Die angekündigte Lesung von Hausachs Stadtschreiberin Romina Nikolić entwickelte sich anders als ursprünglich angekündigt. Im Dialog mit José F. A. Oliver nahm die Autorin anhand von Lesebeispielen Stellung zu aktuellen Themen.
José Oliver hatte im Vorfeld wegen der Osterferien sind und vieler Absagen befürchtet, dass man in ein Gasthaus würde ausweichen müssen. Letztendlich fand die Lesung mit der Stadtschreiberin Romina Nikolić doch im Rathaus statt. Allerdings entpuppte sich die Veranstaltung weniger als Lesung, sondern vielmehr als Gespräch zwischen Nikolić und Oliver, bei dem die Texte der Autorin eher eine Nebenrolle spielten.
So erfuhren die Zuhörer, dass Nikolić 2023 schon einmal in Hausach war und zwar im Rahmen des Leselenzes mit „Lyrik trifft auf Gospel“. Auf Olivers Frage, was sie an ihrem Arbeitsplatz, auf der thüringischen Kunst- und Kulturburg Ranis mache, antwortete Nikolić, sie sei dort auf der Burg der „José von Ranis“. Sie arbeite als Projektmanagerin und wie der Leselenz seien die Thüringer Literaturtage ebenfalls im 28. Jahr. Ranis sei ähnlich wie Hausach, zähle 3000 bis 4000 Einwohner. Sie lebe in Jena, ihr Heimatort sei Schönbrunn.
Einblicke in Leben und Schreiben der Autorin
Auf Olivers Wunsch hin las sie ihre Kolumne vom Freitag und das Publikum fand heraus, dass das dort erwähnte Dohlisch sich auf die Dohlen auf der Husener Burg bezieht, denen die Schriftstellerin gern zuhöre, weil deren vielseitiges Lautrepertoire wie eine Sprache klinge. Neben ihrer Kulturarbeit, die sie als Teil der Demokratieförderung versteht und die auch viel Spaß mache, arbeitet Nikolić als Übersetzerin. So hat sie zusammen mit dem österreichischen Michael Stavarič Sue Goyettes „Ocean“ übersetzt. Diese Gedichte, die der Prosa sehr nahe sind, kombinieren Mythen und Urban Legends. Wie sieht eine solche Zusammenarbeit aus? Nikolić erzählte, sie habe zunächst eine Grobübersetzung angefertigt und man habe dann die Texte hin- und hergeschickt, manchmal auch über sprachliche Unterschiede gestritten. In Zweifelsfällen habe man auch den Kontakt mit der Autorin gesucht, um Einzelheiten zu klären. Oliver ergänzte, dass das Wort übersetzen im Türkischen kein äquivalentes Wort kenne, und dass es stattdessen sich „in eine andere Kultur hineinsaugen“ heiße. Sowohl Stavarič als auch Nikolić seien von Goyettes Texten zu eigenen inspiriert worden.
Angelehnt an das Statement des Lyrikers Paul Böhmer, dass in einem Gedicht alles Platz habe, las Nikolić einen Text von 2014 mit dem Titel „Ein Gedicht, ein Lied, das sich aufspannt im Universum“, das sich mit dem Treiben auf einem Marktplatz beschäftigt und mit den „von Schuppenflechte befallenen Ellenbögen alter Frauen“, einem „Gedicht für die absurden Gespräche mit Fremden“.
Romina Nikolić fühlt sich wohl in Hausach
Auf die politische Situation im Osten Deutschlands angesprochen, zitierte Nikolić eine Autorin, die über Sachsen-Anhalt gesagt habe, es gebe „so viele Menschen mit kaputten Herzen und Köpfen“ dort, „sehr viel, was sich gesellschaftlich trennt“. Jena, Weimar und Erfurt seien Inseln, drumherum sei alles ins Blau der AfD getaucht. Auf die Frage, ob angesichts dieser Umstände das Schreiben politischer geworden sei, meinte Nikolić, „es ist nötig, man muss sich äußern, wenn man das Talent dazu hat“. Sie fühle sich sehr wohl in Hausach, sagte Nikolić auf die Frage, was das Stipendium, das sich dem Ende zu neige, für sie bedeute. Das Ländliche, das Wetter erinnere sie an ihre Heimat. Sie sei weiter gekommen, habe einige Projekte abgeschlossen, und ihr Handy meist auf stumm geschaltet. Das Stipendium sei eine „total tolle Institution“. Abschließend las Nikolić aus ihrem Gedichtband „Unterholz“, der sich mit dem Land Thüringen, ihrer Kindheit und den Großeltern beschäftigt.
Gedichtband „Unterholz“
Man riecht den Wald förmlich, die Sprache ist eigen. Um die Gedichte nicht klassifizieren zu müssen, habe sie den Untertitel „Auszüge aus einem Langgedicht“ gewählt, erzählt die Autorin. Nikolić bewegt sich durch Wald und Nebel der Erinnerung. sie ist barfuß unterwegs, langsam, immer weiter tastet sie sich vor: „Still liegt mein Dorf. Und ist es das noch? Ist jemals etwas wirklich mein?“