiner ersten Darts-WM in London Furore. So beeindruckt das Greenhorn aus Köln beim Sieg über die Nummer fünf der Welt mit seiner Kaltschnäuzigkeit.

London/Stuttgart - Er stammt ursprünglich aus Sachsen-Anhalt, spielte für den Dessau-Roßlauer HV als Torhüter in der Zweiten Handball-Bundesliga – doch das graue Trikot des Dartsprofis Florian Hempel zeigt bei der WM im legendären Londoner Alexandra Palace dieser Tage die Silhouette des Doms seiner Wahlheimat Köln. „Mit dieser sportbegeisterten Stadt kann ich mich sehr gut identifizieren“, sagt Hempel, dessen Einlaufmusik passend dazu der Titel „Kölsche Jung“ der Gruppe Brings ist.

Am späten Dienstagabend nun ließ Hempel einen sportlich ziemlich jecken Tusch folgen. Denn da gelang dem 1,96-Meter-Mann am Oche des Ally Pally, dem Mekka des Dartssport, gleich bei seiner ersten WM nicht weniger als die Sensation. Das Greenhorn aus dem Rheinland besiegte in der zweiten Runde des Turniers die Nummer fünf der Welt, den Belgier Dimitri van den Bergh, mit 3:1. Jenen Blondschopf also, der vorab zum Kreis der Geheimfavoriten auf den WM-Titelgewinn gezählt hatte. „Ich habe einen der besten Spieler der Welt geschlagen. Das ist mein erstes Jahr, das ist der Wahnsinn – das glaubt mir kein Mensch“, sagte der begeisterte Florian Hempel hinterher – und hatte Probleme damit, seinen Erfolgscoup selbst zu begreifen.

Hohe Quote beim Auschecken

Doch es ist wahr: Der Deutsche steht nun in der dritten Runde der WM von London, wo er gegen den Australier Raymond Smith in seinem nächsten Duell am 27. Dezember (16 Uhr, Sport 1 und DAZN) durchaus Chancen aufs Achtelfinale besitzt. Dies liegt ein wenig daran, dass der 42-jährige Smith seinerseits kein Hochkaräter im WM-Feld ist, aber vor allem liegt es an der Spielstärke Hempels: So war der 31-Jährige beim Sieg gegen van den Bergh mit einem beeindruckenden Killerinstinkt in den entscheidenden Momenten fast immer zur Stelle. Dies unterstreicht etwa seine überragende Check-out-Quote von 75 Prozent auf das nur acht Millimeter breite Doppelfeld. Neun von zwölf finalen Würfen Hempels fanden gegen den Belgier ihr Ziel.

Leichte Gegner gibt es nicht

„Wir sind bei einer Weltmeisterschaft, hier gibt es keine Freilose mehr. Die Jungs können alle Darts spielen. Am Ende wird wie immer die Tagesform entscheiden“, sagt Florian Hempel, der erst seit Februar als einer von 128 Spielern im Besitz des Tour-Tickets ist, welches ihm erlaubt, nun durchgehend im Kreis der Großen rund um den amtierenden Champion und Ex-Rugbyspieler Gerwyn Price oder den kahlköpfigen Topstar Michael van Gerwen aufzuspielen.

„Das Ally Pally und ich, wir passen sehr gut zueinander. Ich hoffe, dieses Gefühl bleibt lange erhalten“, sagt Florian Hempel, der in der Profiszene noch keinen Spitznamen trägt und der ein eher zurückhaltender Charakter ist, was in der Welt der „Mighty Mikes“ (van Gerwen), von „The Power“ (der 2018 zurückgetretene Rekordweltmeister Phil Taylor), von „Jackpot“ Adrian Lewis oder „Snakebite“ Peter Wright eher selten vorkommt.

Erstes Ausrufezeichen gegen Peter Wright

Auch gegen den Schotten Wright hatte der Tour-Novize Hempel bereits ein Ausrufezeichen gesetzt, als er den Weltmeister von 2020 und Weltranglisten-Zweiten kürzlich bei der EM in Salzburg besiegte.

„Ich probiere, auch bei Turnieren mehr gegen das Board, also mich selbst, als gegen meinen Gegner anzutreten“, sagt der ehemalige Fitnesstrainer und Ernährungsberater, der erst seit fünf Jahren Darts spielt. 2016 warf Hempel im Kölner Cue Club seine ersten Pfeile bei einem offiziellen Turnier. Das Preisgeld betrug damals fünf Euro. Hempel gewann das Turnier. Inzwischen hat es der 31-Jährige in seinem ersten Jahr auf der Profitour auf 57 000 Euro an Preisgeld gebracht – Tendenz steigend. Denn allein der Erfolg über van den Bergh brachte dem Kölner jetzt umgerechnet 25 600 Euro ein.

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Mit seinem Zweitrundensieg von London wird Hempel nun an Max Hopp, den „Maximiser“, auf Rang 45 der Weltrangliste vorbeiziehen. Nationaler Primus bleibt aber sein Freund Gabriel „The German Giant“ Clement. In der aufstrebenden deutschen Dartsszene – bei Hempels Sieg über van den Bergh schauten in der Spitze bei Sport 1 bis zu 1,1 Millionen Fans am Fernsehgerät zu – hat Hopp sein Buch „Von 0 auf 180 – eine Dartskarriere in Deutschland“ auf den Markt gebracht. Schade nur, dass sich der 25-Jährige aus dem Taunus in diesem Jahr nicht für die WM qualifizieren konnte. Dies hat ihm auch Spott eingebracht.

Für Florian Hempel geht der London-Trip derweil in die Verlängerung. Weil die britische Insel dank Omikron inzwischen als Virusvariantengebiet gilt, müssen die Profis über Weihnachten im Spielerhotel bleiben. „Ich werde mich auf mein nächstes Spiel vorbereiten“, sagt Hempel, der von seiner Partnerin im Ally Pally unterstützt wird: „Ich habe keine großen Pläne, aber es wird ein großartiges Weihnachtsfest.“