Über den Preis freuen sich (von links): Günther-Martin Pauli, Jasmin Hertwig, Ermilio Verrengia, Andrea Hildwein, Walter Baumann und Andreas Löffler. Foto: sb/Gert Ungureanu

Das Mehrgenerationenhaus des gemeinnützigen Vereins „Erlebnisreich wohnen“ auf der Balinger Spitalwiese ist mit dem Deutschen Bauherrenpreis 2022 ausgezeichnet worden.

Am Anfang stand der Wunsch, als Nachbarschaft zusammen zu wohnen, nie mehr einsam zu sein: Gemeinschaftlich wohnen, leben, gärtnern, arbeiten – und für einander sorgen. Sieben Jahre hat es gedauert, bis die Idee des Balinger Generationennetzes in die Tat umgesetzt war. Jetzt wurde das Projekt Architekten aus dem Kreis vorgestellt.

Seit zwei Jahren sind die 28 Wohnungen in dem dreigeschossigen Holzbau bewohnt. 1800 Quadratmeter Wohnfläche, weitere 540 Quadratmeter Gemeinschaftsflächen. Einzelpersonen leben dort, Paare, alleinerziehende Mütter, Familien mit Kindern. Manche von ihnen sind Miteigentümer, andere Mieter. Auch zwei Sozialwohnungen gibt es.

Keine Berührungsängste

Berührungsängste kennt man nicht: „Ein Ägypter wohnt hier“, sagt Walter Baumann, „und eine afrikanische Familie. Demnächst zieht ein türkischer Kinderarzt ein.“ Zusammen mit Andrea Hildwein war er der „Motor“ des Projekts. Das Gelände der ehemaligen Stadtgärtnerei bot sich für den erdbebensicheren hölzernen Pfahlbau an.

Die Scheune der Gärtnerei kaufte der Verein der Stadt ab und baut sie in Eigenleistung zur Kulturscheune um. Daneben gibt es ein kleines Backhaus. Im Gemeinschaftsgarten wachsen Obst und Gemüse für den Eigenbedarf. Ein ein kleiner Biergarten mit Lounge soll noch dazukommen.

Platz für Gemeinschaft

Die drei Baukörper, zwischen denen ein geräumiges Atrium liegt, sind technisch auf neuestem Stand: Zwei Wärmepumpen sorgen für Heizung und Warmwasser. Eine Photovoltaikanlage liefert liefert 90 000 Kilowattstunden Strom im Jahr, für den Eigenbedarf und zum Aufladen der Elektro-Autos in der Tiefgarage.

Gemeinschaftsbereiche, in denen man Kaffee oder ein Glas Wein trinken kann, gibt es genügend: „Wer will“, sagt Baumann, „setzt sich einfach dazu.“ Im Untergeschoss sind neben der Tiefgarage eine Sauna, ein Fitness-Raum, ein Jugendraum mit Tischkicker und für Heimwerker eine gut sortierte Werkstatt. „Wer seine Ruhe haben will, macht die Tür zu und ist für sich.“

Jeder hilft mit

Putz-, Koch- und Winterdienst, sogar die Verwaltungsarbeiten werden zwischen den Bewohnern aufgeteilt: „Jeder hilft mit und wir sparen durch Selbstverwaltung die Nebenkosten.“

Wer hier einzieht, darüber entscheiden Eigentümer und Mieter gemeinsam. Es gibt keine Kündigung wegen Eigenbedarfs, denn niemand besitzt eine Wohnung. Man besitzt, wenn überhaupt, nur einen Anteil an dem Gesamtprojekt.

Einer von zwei Hauptpreisen

Das Konzept hat den Juroren aus Städtetag und Architektenkammer bei der Vergabe des wohl wichtigsten Preises im Bereich Wohnungsbau so gut gefallen, dass das „erlebnisreiche Wohnen“ einen der beiden Hauptpreise absahnte. Die Plakette, die das bezeugt, wird demnächst außen am Gebäude angebracht.

Ein „Beispiel dafür, wie Zusammenleben in Zukunft aussehen kann“, kommentiert Landrat Günther-Martin Pauli. Bürgermeister Ermilio Verrengia erklärt: „Wir sind stolz, Sie hier zu haben. Sie haben uns gezeigt, wie Gemeinschaft in Zukunft aussehen sollte.“