Birgit Hakenjos vertritt als Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg die Interessen von über 30.000 Betrieben.
Birgit Hakenjos (59) war über 20 Jahre lang Geschäftsführerin des Präzisionswerkzeuge-Herstellers HAKOS in VS-Schwenningen.
2024 veräußerte sie das väterliche Unternehmen und gründete HaCou, eine auf die Unterstützung von mittelständischen Betrieben auf der Suche nach einer Nachfolge spezialisierte Unternehmensberatung.
Im April 2018 wurde Birgit Hakenjos zur IHK-Präsidentin gewählt. In diesem Ehrenamt vertritt sie mit der „Stimme des Mittelstandes“ die Interessen von über 30 000 Betrieben. Dass sie nach fast 160 Jahren die erste Frau in dieser Position ist, betont sie nicht, weiß als erfolgreiche Unternehmerin aber, dass weibliche Führungskräfte in der Industrie immer noch selten sind.
Anteil der Frauen in Verantwortung „ganz okay“
Den Anteil an Frauen in Verantwortung in kleinen und mittelständischen Unternehmen unter ihrer präsidialen Obhut empfindet sie als »ganz okay«, erkennt aber insgesamt den Nachholbedarf. »Ich bin eigentlich gegen eine Frauenquote«, sagt sie, kann aber nachvollziehen, dass eine solche bei der Besetzung von Spitzenpositionen gefordert wird. Zurückhaltung komme aber oft auch von den Frauen selbst, weiß sie.
Die Herausforderung an ein Zeitmanagement, das Beruf und Familie umspannt, sei enorm und eine Kinderbetreuung schwer zu bekommen. Die Mutter eines erwachsenen Sohnes weiß, wovon sie spricht.
Ihr eigener Werdegang zeigt, wie es geht. Sie ist in Schwenningen geboren und verbrachte in ihrer Kindheit gemeinsam mit ihrer Schwester Andrea viel Zeit im »Capitol«, das damals von ihren Großeltern Frieda und Willi Grözinger betriebene Kino in der Alleenstraße.
Sehr gerne erinnert sie sich an die Kinderfilme, an die kleinen Jobs als Süßigkeitenverkäuferin und Kartenabreißerin und an ihren Opa, der jede Vorstellung am Klavier eröffnete. Ihr Erbe wandelten die Schwestern 2005 von einem Kino in eine Kleinkunstbühne um, die bis heute erfolgreich betrieben wird. Heute lebt Birgit Hakenjos mit ihrem Partner in VS-Schwenningen und werde, wie sie strahlend erzählt, im Juli zum ersten Mal Oma.
Eine von vier Schülerinnen an der Feintechnikschule
Ab 1981 besuchte Birgit Hakenjos die Feintechnikschule für eine Ausbildung zur Feinwerkmechanikerin samt Fachhochschulreife. »Ich war damals eine von nur vier Schülerinnen an der ganzen Schule«, erzählt sie.
Danach hätte sie gerne Maschinenbau studiert. »Doch mein Vater wollte keine Akademikerin in der Familie«. Er drohte damit, sonst den großväterlichen Werkzeugmacherbetrieb Andreas Hakenjos & Söhne zu verkaufen. »Also stieg ich ein und arbeitete mich nach oben«, erinnert sie sich. Sie absolvierte zusätzlich eine Lehre zur Industriekauffrau und übernahm 2002 das Unternehmen.
Davor erfüllte sie sich einen langgehegten Traum: Auslandserfahrungen sammeln. 1996 verbrachte sie mit Stipendium drei Monate in Tokio, lernte Weltunternehmen kennen, kehrte mit zusätzlichem Know-how heim und entwickelte das Familienunternehmen weiter. So geriet sie als Kandidatin für die Nachfolge von IHK-Präsident Dieter Teufel in den Fokus.
