Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat am Montag auch ein Bundeswehrkrankenhaus in Berlin besucht. Empfangen wurde er dort von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Foto: dpa

Bei seinem ersten offiziellen Besuch in Berlin hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nicht nur im Kanzleramt vorbeigeschaut, er stattete auch dem Bundeswehrkrankenhaus einen Besuch ab. Dort werden schon seit einem Jahr ukrainische Soldaten und Zivilisten behandelt.

Berlin - Es dauert. Fast eine Stunde lassen sich Angela Merkel und Petro Poroschenko Zeit, bevor sie am Montag im Kanzleramt vor die Kameras gehen. Merkel weiß, was in solchen Fällen gedacht wird. Also versichert die Kanzlerin, den ukrainischen Präsidenten an ihrer Seite, es habe eine intensive, aber keine „kontroverse“ Diskussion gegeben. Sollte sie je Schwierigkeiten auf der ukrainischen Seite sehen, das Minsker Friedensabkommen vom 12. Februar umzusetzen - kein Wort käme ihr jetzt dazu über die Lippen.

Genau am ersten Jahrestag des „Referendums“ über die Loslösung der Krim von der Ukraine lässt Merkel keinen Zweifel daran, wer für sie der Aggressor in diesem Drama ist, das jetzt schon mehr als ein Jahr Dauer dauert: Kremlchef Wladimir Putin.

Poroschenko bedankt sich innerhalb weniger Minuten mehrfach für Merkels Hilfe, für die Unterstützung aus Deutschland insgesamt. Wenn ein hoher Staatsgast zum ersten Mal nach Berlin kommt, gibt es so etwas wie ein Standardprogramm: Militärische Ehren im Schloss Bellevue, Mittagessen im Kanzleramt, Empfang im Bundestag. Ein Besuch im Krankenhaus gehört normalerweise nicht dazu. Poroschenko legt jedoch großen Wert darauf, dass er nach seinem Termin im Kanzleramt auch noch das Bundeswehrkrankenhaus zu sehen bekommt.

Die Klinik mitten im Regierungsviertel ist eins von vier Krankenhäusern in Deutschland, wo jetzt schon seit mehr als einem Jahr immer wieder ukrainische Soldaten und Zivilisten behandelt werden. Poroschenko bekommt die Zusage, dass in den nächsten Tagen nochmals bis zu 20 Militärs aufgenommen werden. Das ist der Moment, wo man inmitten der Besuchsroutine daran erinnert wird, dass der Krieg im Osten der Ukraine keineswegs vorbei ist.

Für Poroschenko ist es der erste offizielle Besuch in Berlin. Als er das letzte Mal hier war, im Mai 2014, war er nur Kandidat. Seither hat er Merkel elfmal getroffen und mehr als 60 Telefonate mit ihr geführt, rechnet er vor. Die bislang wichtigste Begegnung liegt etwas mehr als einen Monat zurück: der nächtliche Verhandlungsmarathon im weißrussischen Minsk, wo sich Poroschenko und Putin unter deutsch- französischer Vermittlung auf Grundlagen für einen Frieden einigten.

Gegen den Waffenstillstand wird seither aber immer wieder verstoßen. „Dennoch sehen wir eine Beruhigung“, sagt Merkel. Beide Seiten - prorussische Separatisten und ukrainische Regierungstruppen - haben auch mit dem Austausch von Gefangenen und mit dem Abzug von schweren Waffen begonnen. Nächster Schritt wäre nun, mit den Vereinbarungen für einen politische Befriedung zu beginnen. So weit ist man aber noch lange nicht. Praktisch überall ist man beim Zeitplan im Verzug.

Poroschenko verspricht, die Vereinbarungen voll zu respektieren

Poroschenko verspricht in Berlin nochmals, die Vereinbarungen voll zu respektieren: „Die Ukraine wird ganz genau und gewissenhaft alle ihre Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen einhalten.“ Für Verstöße macht er allein die Separatisten und die Russen verantwortlich, die nicht genügend Druck auf ihre Verbündeten ausübten. Aber diese Sicht der Dinge wird in Berlin nicht geteilt.

Auch die Ukrainer hätten es zuletzt mit der Wahrheit nicht sehr genau genommen, heißt es in deutschen Regierungskreisen. Das gilt etwa für den Abzug von schweren Waffen, die tagsüber weggeschafft und nachts an etwas anderer Stelle wieder aufgestellt würden. Mit Sorge beobachtet man in Berlin auch die zunehmende Rivalität zwischen Poroschenko und seinem Regierungschef Arseni Jazenjuk. Bei dessen jüngsten Berlin-Besuch bekam der Ministerpräsident von Merkel eine Ermahnung, es damit nicht zu übertreiben.

Auf all dies geht die Kanzlerin am Montag in der Öffentlichkeit nicht ein. Zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen sagt sie nur: „Wir alle sehen, dass wir Schwierigkeiten haben mit der Erfüllung.“ Sie und Poroschenko mahnen, dass die Einhaltung der Vereinbarungen von Minsk Grundvoraussetzung für alles Weitere ist. Beide eint auch die größte Sorge - dass die Separatisten mit einem Angriff auf die 500 000-Einwohner-Stadt Mariupol beginnen. Die Minsk-Vereinbarungen wären dann wohl endgültig gescheitert. Die Kanzlerin macht deutlich, dass es bei neuen „groben Verstößen“ („Das Stichwort Mariupol ist schon gefallen“) neue Sanktionen geben müsse.

In einem Punkt allerdings stellt Merkel auch öffentlich klar, dass sie Poroschenkos Ansicht keineswegs teilt. Sie hält überhaupt nichts davon, heute schon mit einem Boykott der Fußball-WM 2018 in Russland zu drohen. „Ich konzentriere mich jetzt mal auf das Jahr 2015“, sagt sie knapp. „Da haben wir alle Hände voll zu tun, um erst mal das Minsker Paket umzusetzen.“ Dann verweist sie noch darauf, dass 2016 erst mal in Frankreich die nächste Fußball-EM stattfinden werde. Und darauf freue sie sich schon.