Oliver Blume sieht die Krise als Chance für den Börsengang. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Mitten in der Krise bringt Volkswagen den Stuttgarter Autobauer Porsche an die Börse. Verfolgt man die Spur der Milliarden, die der Konzern dabei einnehmen wird, zeichnet sich ein klarer Sieger ab. Von ihm ist bisher kaum die Rede.

Die gegenwärtige geopolitische Lage ist nach Ansicht von Porsche- und VW-Chef Oliver Blume kein Hindernis für den geplanten Börsengang des Stuttgarter Autoherstellers. In den Krisen der vergangenen Jahre habe das Unternehmen große Widerstandsfähigkeit bewiesen und hohe Gewinnspannen erzielt, sagte Blume. Egal, ob es die Finanzkrise war, der Wirtschaftseinbruch durch Corona oder jetzt der Krieg in der Ukraine – stets habe das Unternehmen sich als fähig erwiesen, den Gewinn und den Mittelzufluss sogar noch zu steigern.

Geld ist reichlich vorhanden

Gerade jetzt sei viel Geld vorhanden, das investiert werden wolle. Nach Blumes Einschätzung könnte der Börsengang sogar ein Vorbild für andere Unternehmen sein, die sich derzeit nicht an die Börse trauen. Der Schritt von VW könne ein „Eisbrecher“ sein. Nach Ansicht von Finanzchef Lutz Meschke ist eine Absage nur bei einer sehr ernsten Weiterentwicklung der geopolitischen Lage vorstellbar.

Nach Ansicht des Duisburger Automobilprofessors Ferdinand Dudenhöffer kommt der Börsengang angesichts der Entwicklung der Aktienmärkte recht spät. Dies liege nicht zuletzt an den langwierigen Abstimmungsprozessen im VW-Konzern mit seinen vielen unterschiedlichen Interessen. Vorteilhaft sei, dass der Wertverfall des Euro zu einem günstigen Einstandskurs für US-Investoren, arabische Investmentfonds, Schweizer und Chinesen führe.

Aus der Perspektive der Familien Porsche und Piëch wird die Finanzierung der Transaktion durch die abgesackten Börsenkurse ebenso erleichtert wie durch die Sonderdividende, die VW nach dem Börsengang an die Aktionäre ausschütten wird. 49 Prozent der Erlöse sollen an die Anleger gehen und damit auch an den Großaktionär Porsche SE. Dies erleichtert den Familien die Finanzierung, die durch andere Entwicklungen aber auch erschwert wird. So steigen mit den Zinsen auch die Finanzierungskosten für den Kauf.

Für VW hat die Transaktion den Vorteil, Milliardenbeträge einzuspielen, die dann für Investitionen in neue Technologien investiert werden können. So will der Konzern 20 Milliarden Euro in sein globales Batteriegeschäft und in sechs Gigafabriken investieren – allein im niedersächsischen Salzgitter sollen laut Betriebsratschefin Daniela Cavallo 5000 Arbeitsplätze entstehen. Massiv investieren will VW auch in ein neues Werk für das künftige E-Modell Trinity neben dem Wolfsburger Stammwerk, dessen Effizienz es mit der ultramodernen Tesla-Fabrik im brandenburgischen Grünheide aufnehmen soll. Auch das Fahrzeug selbst, der elektrische Trinity, soll es in Sachen Reichweite und digitalen Fähigkeiten mit Tesla aufnehmen.

Viel Geld fließt nach Niedersachsen

Den größten Nutzen aus dem Börsengang könnte somit ein Akteur ziehen, der bisher kaum Beachtung fand: das Land Niedersachsen. Denn die Milliarden, die der Börsengang in Wolfsburg einspielt, kommen dem Land gleich doppelt zugute: Von den 51 Prozent, die VW behält, sichert ein guter Teil die hohen Investitionen des Wolfsburger Konzerns in neue Werke und Arbeitsplätze ab. Und auch die 49 Prozent, die als Sonderdividende an die VW-Aktionäre ausgeschüttet werden, kommen dem Bundesland zugute, das rund zwölf Prozent der Aktien hält und sich damit – je nach Bewertung der Porsche AG an den Börsen – auf eine Zusatzdividende in Milliardenhöhe freuen darf.

Eine zufriedene Landesregierung wiederum ist auch für VW von Vorteil – schließlich hat das Bundesland trotz seiner vergleichsweise geringen Beteiligung eine Sperrminorität und könnte strategische Entscheidungen von VW-Chef Oliver Blume und seinem Vorstand blockieren. Denn der Zwölfprozentanteil besteht zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil aus stimmberechtigten Stammaktien, so dass das Land 20 Prozent der Stimmrechte hält. Wegen des VW-Gesetzes wiederum reichen diese 20 Prozent bereits aus, um bei VW strategische Entscheidungen blockieren zu können. Die Investitionen sichern somit dem Land Jobs und dem Vorstand eine nicht von widerspenstigen Anteilseignern gestörte Arbeit.

Ein zweiter Ankeraktionär

Auch von der Börse und ihren zuweilen querulatorischen Anlegern hat der Vorstand wenig zu befürchten – schließlich werden lediglich die stimmrechtslosen Vorzugsaktien an die Kapitalmärkte gebracht. Stammaktien gehen nur an die Porsche SE, die ohnehin bei Volkswagen die Mehrheit der Stimmrechte hält. Somit sichert VW der Tochter Porsche einen weiteren Ankeraktionär.

Es kann vor diesem Hintergrund kaum verwundern, dass der Betriebsrat von Volkswagen den geplanten Börsengang begrüßt. Er verschaffe dem Konzern Einnahmen, die nicht zuletzt in den weiteren Umbau in Richtung E-Mobilität und Digitalisierung fließen sollen, hieß es. Dadurch werde aus Sicht der Belegschaftsvertretung „gewährleistet, dass ein Porsche-Börsengang auch auf unser Ziel einer nachhaltigen Beschäftigungssicherung einzahlt“.

Das Sagen haben Volkswagen und die Familien Porsche und Piëch

Börsengang
 Das Grundkapital der Porsche AG wird je zur Hälfte in stimmberechtigte Stammaktien und stimmrechtslose Vorzugsaktien aufgeteilt, es sollen je 455,5 Millionen Papiere sein. VW verkauft je ein Viertel der Stämme und der Vorzüge der Porsche AG: Die Stämme gehen an die Porsche Automobil Holding SE, die von den Familien Porsche und Piëch beherrscht wird.

Anteile
 Vom Grundkapital von Porsche werden 12,5 Prozent an der Börse handelbar sein. Ein Fünftel der Emission will VW-Großaktionär Katar kaufen. Auch Privatanleger sollen Porsche-Aktien kaufen können. Auf dieser Basis könnte der Börsengang bis zu 9,6 Milliarden Euro einbringen, die Familien-Holding Porsche SE würde bis zu 10,4 Milliarden beisteuern. VW hielte 75 Prozent an der Porsche AG, die Familien-Holding Porsche SE 12,5 Prozent, Katar 2,5 Prozent. Zehn Prozent wären im Streubesitz. Das Sagen hätten aber nur VW und die Familien. (rtr)