Brigitte Fassbaender 1985 in ihrer Paraderolle als Octavian in San Francisco. Foto: Redferns

An diesem Sonntag wird Brigitte Fassbaender (73) in der Stuttgarter Oper mit der Hugo-Wolf-Medaille der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart ausgezeichnet.

An diesem Sonntag wird Brigitte Fassbaender (73) in der Stuttgarter Oper mit der Hugo-Wolf-Medaille der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart ausgezeichnet.

Frau Fassbaender, lieben Sie Wolf?
O ja! Neben Franz Schubert ist Hugo Wolf im Liedbereich die ganz große Liebe meines Lebens. Wolf ist einer der intelligentesten Melodiker im Lied und hatte bei der Auswahl der Gedichte ein großes Gespür für literarische Qualität.

Haben Sie ein Hugo-Wolf-Lieblingslied?
Ach, das ist schwierig . . . Ganz pauschal kann ich sagen, dass mir Wolfs Mörike-Lieder sehr nahe sind. Auch „Um Mitternacht“, „Der Genesene an die Hoffnung“, dann die „Peregrina“-Lieder – und eigentlich könnte ich jetzt noch ganz viele weitere nennen.

Sie haben schon zahllose Preise erhalten. Was bedeutet es Ihnen, wenn am Sonntag außerdem die Hugo-Wolf-Medaille hinzukommt?
Vor zwei Jahren durfte ich die Laudatio für Peter Schreier halten, und ich bin sehr stolz, dass ich jetzt selbst hier geehrt werde. Die Stuttgarter Hugo-Wolf-Akademie gehört zu den letzten Oasen des Liedgesangs.

Wie kommt das Lied aus seiner Nische heraus?
Gar nicht, und das ist gar nicht schlimm. Das Publikum für das Lied war immer klein und elitär. Das hat sich heute nur verstärkt: Das Publikum bringt für das Lied nicht mehr genug Geduld und Konzentration mit.

Olaf Bär wird am Sonntag die Laudatio halten.
Ein lieber alter Kollege! Ich bin gespannt, was er zu sagen hat.

Christoph Prégardien und Wolfram Rieger gestalten das Konzertprogramm. Was verbindet Sie mit den beiden?
Prégardien schätze ich sehr, ich habe ihn schon mehrfach zu meinem eigenen Liedfestival in Südtirol eingeladen. Und Wolfram Rieger studierte an der Münchner Musikhochschule, als ich dort eine Gesangsprofessur hatte. Er korrepetierte in meiner Klasse, und weil seine Begabung damals schon spürbar war, habe ich ihn gefragt, ob er mal einen Liederabend von mir begleiten möchte. So ging das bei ihm los. Ich habe ihn also quasi als Liedbegleiter entdeckt. Dann hat er mich lange Jahre begleitet.

„Die Oper profitiert unendlich vom Lied“

Was macht einen guten Klavierbegleiter aus?
Ich wollte immer, dass meine Begleiter starke Persönlichkeiten waren, die sich nicht unterordnen, die Fantasie haben und Einfluss auf die Musik nehmen. Ein Begleiter muss ein Katalysator sein und ein ruhender Pol. Außerdem muss er den Sänger auffangen – einschließlich all seiner Nervosität.

Welche Qualitäten braucht ein Sänger beim Lied, die er in der Oper nicht benötigt?
Ich würde das eher anders betrachten. Die Oper profitiert unendlich vom Lied. Die Arbeit am Lied ist eine besonders disziplinierte, subtile und kultivierte. Hier muss der Sänger sein Handwerk sehr gut beherrschen, um all das aussagen zu können, was das Lied beinhaltet. Diese Qualitäten sind in der Oper natürlich auch angebracht, aber Routine und Schlamperei fallen in der Oper nicht so stark auf wie im Lied.

Profitiert umgekehrt auch das Lied vom Operngesang?
Nein. Selbst hervorragende, extrovertierte Menschengestalter sind nicht zwangsläufig gute Liedsänger. In der Oper verkörpert man immer eine Rolle, und der Orchestergraben schafft eine große Distanz zwischen Sänger und Publikum. Außerdem hat man auf der Bühne alles um sich: Kollegen, Licht, Maske, Kostüm. Da ist man nie so ausgeliefert wie im Konzertsaal. Liedkonzerte sind intime Dialoge. Da muss man bereit sein, die Zuhörer in die eigene Seele schauen zu lassen.

