Jörg Westermann geht bald in den Ruhestand, der aber keiner werden wird. Foto: Birgit Heinig

Noch drei Monate, dann ist Jörg Westermann Pensionär. Als ehemaliger Schulleiter wird er sich weiterhin jenen Dingen widmen, die ihm am Herzen liegen. Und das waren schon immer, sind und bleiben die Menschen.

Der gebürtige Stockacher wuchs ab 1963 in Villingen auf, besuchte die Haslachschule, das Hoptbühl-Gymnasium, die Realschule Karl-Brachat und legte 1981 sein Abitur am Technischen Gymnasium ab.

 

Mit Kindern und Jugendlichen wollte er beruflich arbeiten, das war ihm schon früh klar. Nach dem Dienst bei der Bundeswehr folgte daher an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg das Lehramtsstudium in den Fächern Gemeinschaftskunde, Technik und katholische Religion.

Nach dem Referendariat in Bad Mergentheim war aber erst einmal Ernüchterung angesagt: in den 1980er-Jahren gab es zu viele Lehrer, die in den staatlichen Schuldienst drängten. Jörg Westermann hatte Glück und fand im Hohenlohischen an einer Privatschule für verhaltensauffällige Schüler eine Stelle, wo er seine ersten beruflichen Erfahrungen sammelte.

Dann im Staatsdienst unterrichtete er in Dotternhausen, in Niedereschach und ab 1999 als Konrektor in Mönchweiler. 2003 übernahm er die Leitung der Grund- und Hauptschule in Pfaffenweiler und wechselte 2012 noch einmal. Er wurde Schulleiter in der Robert-Gerwig-Schule St. Georgen, die er nun am 31. Juli für immer verlässt.

Er verlässt Schule

Beim Gedanken daran schlagen zwei Herzen in seiner Brust, gibt er zu. Zum einen wird er sie alle vermissen, die Kollegen, die Eltern, vor allem die Schüler. Zum anderen spüre auch er die gesellschaftlichen Veränderungen. „Die Anerkennung von Autorität schwindet, das Bildungsniveau sinkt und die Politik behandelt nur die Symptome eines kränkelnden Bildungssystems.“ Er kenne viele Lehrkräfte, die eigentlich doch alle einen „sehr schönen Beruf“ haben, aber unzufrieden seien.

Pläne für seinen Ruhestand hat Jörg Westermann nicht. Denn er ist schon jetzt mit seinen Ehrenämtern gut beschäftigt. Einzig terminliche Bindungen auf Dauer wolle er nicht eingehen, sagt er und denkt dabei lächelnd an die vielen Anfragen aus Vereinen, die ihn schon erreichten, ob er nicht eine Vorstandstätigkeit übernehmen würde.

Projekt Röthenlochhof

Sein aktuelles Projekt findet am Röthenlochhof bei Unterkirnach statt. Im September wird dort zehn Tage Jubiläum gefeiert und Jörg Westermann gehört dem Orga-Team an. Der Hofbesitzer Klaus Richter ist Westermanns Kollege im Team der Stadtführer. Dem gehört der 64-Jährige nach einer Ausbildung seit rund drei Jahren an. „Die Geschichte der Stadt hat mich schon immer interessiert“, sagt er.

Der Stadtführer

Mehr über seine Heimat zu wissen, das findet er wichtig. Und als Machertyp denkt er stets darüber nach, wie man dieses Wissen den kleinen und großen Menschen näherbringen kann. So hat er auch schon neue Stadtführungsformate entwickelt, etwa als Radmacher mit Silke Eppinger als Alt-Villingerin die „Rätselhafte Stadtführung“ Brunnentour oder mit Roland Brauner die Bänkletour, die am 27. Juni Premiere feiert. Er wirkt bei „Des Wächters Runde“ mit und war im Planungsteam für den Stadtführungsmarathon.

Die Geschichtskratten

Angeregt von der Historischen Narrozunft und ihren Fastnachtskisten, entsann Jörg Westermann, selbst „Zünftler“, jüngst mit einem gleichgesinnten Team die „Geschichtskratten“. Das sind mit historischen Zeugnissen gefüllte Körbe für Schulklassen. „Die laufen sehr gut an“, sagt er.

Kirche der Zukunft

Jörg Westermann war schon Ministrant, Gruppen- und Jugendleiter, Pfarrgemeinde- und Stiftungsrat in der St.-Bruder-Klaus-Gemeinde. Aktuell gehört er dem Liturgiekreis an, hält Wortgottesdienste, organisiert Pfarrfeste mit und kann – aufgrund seines Studiums und einer Fortbildung – Beerdigungen durchführen. Auch Kirche habe sich sehr verändert und leider an Bedeutung verloren, bedauert er. Das Großprojekt „Kirchenentwicklung 2030“ sei zwar ein großer Schritt, „aber der richtige“. Und da ist er wieder, sein „Blick über den Tellerrand“, den er im Gemeindeteam wagt, um auch hier neue Ideen zu entwickeln.

Einem Mann sei er bei all seinen beruflichen und ehrenamtlichen Aktivitäten immer wieder über den Weg gelaufen: Henry Greif. Ob in der Jugendarbeit oder der Theatergruppe von St. Bruder Klaus, während der Lehrerausbildung und später bei Dienstbesprechungen der Schulleitungen, im Team der Stadtführer und jetzt wieder beim Röthenlochfest. „Von ihm habe ich viel gelernt.“