Der Architekt Fritz Auer – im Hintergrund das Münchner Olympiastadion. Foto: SZ Photo/Alessandra Schellnegger/Auer Weber

Olympiastadion, James-Bond-Hotel und eine Voliere in der Wilhelma – all das stammt von dem Stuttgarter Architekten Fritz Auer. Die Lust am Verändern begleitet ihn bis heute. Ein Porträt zum 90. Geburtstag.

Die 150 Stufen vom Strand rauf zu seinem Ferienhäuschen auf Elba erklimmt er immer noch lässig. Auch aufs Rennrad schwingt er sich noch gern. Seine Lebenserinnerungen, die er vor ein paar Monaten fertiggestellt hat, sollen im Herbst in den Buchhandel kommen.

 

Über sein letztjähriges Buch zur Entstehungsgeschichte des Münchner Olympiastadions schrieb die „Süddeutsche Zeitung“, es sei ein „stimmungsaufhellendes Antidepressivum“. Und gerade erst hat ihn das Publikum beim Baden-Badener Architekturdialog im Burda-Museum als eine Art Naturwunder bestaunt: den Architekten Fritz Auer, der gesund und munter am 24. Juni seinen neunzigsten Geburtstag feiert.

Der gebürtige Tübinger, seit seinem Studium in Stuttgart zu Hause, ist so etwas wie ein halbes Jahrhundert deutscher Architekturhistorie auf zwei Beinen. Vor allem mit dem Münchner Olympiastadion von 1972, an dem er – damals noch im Büro von Günter Behnisch – maßgeblichen Anteil hatte, hat er sich seinen Platz in der Ruhmeshalle der Architekturmoderne gesichert.

Mit ihrer kühnen Zeltdachkonstruktion beabsichtigte die Wundertruppe junger Stuttgarter Architekten nicht nur einen Gegenpol zum steinernen NS-Ewigkeitspathos des Berliner Olympiastadions zu erschaffen, sondern zugleich auch eine freiheitliche, demokratisch geläuterte Bundesrepublik zu repräsentieren.

Ein auf Umfragen unter der internationalen Architektenprominenz basierendes Kompendium zählt das Stadion an der Isar zu den hundert wichtigsten Bauwerken des 20. Jahrhunderts. Und dass auch eine lichte „Nicht-Architektur“ eine (halbe) Ewigkeit überdauern kann, zeigte sich im vergangenen Jahr, als die Leichtathletik-EM unter der Dachlandschaft ihren Austragungsort fand.

Zu verdanken war das nicht zuletzt Fritz Auer. Denn als das Stadion in den neunziger Jahren zu einer reinen Fußballarena umgebaut werden sollte (und Günter Behnisch sich genötigt sah, entsprechende Pläne vorzulegen), machte er sich für eine Erhaltung des Originals stark, für die auch 40 000 Bürger per Unterschrift votierten.

In letzter Zeit hat der Architekt wieder öfters Termine in München, weil er den Stadionbau auf die Weltkulturliste der Unesco befördern möchte. Das Olympiastadion – im wahrsten Sinne ein Lebenswerk.

Eso-Hotel – zu sehen im Bond-Film

Der Werkkatalog seines eigenen Büros, das Fritz Auer mit seinem (2014 verstorbenen) Freund und Mit-Olympioniken Carlo Weber 1980 gründete, ist der Nachkriegsmoderne mit ihren Stilidealen von Transparenz und Leichtigkeit verpflichtet, vom Festspielhaus in Recklinghausen über das Eso-Hotel in Chile, das im „007“-Film „Ein Quantum Trost“ zu Leinwandruhm gelangte, bis zur Offiziersschule in Dresden.

Eine herausragende Stellung nimmt das Landratsamt in Starnberg ein: Die städtebaulich vom Kaiserpalast in Kyoto inspirierte, von Wasser und Grün durchzogene Anlage erhielt den Deutschen Architekturpreis 1989. Dass sie so gut altert wie ihr Architekt, erwies sich in diesem Jahr, als das Zusammenspiel von Bestands- und Erweiterungsbau mit dem Preis des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt ausgezeichnet wurde.

.Relativ überschaubar geblieben ist die Zahl der Projekte in Stuttgart: das Haus der Kirche in Degerloch, das Jugendhaus in Bad Cannstatt, die spinnwebenfeine Voliere in der Wilhelma. Eine Pionierleistung – zumindest im abrisswütigen Stuttgart – vollbrachten die Architekten mit dem Zeppelin-Carrée, einem zigfach um- und zugebauten städtischen Block, den sie von seiner Verstopfung befreien und revitalisieren konnten.

An der Gegenwart beklagt Fritz Auer ihre Mutlosigkeit: „Wir sind ein Volk von Bedenkenträgern geworden.“ Wie man es schafft, so alt und doch so jung zu sein wie er, ergibt sich im Umkehrschluss: aktiv bleiben, neugierig, mit Lust am Gestalten und Verändern und vor allem – mit Spaß bei der Sache sein