Haben Sie wegen Ihrer Stimme sehr diszipliniert gelebt?
Ach, das ergibt sich. Je älter man wird, desto disziplinierter muss man leben (lacht). Ich habe versucht, so normal zu leben wie irgend möglich. Aber Singen ist Hochleistungssport, und dafür muss man sich fit halten.

Hat sich im Opernbetrieb viel geändert?
Ja, das Tempo ist hektischer geworden und der Sänger noch austauschbarer. Außerdem gibt es heute kaum mehr Leute in Führungspositionen, die wirklich etwas von Stimmen verstehen. Die also auch wissen, wie eine Stimme reifen muss, damit sie den großen Aufgaben gewachsen ist. Heute wird oft nur nach Typ besetzt, man muss ausschauen wie ein Model, um auf der Bühne gefragt zu sein, und immer jünger muss man auch sein.

Gibt es genug guten deutschen Sänger-Nachwuchs?
Ich kann darüber nicht klagen. Die andere Frage ist, ob das Niveau der Ausbildung hier hoch genug ist, und diese Frage kann ich manchmal nicht bejahen.

„Man muss als Mezzo halt nur schauen, dass man in all die Hosen auch wirklich reinpasst“


Warum hat die Konkurrenz aus Fernost ein so hohes Niveau?
Weil es dort eine extrem gute Früherziehung gibt. Die Koreaner sind die großen italienischen Sänger von heute.

Sie haben als Mezzosopranistin viele Hosenrollen gesungen. Haben Sie diesen Geschlechterwechsel eigentlich gemocht?
Ach, gemocht . . . Der Octavian im „Rosenkavalier“, meine Leib- und Magenrolle, war auch einfach schauspielerisch sehr dankbar, und sängerisch ist Strauss sowieso herrlich. Bei Mozart gibt es auch wunderbare Hosenrollen, aber ich habe auch Verdi gesungen, Massenet und Wagner. Das hat sich die Waage gehalten. Man muss als Mezzo halt nur schauen, dass man in all die Hosen auch wirklich reinpasst (lacht).

Was macht eine Sängerin als Regisseurin anders?
Nichts.

Nehmen Sie nicht doch mehr Rücksicht auf die Sänger?
Ich verstehe, wenn Sänger zwischendurch eine gewisse Regeneration brauchen. Sänger sind sehr geerdet, sie sind nicht wie Schauspieler, die von morgens bis nachts nichts anderes tun und denken als ihre Rolle. Sänger wollen zwischendurch auftauchen aus ihrer Aufgabe. Außerdem weiß ich, was der Atem auf der Bühne bedeutet. Aber bei der Konzeption spielt meine Sänger-Vergangenheit keine Rolle. Ich will nicht, dass Sänger nur herumstehen und schön singen.

Nicht viele Sänger wechseln ins Regiefach.
Das liegt auch daran, dass die Kritik mit Inszenierungen so unbarmherzig umgeht. Regie ist offensichtlich ein Feld, bei dem jeder denkt, er kann es auch. Die meisten Inszenierungen werden unglaublich zerpflückt. Das halten Sänger, die gute Kritiken gewohnt sind, einfach nicht durch.

Wie haben Sie das dann geschafft?
Ich lese keine Kritiken. Oder nur wenige.

Was sollte aus Ihrer Sicht das Ziel einer Inszenierung sein?
Wenn das Publikum zum Nachdenken angeregt wird und die Fantasie und Leidenschaft für das geweckt wird, was auf der Bühne geschieht, dann erübrigt sich die Frage, ob das nun modern ist oder altmodisch. Wir arbeiten nicht für das Feuilleton, sondern immer vor allem für das Publikum. Das Haus muss voll sein. Wir müssen immer wieder die Dinge so zur Diskussion stellen, dass das Publikum in der Lage ist mitzugehen.

Sonntag, 17. März, 11 Uhr, Oper Stuttgart. Es gibt Restkarten unter 07 11 / 20 20 90 und an der Tageskasse.