Blick über den Tellerrand
Nach 12 Jahren im Beirat des regionalen Wirtschaftsverbundes industrieller Betriebe (WVIB), musste sie nicht lange überlegen, denn »der Blick über den Tellerrand ist mir schon immer wichtig gewesen«, sagt sie.
Eines ihrer Hauptanliegen ist die Aufwertung der Dualen Ausbildung und sie freut sich über die in der Region derzeit hohe Ausbildungsquote. Sie selbst ist das beste Beispiel dafür, dass eine Karriere auch ohne Studium möglich ist. »Ich bereue es aber dennoch, nicht studiert zu haben«, gibt sie freimütig zu.
Das Augenmerk liege aktuell allerdings auf der leidenden regionalen Wirtschaft mit einem hohen Anteil an Automobilzulieferern, sagt die Präsidentin. Die „Verbrenner“ seien das Rückgrat der Region und „solange noch kein grüner Strom aus der Steckdose kommt, ist es fahrlässig, nur auf die Elektromobilität zu setzen“. 47 Prozent der Betriebe investieren momentan nicht, zitiert sie eine Statistik. Verständlich, seien doch die Risiken groß.
Standortentwicklung als zentrales Thema
Nicht zuletzt liegt ihr die Standortentwicklung am Herzen. Sie wirbt dafür, dass die Region sowohl für Arbeitnehmerfamilien als auch für Gründer attraktiv bleibt und noch anziehender wird. Dazu wirbt sie bei der Politik für bessere Rahmenbedingungen, aber auch für „mehr Unternehmergeist. Die Standortqualität möchte sie nach außen getragen sehen: „Familien können sich das Wohnen und Leben bei uns noch leisten“, und sie können dabei gute Luft, Natur sowie Berge und Seen in der Nähe genießen. „In Sachen Standortmarketing ist noch Luft nach oben.“
An ihrem Ehrenamt als IHK-Präsidentin gefällt ihr besonders, dass sie etwas bewegen kann. »Wir sind bestens vernetzt«, sagt sie, schon mehrfach konnte sie persönlich mit hochrangigen Politikern sprechen. Dabei regte sie an, Studienabbrecher unmittelbar aufzufangen und auf die Alternative einer Ausbildung aufmerksam zu machen. »Und das wurde so auch durchgeführt«, sagt sie nicht ohne Stolz.
Kommunikation sei in Zeiten immer komplexer werdender Themen gefragter denn je. Besonders angesichts der nach der US-Wahl sich ändernden geopolitischen Ausrichtung. Ein exportabhängiges Deutschland brauche neue Strategien, müsse Handelsabkommen schließen und neue Märkte erschließen. „Wir schaffen das nur gemeinsam!“ Um gesamtwirtschaftlich Verantwortung zu übernehmen, ließ sie sich ins Präsidium der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) wählen.
Blick auf bisherige Amtszeit
Der Blick zurück auf ihre bisherige Amtszeit fällt unter anderem zurück auf den Neubau des IHK-Komplexes nahe dem Schwarzwald-Baar-Klinikum, das erstmals das Haus der Wirtschaft und die Akademie vereint. Trotz der Investition könne man den Mitgliedsunternehmen für 2025 erstmals eine Beitragsreduzierung gewähren. Wirtschaftlich gut gemeistert habe man auch die Pandemie.
Nach der Bundestagswahl wünscht sich die überzeugte Europäerin, seit fünf Jahren Mitglied des Brüsseler „Board Europe“ der DIHK, dass es eine zügige Regierungsbildung gibt. „Deutschland steht vor historischen Herausforderungen“, sagt sie. „Nach zwei Jahren mit sinkender Wirtschaftsleistung drohen auch 2025 Stagnation oder gar Rezession. Ein Kurswechsel ist nötig, die Blockade muss endlich gelöst werden. Das zeigen uns viele Rückmeldungen aus den Unternehmen. Die Politik darf keine Zeit verlieren. Sie muss jetzt zügig handeln.“